Das Libet - Experiment
kommentiert
von Hans-Joachim Heyer
10.2.2005
Ich beziehe mich im folgenden auf einen Text von Reto U. Schneider aus NZZ Folio:
Mein Kommentar: Der letzte Satz birgt den Schlüssel zur Lösung. In dem Modell, in dem Wissenschaftler denken und arbeiten, gibt es keine Alternative zur Unfreiheit des Willens. Grund: Die wissenschaftliche Methodik läßt (Willens-) Freiheit als Erklärung prinzipiell nicht zu; sie akzeptiert bestenfalls den Zufall neben dem Determinismus, aber nie die Willensentscheidung eines bewußten Wesens. Die meisten Wissenschaftler entschieden sich: "Wenn Willensfreiheit mit wissenschaftlichen Methoden nicht zu fassen ist, will ich damit nichts zu tun haben!" (Das erinnert mich an den Besoffenen, der seinen verlorenen Autoschlüssel unter der Staßenlaterne sucht, obwohl er weiß, daß er ihn anderswo verloren hat: "Weil ich nur dort suchen kann, wo Licht ist!")
Hat Libet ein wissenschaftliches Experiment gemacht? Nein! Begründung: Ein Experiment, das zu wissenschaftlich anerkennbaren Aussagen führen soll, muß so angelegt sein, daß "die Natur" mit "Ja" oder "Nein" antworten kann. Ist das Experiment so angelegt, daß nur eine einzige Antwort möglich ist, ist es kein Experiment, weil dann die Antwort vorgegeben ist. Es würde nichts mehr geprüft; das poppersche Falsifizierungsverfahren würde notwendig ausbleiben. Experiment und Resultat wären dann unwissenschaftlich und dürfen keinen Eingang in das Wissenschaftsmodell finden.
Damit Libets Experiment ein wissenschaftlich anerkennbares sein kann, muß angegeben werden, wie ein Meßergebnis aussehen könnte, welches dann als Beweis für die Willensfreiheit angesehen werden könnte. Libets Problem war die Frage, wie er einen Willensentschluß messen kann, bevor dieser ein Bereitschaftspotential im Gehirn erzeugt. Angeblich hat er ein Jahr über das Problem nachgedacht, bis er die Lösung hatte - siehe Fettgedrucktes oben.
Sein Irrtum: Er hatte die Lösung nicht gefunden! Es ist nicht möglich, sich eine Versuchsanordnung vorzustellen, die erlaubt, einen Willen vor dem Bereitschaftspotential zu messen. Man kann nicht messen, was vor einer Messung geschehen ist. Man kann nicht sehen, was vor einem Fernrohr ist, wenn das Fernrohr so konstruiert ist, daß ich nur durch das Okular schauen kann. Stets sieht man, was das Fernrohr abbildet; man kann mit ihm nicht sehen, was da ist, bevor es abgebildet wird.
Libet glaubte, eine Lösung des Problems gefunden zu haben, indem er sich vom Probanden den Zeitpunkt seiner Willensentscheidung anzeigen läßt. Das funktioniert nicht! Die Entstehungsgeschichte eines Willens wird stets vordatiert. Ich erklärte in meiner HP an mehreren Stellen, daß nur die menschliche Seele des freien Willens fähig ist. Sie ist raum- und zeitloser Geist, konstruiert die Vorbedingungen für Wahrnehmungen, die da sind "Raum", "Zeit", "det. Kausalität" und "Materialität". In den subjektiven Raum wird am Leitfaden einer konstruierten Zeit rückwirkend eine kausale Entstehungsgeschichte des gegenwärtigen materiellen Zustandes konstruiert - ganz so wie es die Quantentheorie lehrt. Quantenphysikalische Experimente zeigen, daß die Geschichte zB eines Fotons rückwirkend geändert wird, wenn sich während seiner Ausbreitung die Versuchsanordnung plötzlich ändert.
Begründung: Es gibt nur Gegenwart. Zukunft und Vergangenheit sind Projektionen am Leitfaden gegenwärtiger Raum-Zeit-Theorien. Das Physikmodell ist identisch mit der Erscheinungswelt. Kausalzusammenhänge innerhalb des Physikmodells beweisen nichts, was den generellen Verursacher der Erscheinungswelt betrifft: die empirische Naturwissenschaft bleibt auf der "Filmebene" (gib dieses Wort in die Suchmaske in "Stichwort" ein). Die wissenschaftlich nachvollziehbare Kausalität verläßt die Filmebene nicht. Die Kausalität, die von der Filmebene zum Filmprojektor führt, steht senkrecht auf der empirisch nachvollziehbaren Kausalität: sie bewegt sich in einer anderen Dimension.
Die materielle Welt, das Wissenschaftsmodell, ist Abbildung. Abbildungen haben keinen freien Willen. Einen freien Willen kann nur derjenige haben, der in seiner Seele eine zusätzliche Dimension trägt, der weiß, daß er eine Seele hat (ist), der sich nicht mehr mit seinem niederdimensionalen Leib identifiziert, sondern mit seiner höherdimensionalen Seele. Ich habe diese Änderung meines Zustandes vollziehen können und bin deshalb mit Willensfreiheit gesegnet. Ich erlebe mich im ewigen Jetzt; Leib und Welt sind Projektionen. Mein freier Wille erscheint in der Welt aufgespalten als Notwendigkeit + Zufall. Ich bin reines Subjekt, kann meinen freien Willen nur subjektiv erleben. Jede Objektivation ist ohne Willensfreiheit; sie ist determinierte, tote Erscheinung.
Wir lesen oben den Absatz:
Der Widerspruch ließe sich nur beseitigen, wenn ein nichtmaterieller Geist über den freien Willen herrschen würde, der unbeeinflußt von den Gesetzen wirkt, die sonst für die Welt gelten, und dessen Existenz sich kaum beweisen ließe. Für die meisten Wissenschaftler keine wirkliche Alternative.
Hier liegt die Antwort verborgen. Die meisten Wissenschaftler sind keine Wissenschaftler, sondern Scientisten. Sie haben die Distanz zum Wissenschaftsmodell verloren. Sie setzen Modell und Realität ineins, haben vergessen, daß auch das Libetsche Experiment Interpretation ist die Ergebnisse der Interpretation bedürfen. Ein willensunfreier Libet kann keine Experimente machen, denn er kann nicht interpretieren. Er hat nicht die dazu erforderliche Wahl.
Ein echter Wissenschaftler würde sagen, Willensfreiheit sei Voraussetzung eines jeden echten wissenschaftlichen Experimentes, aber das Resultat eines jeden Experimentes könne nie Willensfreiheit beweisen. Er würde davor warnen, dem Wissenschaftsmodell zu verