Notiz 11
von Hans-Joachim Heyer

27.1.-31.1.2005

27.01.2005- Auschwitz: In einem Philosophieforum fand ich heute folgenden Eintrag:

Heute vor 60 Jahren - Befreiung aus der industriellen Vernichtung von fast 1,5 Millionen Menschen. Was ging wohl in der Psyche der Menschen vor sich, die sich zu solch Grausamkeiten hinreißen oder abrichten ließen?
Was haben wohl die Opfer gegenüber ihren Peinigern empfunden?
Was hat Auschwitz möglich gemacht? Fragen, die mich innerlich aufwühlen.

Die Frage nach dem Grund, der Auschwitz ermöglichte, soll beantwortet werden.

Vorgestern wurden wir im VHS-Literaturkurs etwas näher mit Heinrich Heine und dessen Werk bekannt gemacht. Auf diese Weise kam ich mit Heines Gedicht "Das Sklavenschiff" in Berührung. Hier ein paar Zeilen aus dem langen Gedicht, in welchem der Sklavenhändler Mynheer van Koek von seiner anstrengenden und risikoreichen Arbeit erzählt:

Das Sklavenschiff

...

Sechshundert Neger tauschte ich ein
Spottwohlfeil am Senegalflusse.
Das Fleisch ist hart, die Sehnen sind stramm,
Wie Eisen vom besten Gusse.

Ich hab zum Tausche Branntewein,
Glasperlen und Stahlzeug gegeben;
Gewinne daran achthundert Prozent,
bleibt mir die Hälfte am Leben.

...

Im Durchschnitt starben täglich zwei,
Doch heute starben sieben,
vier Männer, drei Frauen - Ich hab den Verlust
Sogleich in die Kladde geschrieben.

...

Ich nahm den Toten die Eisen ab;
Und wie ich gewöhnlich tue,
Ich ließ die Leichen werfen ins Meer
Des Morgens in der Frühe.

Es schossen alsbald hervor aus der Flut
Haifische, ganze Heere,
Sie lieben so sehr das Negerfleisch;
Das sind meine Pensionäre.

Sie folgen unseres Schiffes Spur,
Seit wir verlasen die Küste;
Die Bestien wittern den Leichengeruch,
Mit schnupperndem Fraßgelüste.

...

Am Fockmast steht Mynheer van Koek
Und faltet betend die Hände:

"Um Christi Willen verschone o Herr,
Das Leben der schwarzen Sünder!
Erzürnten sie dich, so weißt du ja,
sie sind so dumm wie die Rinder.

Verschone ihr Leben um Christi Willn,
Der für uns alle gestorben!
Denn bleiben mir nicht dreihundert Stück,
So ist mein Geschäft verdorben."

Das Gedicht steht nicht für sich allein. Natürlich kenne ich "Onkel Toms Hütte" und andere Texte über antike und moderne Sklaverei. Was mich damals, als ich noch jung war, bei der Lektüre von "Onkel Toms Hütte" erschütterte, war, daß die meisten Sklavenhändler und Sklavenausbeuter glaubten, was ihnen ihre Obrigkeit - meist Pfaffen auf der Kanzel - gesagt hatte: daß Sklaven unbeseelte Tiere seien, also eine Ware wie Schnürsenkel oder Rindsleberwurst. Auch erschütterte mich, zu lesen, daß auch viele Sklaven es glaubten. Ich fragte mich: "Haben die denn keine Augen im Kopf?"

Hat Heine übertrieben oder hat er die Realität zutreffend beschrieben, als er in seinem Gedicht zum Ausdruck brachte, daß die Sklavenhalter derart dumm seien, daß sie nicht einmal merken, daß sie - und nicht die Haie - Bestien sind? Nicht die Sklaven, die Sklavenhändler sind "dumm wie die Rinder"!

Einen weiteren Schock erhielt mein positives Menschenbild, als ich vor Jahren erfuhr, daß in deutschen Krankenhäusern bis in die 50er Jahre neugeborene Säuglinge ohne Betäubung operiert wurden. Man hatte den Chirurgen erzählt, das Nervensystem bei Säuglingen sei noch nicht so weit entwickelt; die Kleinen verfügten noch nicht über ein schmerzempfindliches Bewußtsein. Wieder fragte ich mich, wie es möglich war, daß die Chirurgen, die sicher keine Dummköpfe waren, so etwas glauben konnten. Sie hatten doch Augen im Kopf! Sie sollten eigentlich sehen können! - Aber wie heißt es schon in der Bibel: "Sie haben Augen, aber sie sehen nicht; sie haben Ohren, aber sie hören nicht!" (zB Mk.8.18) Da begriff ich dieses Bibelzitat erst in seiner ganzen Tragweite!

Ein Sportangler wollte mir weismachen, Fische würden keinen Schmerz fühlen, deshalb könne man den Köderfischen bedenkenlos Haken durch die Rücken treiben. Woher er das wisse? - Man habe es ihm im Anglerverein so gesagt; zudem stehe es in Anglerzeitschriften zu lesen! - Dem Mann waren Stammtischgeschwätz und Zeitschriften maßgeblicher, als sein eigenes Herz, das sich aus diesem Grund verdunkelte, zum Schatten wurde.

Ich selbst hatte noch in der Schule gelernt, daß Eltern ihre Säuglinge in die Krippe oder den Kinderwagen legen - also von der Mutterbrust trennen - sollen, damit sich beim Schreien der Kleinen deren Lungen stärken! In derselben Schule lernte ich, daß der Mensch ein (Säuge-)Tier sei. Diese Behauptung hat wenigstens Konsequenz. Sie kann als gewisse Rechtfertigung für das Tun der Sklavenhändler und -halter dienen, die ihre Menschenware ja auch nur als Tiere betrachteten. (Man betrachte diesen letzten Satz im Zusammenhang mit dem, was ich weiter unten über Schillers Kritik an der Evolution schrieb.)

Den ganz großen Schock erhielt ich jedoch erst, als ich mich philosophisch den Naturwissenschaften zuwandte. Am sogenannten "gesunden Menschenverstand" der Otto-Normalverbraucher war noch relativ leicht zu zweifeln. Daß die NAZIS die Juden zum Untermenschen degradieren konnten, - daß so etwas möglich war und auch heute noch ist - konnte ich allmählich begreifen, auch wenn es mir schwerfiel. Aber daß der Schwindel bis weit in die Naturwissenschaften hineinreicht, das konnte selbst ich mir lange Jahre kaum vorstellen.

Nenn mir den Namen eines großen Genies, lieber Leser! Richtig! Einstein! Wir alle wissen: Einstein war ein Genie! So hat man es uns beigebracht. So hören wir es fast täglich im Fernsehen. Auch hören wir, seine geniale Relativitätstheorie sei (ausschließlich den Physikern, wohlgemerkt) bewiesen. Dem Otto-Normalverbraucher ist freilich dieser Beweis verschlossen. Er ist und bleibt darauf angewiesen, zu glauben, daß der Beweis stimme. Daß die Raumsonde auf Saturnmond Titan landete, wird als Beweis für die Richtigkeit Einsteins Formel anerkannt. Unmöglich, daß Einstein irrte!

Und er irrte auch nicht! Er log. Er hat uns alle verarscht. Ich weiß, warum er das Bild mit der ausgestreckten Zunge um die Welt gehen ließ. Wenn eine Rakete mit Lichtgeschwindigkeit (c) nach links und eine zweite mit c nach rechts fliegt, und du sitzt in einer der Raketen und betrachtest die andere: Was siehst du? Richtig! Du siehst: Die andere Rakete fliegt nicht mit doppelter c von dir fort, sondern bloß knapp mit c! Die Differenz zwischen erwartetem doppelten c und tatsächlich beobachtetem c erklärte Einstein mit der Raumkrümmung: Der Raum zwischen den beiden Raumschiffen zieht sich in Flugrichtung zusammen, bis beide Geschwindigkeitenidentisch sind. Mit Hilfe von Atomuhren konnte diese Theorie bewiesen werden: Bewegte Uhren gehen langsamer, als unbewegte.

Wäre es möglich, daß sich die Raumschiffe tatsächlich mit 2c voneinander entfernen, nur daß sich bei relativistischen Geschwindigkeiten (Geschwindigkeit nahe an c) bloß gesehenes und tatsächliches Geschehen deutlich unterscheiden? Einstein sagte: Nein! Es gibt keine Illusion, keine Erscheinung! Was wir sehen, ist real! Die Raumschiffe entfernen sich auch real nicht mit 2c voneinander. Das, meine Leser, ist Einsteins Genialität!

Für mich, der ich Augen habe und sehe, hat Einstein bloß bewiesen, daß das gesamte Physikmodell eine illusionäre Erscheinung ist. Indem er Realität und Erscheinung ineins setzte, erhob er das Physikmodell zur Realität. Aus einem Wissenschaftler wurde ein Scientist: er wurde Opfer seiner eigenen Theorie. Fast. Seine ausgestreckte Zunge zeigt mir, daß er dem System nicht komplett zum Opfer gefallen war, man mußte ihn schon mit sehr viel Lob - den Nobelpreis und einen fantastisch dotierten Job - umschmeicheln, damit er sein Geheimnis nicht preisgab.

Auf dieselbe Weise widerlege ich ja auch Libets* Beweis von der Unfreiheit des Willens. Libet zeigte, daß Nervenzellen bereits vor unserer Willensentscheidung feuerten, wonach angeblich bewiesen wäre, daß wir Sklaven der Nervenaktivitäten seien. Ich aber wies nach, daß die Erscheinung der Nervenaktivitäten vor der Erscheinung der Willensäußerung läge, und daß dies keine Widerlegung der Behauptung ist, daß die Geist-Seele, die alle Erscheinungen willentlich hervorruft, nicht über Willensfreiheit verfüge. Beweisen kann man nur Determiniertes; der indeterminierte Wille läßt sich grundsätzlich nicht beweisen, obwohl es ihn gibt. Zu ihm muß man sich entscheiden! Die Wahrheit liegt nicht in der Erscheinungswelt, bzw. im Physikmodell.

Wer das Physikmodell mit der Realität ineins setzt, kann nicht mehr nach der Wahrheit suchen. Er kann nur noch im Modell suchen. Er ist von der Wahrheit abgetrennt. Er sitzt in der Falle. Er ist in der Hölle. Für Höllenmenschen bin ich notwendig ein Scharlatan, denn in der Hölle gibt es ausschließlich Scharlatane. Es überraschte mich, als ich erfuhr, daß Menschen, die der Hölle verfallen sind, in einem selbstbestätigenden System leben. Sie können meinen rettenden Arm nicht ergreifen. Ich bin für sie ein Scharlatan. Die Hölle hat keine Tür nach draußen.

Die Schatten sehen nicht, daß ich - Seele - nicht in der Hölle bin, denn sie sehen nur meinen Schatten.

Die Paradoxie des Wellen-Teilchen-Dualismusses ist ein weiterer Hinweis darauf, daß die Realität ein Drittes ist: Geist. Geist macht Modelle, auch Physikmodelle. Heisenberg wußte noch, daß Geist (Bewußtsein) Meßergebnisse beeinflußt. Später log er daraus die physikmodellimmanente Unschärferelation, die nun als Beweis für den Zufall (und die Statistik) gilt. Der Zufall steckt seitdem in allen physikalischen Großtheorien mit der fatalen Konsequenz, daß sie nichts mehr wirklich erklären: Sie gaukeln nur noch Erklärungen vor. Wer diesen modellimmanenten Beweisen folgt, kommt in die (oder ist bereits in der) Hölle.

Was ist die Hölle? Die Hölle ist kein Ort, sondern ein (Bewußtseins-)Zustand. Du bist in der Hölle, wenn du deine Geist-Seele verlierst, deinen freien Willen, deine Urteilskraft. Du bist in der Hölle, wenn du mit Haut und Haar äußeren Kräften hilflos, sinnlos, trostlos und hoffnungslos ausgeliefert bist. In der Hölle bist du, und ein Teufel bist du, wenn du ein Materialist bist, ein Gefangener des Physikmodells. Die Hölle hat keine Tür nach draußen - außer der Tür, die ich fand und derentwillen ich meine "Schule für Lebenskunst" gründete.

Tja, und jetzt zur Frage, wie Auschwitz möglich war! Auschwitz war möglich, weil Menschen lieber einer Autorität glauben, als ihren eigenen Augen und eigenem Verstand. Auschwitz war und ist möglich, weil zu viele Menschen das, was sie sehen, nicht richtig reflektieren, weil sie auf der Erscheinungsebene bleiben und es nicht schaffen, von ihr zur geistigen Ebene vorzudringen - dahin, wo sie ewige Seele sind. Die physikmodellimmanente "Bewußtseinsforschung" - siehe meine Artikel "Metzinger", "Metzingervortrag", "Qualia", "Bieri", "Werkstatt5", "Gehirn" und meine vielen Tagebücher und Notizen - ist ein fast genialer Versuch, den Menschen den letzten Ausweg aus der materiellen Höllenwelt zu versperren.

Für verschattete Seelen werden die Argumente der Teufel immer besser, immer plausibler, immer "beweiskräftiger", immer raffinierter. Allein für mich und ein paar Mitstreiter bewirken dieselben Argumente im Gegenteil, daß der Schwindel immer deutlicher hervortritt.

Auf der einen Seite ziehen sie heute große Besinnungsfeierlichkeiten unter dem Motto "Nie mehr Auschwitz" ab, und auf der anderen Seite zwingen zB Weltbank und Internationaler Währungsfond die Regierung der Elfenbeinküste, die Kakaoproduktion nicht länger zu subventionieren. Die Subvention wurde geleistet, damit die Kakao-Bauern wenigstens ein Existenzminimum verdienten. Nach der Abschaffung der Subvention am 12.8.2000 sahen sich die Bauern gezwungen, Kindersklaven, die sie im freien Handel für 25 bis 35 Euro kaufen konnten, auf den Plantagen einzusetzen, damit sie wenigstens ihr eigenes Überleben sichern konnten. Die Sklaven müssen ohne Lohn 16 bis 18 Stunden täglich bis zu ihrem frühen Tode arbeiten. Siehe SZ vom 5./6.5.2001: "Blutige Schokoriegel". Weiteres Beispiel: Politik5.html#1205a und Politik4.html#1002

Auschwitz - die fabrikmäßige Vernichtung von Millionen Menschen ist also auch heute noch möglich! Aber wen interessiert das angesichts billiger Jesus Christus verkörpernder Schokoladenweihnachtsmänner?

Es gibt keinen materialistischen Grund, an diesen menschenverachtenden Zuständen etwas zu ändern. Die Hölle kennt keine Gnade. Kapitalismus, freier Wirtschaftsliberalismus - sie kennen keine Gnade; sie kennen nur Gründe, wo also der Wille dem rationalen Verstand folgt (s. Bieri). Moral kann man sich in der Hölle nicht leisten. Welch ein Glück, daß unsere Soziologen lehren, Moral sei reine Konvention, sei verhandelbar. Wir stimmen heute darüber ab, was Wahrheit ist! Und wahr ist, daß der Zwang zum Geldverdienen stärker ist, als jede Rücksichtnahme auf die Schwachen. Lassen wir unsern freien Willen vor diesen rationalen Tatsachen verbeugen!

Stimmen wir ab: Wahr ist, daß die Reichen noch reicher werden müssen, denn schließlich weiß jeder Normalbürger, daß da, wo die Reichen reicher werden, die Wirtschaft wächst und folglich selbst den Ärmsten noch ein paar Krümel übrigbleiben! Ja, auch die Kindersklaven an der Elfenbeinküste bekommen zu essen!!! Wahr ist, daß wir das soziale Netz zerreißen müssen, um es zu flicken. Wir müssen Krieg machen um des Friedens willen. Es ist wahr; schließlich gucken wir täglich die Tagesschau. Wir sind in-formiert! **

Nachdem ich dies geschrieben hatte, fand ich in http://www.reschke.de/log2004/f_050126.htm sehr Ähnliches! Kein Zufall! Hier ein kleiner Ausschnitt:

Nun merke ich, daß auch das nichts mit mir zu tun hatte, und auch nichts mit diesem Land — und mit Land meine ich die Natur, den Boden, das Wetter, die Pflanzen, und auch die unschuldigen Menschen (wozu ja nur noch die Kinder zählen, solange ihre Galgenfrist währt). Die Maschine ist der Schmarotzer, der sich den Wirt zu Diensten macht. Und diese Maschine hat sich alles, aber auch alles zu Diensten gemacht. Keiner kann sehen, wie tief das geht — es geht bis ins Gefühls- und Sexleben, bis in die Träume, bis in die letzten Wünsche und Sehnsüchte hinein. Deshalb sind sie so unruhig, deshalb halten sie es mit sich selbst nicht aus, deshalb flüchten sie und müssen sich ablenken und betäuben. Nicht weil mit ihnen selbst etwas falsch wäre, sondern weil sie gar nicht mehr sie selbst sind — weil sie nur Werkzeuge der Maschine sind, gehirngewaschene Wesen, die gar nicht mehr wissen, wie es ohne den Schmarotzer noch sein könnte, der in ihnen sitzt, arbeitet, denkt und nach mehr strebt. Es ist ein Sklavenleben. Alle diese Menschen sind Sklaven. Und es ist eine einzige zentrale, hochintelligente, tödlich mitleidlose Kraft, die sie benutzt, und nach Benutzung in den Müll wirft. Und sie wissen es sogar. Kein Wunder, daß sie sich nicht besser fühlen.

Mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der in anderen Zeiten und/oder in anderen Ländern Menschen zu Sachen degradiert wurden und werden, so werden hier und heute immer noch die Tiere zu Sachen degradiert. Nicht weil die Menschen Augen im Kopf haben und selber denken, sondern einfach nur, weil man es ihnen gesagt hat, glauben sie, reinen Gewissens Tiere in Konzentrationslagern halten und für Tierversuche mißbrauchen und töten zu dürfen. In den riesigen Hühnerfarmen und Legebatterien, in den modernen Massentierhaltungen und Laboratorien der Pharmakonzerne herrscht nicht weniger Elend und Leid, als in jedem NAZI-KZ. Nicht so schlimm? Nein? Natürlich nicht! Man hat den Leuten gesagt, es sei nicht so schlimm. Also ist es für sie evidente Tatsache. Ja, unsere empirischen Bewußtseinsforscher haben immer mehr Recht. Je mehr man ihnen glaubt.

* Zu Libets Experiment, siehe: "Willensfreiheit.html", "TB27" v.18.4.04, "Briefe 12" oben

** (30.1.) Beleg für meine Behauptung, die heuchlerischen Bosse fordern die Zerstörung des sozialen Netzes, um es zu retten (was sie in Wahrheit jedoch nicht vorhaben). Sie behaupten allen Ernstes: Mehr Reichtum der Reichen (=Wirtschaftswachstum) bewirke mehr Beschäftigung und Brot (für die Armen) siehe: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,339111,00.html

Schröder schreckt Wirtschaft mit Steuer-Gedankenspielen

... Top-Manager aus der deutschen Wirtschaft äußerten sich einhellig ablehnend, wollten aber nicht zitiert werden. Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, warnte, eine Steuer auf Finanztransaktionen hätte "unweigerlich negative Folgen" für das Wachstum und die Beschäftigung in der Weltwirtschaft.

... als ob Wachstum Beschäftigung brächte! Kein Wunder, daß die Bosse nicht mit Namen genannt werden wollen.

Beleg 1 für meine These, daß der Zusammenhang zwischen Wachstum und Beschäftigung anders ist, als von den Bossen behauptet wird. Um seinen Schwindel zu untermauern, schreckt der Siemens-Chef nicht einmal vor Bildfälschung zurück. http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,339120,00.html

Der Siemens-Chef und die verschwundene Rolex

Siemens hat gerade einen Profitrekord geschafft, will aber 1350 Stellen streichen. Da hielten es die PR-Experten des Konzerns wohl für geboten, ihren neuen Chef Klaus Kleinfeld als bescheidenen Menschen zu präsentieren: Auf der neuen Variante eines offiziellen Pressefotos fehlt eine hochwertige Uhr. Wurde sie digital getilgt?

Beleg 2 vom 3.1.2005: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,339918,00.html

DEUTSCHE-BANK-UNWORT

"Smartsourcing" kostet weitere 3300 Stellen

Sparkurs: Deutsche Bank steigert Profit - und kappt weitere Jobs
Die Gewinne klettern, doch der Chef ist nicht zufrieden: Die Deutsche Bank hat im vergangenen Quartal in allen wichtigen Geschäftsfeldern besser abgeschnitten. Trotzdem sollen im Ausland noch einmal 3300 Stellen wegfallen. Die Bank hat auch schon einen wohlklingenden Begriff für den Vorgang gefunden.

Soviel zum Zusammenhang von Wachstum und Beschäftigung! Was mich an diesem ganzen Zirkus ärgert, ist, daß die Beschäftigten und die Arbeitslosen immer wieder diesen notorischen Schwindlern folgen und mir "Verfolgungswahn" und Ähnliches vorwerfen und ich mich dann "räche", indem ich zurückrufe, wenn die Katastrophe geschieht: "Euch geschieht recht!!"
Beispiel: In demselben SPIEGEL-Artikel, in dem Schröder die Besteuerung der Spekulationsgewinne fordert, erfahren wir, daß FDP und CDU/CSU dagegen sind, um ihre Nähe zu den Bossen zu demonstrieren. Dafür werden die Wähler die Regierung strafen und CDU/CSU/FDP wählen - und bestraft werden. Es ist ja immer dasselbe: Das Schaf, das keinen guten Hirten hat, stürzt sich in den Abgrund.

Um's noch einmal deutlich zu sagen: Qualitatives Wachstum vernichtet Arbeitsplätze; anschließendes quantitatives Wachstum (des qualitativ Neugeschaffenen) schafft weniger neue Arbeitsplätze, als vorher vernichtet wurden! Summa summarum: Wachtum und Beschäftigung gehen in unterschiedliche Richtungen.

28.1.2005- Friedrich Schiller: In der "Zeit" vom 5.1. finden wir unter http://www.zeit.de/2005/02/Schilleraktuell "Spieler mit Ideen" u.a. folgendes (Fettgedrucktes: Hervorhebung von mir):

Zu den Vorzügen Schillers gehört, daß sich mit seiner Hilfe solche Manöver mühelos durchschauen lassen. Auch die Evolution, von der die Forscher reden, wäre für ihn nur eine Idee, und noch dazu eine Idee, die nur dazu diente, eine umstrittene Technik vor Kritik zu bewahren. Das versteckt Ideologische der Naturwissenschaften hat Schiller als junger Arzt zum ersten Mal auf einem Gebiet entlarvt, das heute wieder groß gefeiert wird: in der Neurophysiologie. Auch damals glaubten die Ärzte, sie könnten das Bewußtsein als bloßen Schaltvorgang zwischen Nervenzellen lokalisieren und die Menschheit damit von der Illusion der Willensfreiheit kurieren. Schiller hat in zwei (von drei) Dissertationen mit der materialistischen Annahme gekämpft, dass sich alles Seelische auf leibliche Vorgänge reduzieren ließe, bis ihm der rettende Gedanke kam, daß der Materialismus auf einem Selbstwiderspruch beruht. Denn der Materialismus müßte sich konsequenterweise seinerseits als Bewußtseinsinhalt deuten, dem nur eine Nervenreaktion zugrunde liegt und keine höhere Einsicht. Das aber hieß: Der Materialismus war nicht die Überwindung herkömmlicher Philosophie, sondern nur ein weiteres philosophisches System. Mit dieser bestechenden Schlaumeierei hatte sich Schiller ein großes Problem vom Hals geschafft und die Freiheit abermals gegen die Natur gerettet. Das wäre wenig mehr als Spiegelfechterei, wenn nicht bis heute der Versuch, Natur gegen Willensfreiheit und Selbstbestimmung auszuspielen, darauf zielte, den Menschen zur Unterwerfung unter die Verhältnisse zu zwingen.

Schillers Kritik an den Naturwissenschaften geht in dieselbe Richtung wie meine! Auch ich entlarvte den Materialismus ("Physikmodell") als Selbstwiderspruch, an dem jedoch festgehalten wird, weil der Materialismus dazu mißbraucht wird, "den Menschen zur Unterwerfung unter die Verhältnisse zu zwingen". Warum der Autor des ZEIT-Artikels Schillers Entlarvung des Materialismusses als als "bestechende Schlaumeierei" und "Spiegelfechterei" bezeichnet, bleibt allerdings rätselhaft. Schillers schlaumeierische Spiegelfechterei hat ihn immerhin zur Erkenntnis geführt, daß

... in dem Umstand, daß wir ohnehin nicht mit der wirklichen Wirklichkeit, sondern mit einer vorgestellten Wirklichkeit umgehen, auch eine große Chance (liege). Wir müssen vor der Realität nicht kapitulieren; wir haben sie ja selbst konstruiert. Der Wille zum Besseren kann sich gegen das Vorgefundene durchsetzen. So kam der Optimismus in die Idealistische Philosophie.

Was ist daran so schlecht? Warum sollte aktive freie Schöpferkraft nicht besser sein, als passive erzwungene Anpassung an die Gegebenheiten (wie sie die Evolutionstheorie, die Schiller wie ich scharf kritisiert, nahelegt)? Warum macht Jens Jessen hier Schiller lächerlich? Immerhin hat Schiller einen gangbaren Weg in die aktive Freiheit gefunden! Daß die große Masse Mensch diesen Weg nicht gehen konnte - die Französische Revolution hats ihm bewiesen - ist kein Argument gegen Schillers These. Schiller irrte ausschließlich in dem einen Punkt, daß er eine Zeit lang Aufklärung aller Menschen für realisierbar hielt.

Leserbrief:

>> Schiller irrte ausschließlich in dem einen Punkt, daß er eine Zeit lang Aufklärung aller Menschen für realisierbar hielt.

Diesen Fehler haben die Sufis und islamischen Philosophen nicht gemacht; es ist kein Wunder, daß die islamische Philosophie und der metaphysische Sufismus ein Schattendasein im modernen Islam führt, der vollkommen in der Hand der Fundamentalisten ist, die wiederum nichts anderes als die Rechtsgelehrten sind, die die Philosophen und Sufis seit Jahrhunderten mundtot zu machen versuchten. Im Islam hat sich eben genau dasselbe abgespielt wie im Christentum; Rom hat jede und alle umgebracht, die nicht auf eine Linie zu bringen waren, und genau das haben die Rechtsgelehrten im Islam auch getan. Wenn wir heute vom Islam sprechen, dann sprechen wir von einem Witz, genau so wir von einem Witz sprechen, wenn wir vom Christentum sprechen. Das was diese Worte ganz eigentlich beinhalten (Gnosis), war, ist und wird immer eine Bewegung im Untergrund sein.

29.1.2005- Schiller: Theaterregisseurin Andrea Breth will Schillers "Wallenstein" auf die Bühne bringen. In einem ZEIT-Interview (s. http://www.zeit.de/2005/02/Interview_Breth) unter dem Titel "Ich kann von dem Burschen nicht lassen" sagt sie unter anderm (meine Kommentare sind zwischengeschoben):

Es ist ja die Frage, hat Gott die Menschen erfunden oder hat der Mensch die Götter erfunden, um zu irgendetwas aufzublicken? Das ist ja nicht schädlich, zu etwas aufzublicken. Der andere Satz, ob der stimmt? Ich würde nicht sagen, nur ein bedeutender Mensch kann Faust spielen, aber ich würde sagen, ein bedeutender Schauspieler kann Faust spielen. Aber den Faust oder den Wallenstein runterzuziehen zu einem Otto Normalverbraucher, den man im Wurstladen treffen kann, das empfinde ich als eine falsche Bewegung im Theater. Ich kann Richard III. im Leben nicht treffen, ich würde es auch niemandem wünschen. ...

Man lese in diesem Zusammenhang evtl "Einweihung in Zeiten der Demokratie", wo zu lesen steht, daß dem modernen demokratisch geprägten Menschen (z.T zu recht) das Denken in Hierarchien abgewöhnt worden ist, mit der fatalen Folge, daß er sich gern als das Maß aller Dinge betrachtet. Er kann sich nicht mehr vorstellen, daß es Bedeutendere gibt, als ihn selbst. Er stellt sich eine große Persönlichkeit so vor, als stände er selbst an dessen Stelle mit all seinem scharlatanesken Stammtischwissen von der Welt und "erkennt" infolgedessen: Die "da oben" sind ja genau wie ich: Scharlatane. Das wahre "Oben" ist ihm unsichtbar geworden.

Goethes "Faust" kann man heute nicht mehr spielen, weil sich kaum einer noch "Faust" vorstellen kann. Welcher Mensch gelangt denn heute noch an die Grenzen des Menschseins? Die Meisten werden doch in gemachte Betten gelegt, in fertige Umwelten gesetzt. Bei den Meisten unterbleibt die Suche nach sich selbst, denn diese Suche ist eine gefährliche Gratwanderung.

Wir haben den spanischen Königspalast als leeres Labyrinth gezeigt, weil der Herrscher über diesen Palast und diese Welt, Philipp der Zweite, der Erfinder der modernen Behörde war. Es ist unglaublich, in welch gigantischen Ausmaß der Mensch damals bereits archiviert wurde. Im Grund steckt in der Inquisition schon der Secret Service. Der Bühnenraum bezieht sich hier auf den Inhalt, die Textur des Stücks, er ist kein modisches Shining-Zitat. Das Kind fährt durch eine entleerte Welt; die Infantin wird das Erbe antreten. Es wird einem grausig ums Herz, wenn man sich vorstellt, was das Kind erlebt und aufgesaugt hat. Und vor allem: Was wird es fortsetzen, wenn es selber herrscht?

Was passiert, wenn man ein Schaf zu Hirten macht? Was passiert, wenn man Schüler über Lehrpläne oder Bürger über ihre Herrscher oder Konsumenten über Bildungsfernsehen und Zeitungsinhalte abstimmen läßt? Richtig! Wir bekommen unterstes Niveau: geistige Leere, Katastrophe, Krieg, Hölle! Geist kommt nie von unten. Geist kommt immer von oben. Die Frage, ob Gott die Menschen oder die Menschen Gott schufen, ist hiermit beantwortet.

Es gibt eine zunehmende gesellschaftliche Entleerung. Wir berauben uns aller Dinge, an die man glauben kann. Wenn man nicht mehr weiß, wofür man existiert, wenn man abstreitet, daß wir etwas zu vererben haben, wird es eng. Wir haben sehr viel bekommen, und ich finde es bedenklich, daß wir keine Verantwortung mehr übernehmen. Wir haben etwas weiterzugeben. Wir können heute nicht mehr sagen, wir sind das Land der Dichter und Denker.

Wir haben den Glauben abgeschafft, es gibt keinen Gott, wir haben keine gesellschaftliche Utopie mehr, und nun haben wir irgendetwas Merkwürdiges, das auf den Begriff »Geld« hört. Und das ist relativ nichts. Es ist gar keine Diktatur ausgebrochen. Das wäre ja einfach, dagegen könnte man kämpfen. Es ist schlimmer: Es ist eine vollkommene Entleerung.

Der Theatermarkt ist so schnell geworden, da herrscht so eine wahnsinnige Angst unterzugehen. Die jungen Theaterregisseure werden von den Medien gepeitscht, sie werden von seltsamen, kapitalistisch veranlagten Intendanten gepeitscht, aufzufallen, unverwechselbar zu sein. Das heutige Theater ist wie ein Supernaschmarkt ohne irgendeine Zielsetzung. ...

Welch ein Glück, daß es noch - ich betone: "noch!" - Zeitungen wie Die Zeit gibt. Wer sich wünscht, daß es auch künftig solche Qualitätsblätter gibt, sollte sie heute abonnieren. Ich mache Werbung dafür, daß jeder Mensch sich klarmachen sollte, daß er in der Welt leben wird, in die er heute seine Energie steckt. Der Leib folgt den Interessen des Geistes! Für alles, was nach meinen Ansprüchen Qualität hat, will ich einen fairen Preis bezahlen, denn ich will in einer qualitativ hochwertigen Welt leben.

Leserbrief:

>>daß dem modernen demokratisch geprägten Menschen (z.T zu recht) das Denken in Hierarchien abgewöhnt worden ist, ...

Der Begriff „Hierarchie“ geht auf Dionysius Areopagita zurück: “Das schöne Wort ‚HIERARCHIE’ ist vor D. nicht nachweisbar; es bedeutet ‚HEILSORDNUNG’.“ (Des heiligen Dionysius Areopagita angebliche Schriften über die beiden Hierarchien, 1911, S. 4) In Kapitel III, § 1 der Schrift „Himmlische Hierarchien“ heißt es u.a.: Hierarchie ist ihrem Wesen nach eine heilige Stufenordnung, Wissenschaft und Wirksamkeit, welche Verähnlichung mit Gott auf dem Wege der Erleuchtung bezweckt. In § 2 lesen wir u.a.: Zweck der Hierarchie ist Verähnlichung und Vereinigung mit Gott, ... Das Wort „Hierarchie“ bezeichnet eine heilige Institution, ein Abbild der göttlichen Schönheit, welches in abgestuften Ordnungen und Erkenntnissen die Geheimnisse der ihm gewordenenen Einstrahlung auswirkt. (...) Durch die Stufenordnung der Hierarchie ist es bedingt, daß die einen gereinigt werden, die andern reinigen, daß die einen erleuchtet werden, die andern erleuchten, daß die einen vollendet werden, die andern vollenden.

Der hier geäußerte Gedanke eines stufenweisen Aufstieges zum Göttlichen wird auch in Form der axis mundi (Weltenachse), dem Weltenbaum, der Jakobsleiter, die Himmel und Erde verbindet und deren Sprossen die verschiedenen Stufen des Seins darstellen, symbolisiert. Hierarchie ist der „Stufenleiter der Dinge,“ oder einem „Stufenkosmos“ entlehnt, in dem das Niedere dem Höheren zustrebt und schließlich mit dem Göttlichen verschmelzt. Das Göttliche selbst bewegt sich nicht, aber durch seine Anziehungskraft (Eros) auf das Niedere bewegend einwirkt. Die Idee geht auf Aristoteles zurück: „Es bewegt, indem es geliebt wird“ (kinei os eromenon).

Die Stufe, die ein Wesen innerhalb der Hierarchie einnimmt, entspricht dem Grade seiner Gottähnlichkeit. Im Islam ist das gottähnlichste Wesen Mohammad; im Christentum Christus, im Judentum der Messias, im Buddhismus der Buddha etc. Diese vollkommen realisierten Menschen sind deshalb Modelle, denen wir nachfolgen (sollen), um unsere eigene Vervollkommnung innerhalb der Hierarchie anzustreben. In weiteren Abstufungen sind es die Propheten, Heiligen, Seeligen, Weisen und Ältesten, die besondere himmlische Zustände realisiert haben, und deshalb innerhalb der Hierarchie weit oben stehen.

Da die Demokratie kein Wertesystem ist, in dem es Platz für vertikales (seelisches) Streben gibt, kann es nicht weiter verwundern, daß den Menschen hierarchisches Denken abgewöhnt wird. In der Demokratie können wir jedoch eine Karrikatur, eine Art horizontale Bastatisierung der vertikalen Hierarchie ausmachen: Alle sind gleich, aber manche sind – dank des Geldes – gleicher!

Auch ich sehe in "Hierarchie" eine Rangordnung am Maßstab der Gottähnlichkeit.

Leserbrief:

>> hat Gott die Menschen erfunden oder hat der Mensch die Götter erfunden?

>>Geist kommt nie von unten. Geist kommt immer von oben. Die Frage, ob Gott die Menschen oder die Menschen Gott schufen, ist hiermit beantwortet.

Das ist ein interessanter Punkt. Du hast die Frage der Frau Breth mit Hilfe einer räumlichen Symbolik zu beantworten versucht: Geist (Gott) kommt von oben; in Bezug auf Gott sind wir unten.

Diese räumliche Symbolik, um das Verhältnis von Gott und Mensch zu bezeichnen, kann man auch in eine zeitliche Symbolik transponieren kann: Oben ist ewiges Sein; unten ist Werden & Vergehen. Wir bekommen die folgende Beziehung:

Wir haben ihr eine Dualität, einen unüberbrückbaren Gegensatz, es fehlt das Dritte. Ewiges und Zeitliches, Oben und Unten, Himmel und Erde, Mensch und Gott haben in diesem dualen Modell der Wirklichkeit keine Möglichkeit zusammenzukommen. Daher lese ich Frau Breths Frage anders. In dieser Frage steckt bereits die Antwort, oder besser in diesem Wort: „erfunden.“ Denn ganz eigentlich sollte man fragen, ob es eine Möglichkeit gibt – für Gott und Mensch gleichermaßen – sich zu erleben? Bei dieser neuen Fragestellung geht es darum, ein gemeinsames Drittes zu finden, einen Ort also, in dem ewiges Sein (Unzeitlichkeit) und Werden & Vergehen ((Zeitlichkeit) in einer coincidentia oppositorum zusammenkommen können. Und das ist möglich. Diesen Ort gibt es; er ist die Imagination. Das „Erfinden“ der Frau Breth ist ganz eigentlich „ein Finden“ und interessanterweise ist der wörtliche Sinn des arabische Begriffs wujud (oft mit „Sein“ oder „Existenz“ übersetzt) „finden“ oder „gefunden zu werden.“ Die höchste theologische Bedeutung hat wujud als die absolute und unbegrenzte Realität Gottes. Wujud bezeichnet die Essenz Gottes oder des Realen, oder die einzige Realität, die wirklich real ist, also die höchste Realität. Der Gelehrte al-Ghazali schlägt vor, das Glaubensbekenntnis „Es gibt keinen Gott außer EINEN Gott“ mit „Es gibt nichts in wujud außer Gott“ zu übersetzen. Mit anderen Worten: Gott kann gefunden werden und nicht nur das, sondern Gott ist das einzige, das gefunden werden kann, denn innerhalb des Findens gibt es nichts anderes als Gott. Wenn sich Frau Breth darüber beklagt, daß wir nicht mehr das Land der Dichter und Denker seien, sondern daß es zu einer vollkommenen Entleerung in unserer Kultur gekommen sei, dann beklagt sie den Umstand, daß wir etwas anderes als Gott suchen, oder vielmehr die Suche aufgegeben haben. Da aber nur Gott (und nichts anderes) gefunden werden kann, suchen wir Irreales, Leeres, oder indem wir aufhören (zu suchen) zu finden, bleiben wir von Gott getrennt; deshalb finden wir auch nur Leeres, obwohl man hier nicht von finden sprechen kann, sondern man muß vielmehr sagen, daß wir immer weniger Gott suchen, wodurch sich die Leere ganz von selbst einstellt. Die Imagination ist das Dritte, das Bindeglied zwischen dem Sucher und dem Gesuchten; die Imagination ermöglich das Finden! Das Problem der Ratio, oder des diskursiven Denkens besteht darin, daß es nur einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Mensch und Gott feststellen kann. Entweder gibt es Gott nicht, oder es gibt ihn, aber dann ist er so weit weg, daß er sich für uns nicht interessiert. Deshalb ist es egal, ob es Gott gibt oder nicht, er ist unereichbar. Deshalb müssen wir Geld verdienen und alles andere sein lassen. So oder ähnlich der Gedankengang des Hoffnungslosen und des sich selbst Verlorenen. Wenn man erkennt, daß ein Mensch nur dann sich selbst (er)finden kann, wenn er Gott (er)findet, daß Gott nur dann (er)funden werden kann, wenn der Mensch sich selbst (er)findet, dann erkennt man, daß es nicht darum gehen kann, ob es Gott gibt oder nicht – diese Frage wird vollkommen sekundär – sondern es kann dem Menschen nur darum gehen, wie Mensch (er)finden kann. Luk 11:9 [S]uchet, und ihr werdet finden; klopfet an, und es wird euch aufgetan werden.

Für William Blake war Christus die Imagination und auch in der Gnosis wird Christus als das Lichtkreuz [Wort, Tür, Weg, Leben, Wahrheit etc.] bezeichnet, welches zwischen den oberen und unteren Dingen vermittelnd steht. Der Erlöser ist also selbst eine coincidentia oppositorum, denn er fäßt die unterste Stufe des Werdens & Vergehens als auch die höchste Stufe des Seins in sich zusammen; d.h. er umfasst sowohl alle Stufen des Seins als auch alle Stufen des Werden und Vergehens; er ist Gott-Mensch; er ist „Alles in allem.“

Zudem erfährt jeder Mensch entsprechend seines Wesens Gott anders. „Ich sah ihn in der Form, in der es mir möglich war, ihn zu sehen.“ (Talem eum vidi qualem capere potui.) Das für das sinnliche Auge „unsichtbare Licht“ erscheint jedem Menschen in einer anderen Form – entsprechend der „Möglichkeiten seines Wesens.“ Die Wahrnehmung der jeweiligen göttlichen Form(en) kann nicht vom Wahrnehmenden getrennt (d.h. objektiviert) werden.

Die Seele schaut in den Spiegel der Wirklichkeit und sieht dort die epiphanische (göttliche) Form ihrer selbst. Sie sieht sich also in diesem Spiegel als das, was sie wirklich, d.h. essentiel, ihrem eigentlichen Wesen entsprechend, ist.

Betrachten wir die Gottheit als eine coincidentia oppositorum von Licht und Dunkelheit. Die Seele hat Anteil an diesen zwei Dimensionen der Gottheit. Der Mensch leidet an seiner Existenz; nicht deshalb weil er schlecht ist, sondern deshalb weil die Existenz selbst die Dunkelheit ist, an der das Licht leidet. Wie dem auch sei. Die Seele ist aus einer Erde (Lehm) gemacht, die selbst wiederum eine Mischung aus Licht und Dunkelheit ist. Entsprechend der Mischungsanteile ist die jeweilige Seele präfiguriert. Die Seele, ob sie das wahrhaben will oder nicht, ist ganz eigentlich eine besondere Mischung aus Licht und Dunkelheit. Aus dieser besonderen Mischung ergeben sich alle ihre Dramen im psycho-spirituellen Raum. Es ist eine Illusion, man könnte etwas anderes sein, als man ist.

Wenn aber die Dunkelheit nicht in der Gottheit angelegt ist, sondern nur in der Seele, weil die untere/zeitliche Dimension, an der sie Anteil hat, dem Fall in die Unwissenheit entspricht, der begleitet ist mit einem Verlust der intellektuellen Intuition (nous), dann natürlich können wir sagen, daß Gott ganz Licht ist, an dem die Seele vermöge ihrer ersten Dimension zwar Anteil hat, aber sie selbst befindet sich unten/im Leib, in der Dunkelheit. Die Problematik hier ist immer dieselbe. Die Identifikation der Natur mit der Dunkelheit und deshalb der Notwendigkeit, die Natur zu überwinden. Leibfeindlichkeit! Dieser krasse Bruch zwischen Gott/Licht und Natur/Dunkelheit ergibt sich meineserachtens aus einem Irrtum. Die Natur ist es ja nicht, die die Dunkelheit der Seele ausmacht, sondern ihr Verlust der intellektuellen Intuition. Es ist ganz eigentlich die Unwissenheit in Bezug auf die letzten Gründe (Metaphysik) und auf sein wirkliches, essentielles Wesen, die den menschlichen Zustand kennzeichnet und seine Erbärmlichkeit unterstreicht. Es ist allein der Mangel an direkter Schau, der die Dunkelheit ausmacht. Diese Dunkelheit kann also nicht in der Gottheit angelegt sein, denn Gott ist gut und Licht. Die Dunkelheit besteht darin, daß wir nicht sehen, daß Gott ist, daß Gott gut ist und daß Gott gut und Licht ist. Damit vermeiden wir die Dunkelheit auf die ganze Natur auszuweiten, sondern beschränken uns die Dunkelheit als die Folge des Verlustes eines Vermögens, nämlich dem der intellektuellen Intuition, zu beschreiben. Gott ist also über jeden Gegensatz erhaben. Es ist der Mensch, dessen Seele eine Doppelnatur besitzt, so wie es im Christus-Drama bereits angedeutet wird. Der Mensch ist Dunkelheit, er ist aber auch Licht. Der Mensch selbst ist eine coincidentia oppositorum, aber nicht der gewöhnliche Mensch, sondern die Seele des Menschen und die seelische Wirklichkeit des Menschen! Und das ist erfahrbar! ---

Antwort: Volle Zustimmung! Auch ich bin zu der Erkenntnis gelangt, daß wir Gott finden, indem wir ihn erfinden. Das widerspricht nicht der Erkenntnis, daß Geist stets von oben kommt, nie von unten.

30.1.2005: Profit für alle?

Der Computerhersteller Dell sagt zur Stadt Winston-Salem, NC: “Wir wollen 20 Jahre lang keine Steuern zahlen, dann bauen wir bei euch eine Fabrik und stellen 1500 Leute mit einem Durchschnittsgehalt von USD 27,770 ein.“ Daraufhin bekommt Dell von der Stadt eine 886 Millionen Steuergutschrift auf 20 Jahre. Oder mit anderen Worten: Die Stadt subventioniert praktisch alle Gehälter der Angestellten auf 20 Jahre und es bleiben immer noch 3 Millionen jährlich für Dell übrig, um eine Weihnachstparty zu schmeißen.

Das ist der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts! (Quelle: privat)

Ist dieses Gebaren von Winston-Salem sinnvoll? Auf den ersten Blick scheint es so: Winston-Salem zieht mit Geschenken DELL an, sich im "Steuereinzugsgebiet" Winston-Salems anzusiedeln. Im Gegenzug bringt DELL Steuergelder in die Kassen Winston-Salems und zahlt Löhne an die arbeitende Bevölkerung. Alle haben ihren Gewinn! So sieht es aus. Man muß schon zweimal hinschauen und zwischen den Zeilen lesen, um die Wirklichkeit zu sehen: Sobald nämlich die 20 Jahre, in denen Winston-Salem praktisch alles bezahlen, vorbei sind, zieht DELL in die nächste Stadt und hinterläßt Winston-Salem eine teure Ruine. Die Reichen sind reicher und die Armen ärmer geworden. Interessant an der Sache ist, daß dieser teuflische Trick immer wieder und überall funktioniert. Auf die Dummheit der Betrogenen ist Verlaß!

31.1.2005- Qualitätsliteratur: Ein gewisser "Hacks" zitiert Arno Schmidt:

Hacks: Erfolgt nämlich die Bezahlung überhaupt nicht nach der Güte, kann und wird sich die Güte endlich nach der Bezahlung richten. Schmidt:

»Das'ss ooch so was, was die Verleger *nie* lern'n: wenn se Tausnd Mark für 'ne Übersetzunk blechn, kriegn se 'ne 3-Tausnd-Mark-|Übersetzunk; wenn se 6 Tausnd schmeissn, eene für 6 Tausnd: dann kann ich neemlich de doppelte Zeit dran wendn!«

Diese Überlegung von Arno Schmidt (»Piporakemes!«) sollte von Leuten, die Kunstwerke kaufen, sehr ernst genommen werden. Der Künstler, wenn man ihn zu »normalem« Tauschverkehr zwingt, behält die unerfreuliche Freiheit, sich die Arbeit leicht zu machen. Er kann der Schäbigkeit des Angebots mit der Schäbigkeit des Werks begegnen: er liefert anstelle eines Kunstwerks ein Nebenwerk. Er senkt den Schwierigkeitsgrad und mit dem den Zeitaufwand, so lange, bis die Schaffensgeschwindigkeit zum Durchschnittspreis paßt. [...]

... womit wir bei der nächstn Zeile wärn:

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Leserbrief:

Ich verstehe das Zitat von Arno Schmidt etwas anders.
Wenn ich 1000 zahle, bekomme ich Ware im Wert von 3000.
Wenn ich 6000 zahle, bekomme ich Ware im Wert von 6000.

Schmidt zitiert die ökonomische Regel vom abnehmenden Grenznutzen:
Ich muß 600% mehr zahlen, um 100% mehr Arbeit zu bekommen. Mit anderen Worten:

„Zahle 6 mal 1000 und bekomme Ware im Wert von 6 mal 3000 = 18000,“
was besser ist für die Verleger als
„Zahle 1 mal 6000 und bekomme Ware im Wert von 1 mal 6000 = 6000.“

Ausbeutung lohnt sich!

2. Brief desselben Lesers, ein paar Tage später:

Ich sehe gerade, daß meine Interpretation falsch oder in jedem Fall zu eindimensional ist. Arno Schmidt meint wohl das Folgende:

Wenn ich eine Quantität (1000) zahle, dann bekomme ich eine Qualität (Übersetzung) von ihm, die dieser Quantität im Verhältnis von 3:1 entspricht. [Das 3:1 Verhältnis ist mystisch: Eine Qualität besitzt, sobald sie manifest wird, drei quantitative Aspekte, so wie beispielsweise der manifeste Raum Höhe, Tiefe und Breite aufweist.]

Wenn ich eine 6-mal größere Quantität (6000) an Schmidt zahle, dann bekomme ich eine Qualität (Übersetzung), die dieser Quantität im Verhältnis von 1:1 entspricht, also doppelt so qualitätsvoll ist wie die erste. Hier mischt Schmidt Quantität mit Qualität in genialer Weise und ich glaube, ich weiß, warum. Die Begründung von Schmidt ist sehr subtil: Mit 6000 kann er doppelt so viel Zeit auf die Übersetzung verwenden als wenn ich ihm nur 1000 zahle. Hmm... Hätte er nicht sagen müssen, daß er 6-mal mehr Zeit zur Verfügung habe, denn er bekommt ja auch 6-mal mehr Geld? Nein, er sagt nicht, daß er 6-mal mehr Zeit auf die Übersetzung verwenden werde, sondern nur 2-mal so viel Zeit, obwohl ich ihm dafür 6-mal mehr bezahlen muß. Und diese Verdoppelung der Arbeitszeit führt zu einer Verdoppelung der Qualität der Übersetzung. Was macht Schmidt aber mit den anderen 4000? Ich wette, er kauft sich damit die Zeit, die er braucht, damit auch eine Verdoppelung der Arbeitszeit dazu führt, daß sich die Qualität der Übersetzung verdoppelt!!! Denn an und für sich bedeutet doppelte Zeit (Quantität) nicht automatisch doppelte Qualität! Das war mein Trugschluß in meinem ersten Leserbrief. Ich habe die Aussage von Schmidt aus einem rein quantitativen Aspekt betrachtet, so wie es der Ökonom tut, und dabei unterstellt, daß eine Übersetzung eine quantitative Arbeit darstellt, was eindeutig falsch ist. Die Verdoppelung der Qualität der Übersetzung ist jetzt die Summe aus der Verdoppelung der Arbeitszeit – das ist der quantitative Aspekt – PLUS die Qualität der Zeit, die Arno Schmidt sich mit den übrigen 4000 kaufen kann, damit auch die Verdoppelung der Zeit (Quantität) zu einer Verdoppelung der Qualität führt.

Man kann also die Regel vom abnehmenden Grenznutzen neu formulieren: Um eine qualitative Verdoppelung einer schriftstellerischen Tätigkeit zu erreichen, muß eine quantitative Versechsfachung in Kauf genommen werden. (*) Und das ist es, was die Verleger nie lernen, wie Schmidt meint, weil sie wie die Ökonomen denken, nämlich daß eine Verdoppelung der Quantität genügen müßte, um eine Verdoppelung der Qualität zu erreichen. Deshalb verstehen die Verleger auch nicht, daß Schmidt die 4000 extra braucht, um sich damit qualitative Zeit zu kaufen, damit die quantitative Arbeitszeitverdoppelung auch zu einer merklichen, d.h. doppelten, Übersetzungsgüte gereicht.

(*) Das ist etwas ungenau formuliert. Tatsächlich ist das Quantität:Qualität-Verhältnis wie folgt: 1:3, 6:6, 36:9, 216:12, 1296:15 etc. Der Grenznutzen nimmt nämlich in Bezug auf die Qualität ab, deshalb bleibt der (quantitative) Inputfaktor von 6 konstant, aber der (qualitative) Outputfaktor verringert sich von 2 (Verdoppelung) auf 1,5 und 1,33 und 1,25 etc.

Um beispielsweise eine Verfünffachung der Qualität seiner Arbeit zu erzielen, muß man Schmidt anstatt 1000 knapp 1,296,000 zahlen! Dann wird er 5000 darauf verwenden, um die Verfünffachung der Arbeitszeit zu finanzieren und mit den restlichen 1,291,000 wird er sich qualitative Zeit kaufen (Weltreisen, seltene Bücher & Zeit diese zu studieren, Landhaus etc., Sekretärin, Assistenten, Weinsammlung etc.), damit er auch die entsprechende Inspiration, Bildung und Hilfe bekommt, die er braucht, damit die fünffache Arbeitszeit zu einer Verfünffachung der schriftsstellerischen Qualität führt. Jetzt erklär’ das mal einem Verleger ,-))))

Antwort: Die Verleger verstehen in der Regel nicht, daß die Leistung eines Genies nicht nur von einer konkreten sachbezogenen Anstrengung abhängt - in diesem Fall der Übersetzung eines Buches - sondern vom gesamten Leben des Künstlers. Wenn ein Verleger eine geniale Arbeit vom genialen Künster will, muß er dafür sorgen, daß der Künstler alles tun und lassen kann, was er zur Ausübung seines Berufs braucht. Ich jedenfalls werde meine ganz großen Entdeckungen der Welt erst dann bekanntgeben, wenn die Welt mir beweist, daß sie sie auch wertzuschätzen vermag. Auch ich lebe derzeit eher von 1000 Mark, als von 1,296,000. Und die Verfünffachung der Qualität meiner Kunstwerke muß zuerst bezahlt werden, ehe ich sie preisgebe. Ein Dutzend Beweise meiner zukunftsweisenden Fähigkeiten und Erkenntnisse sind in meinen Texten versteut. Der Qualifizierte sollte in der Lage sein, diese Neuerungen zu finden.

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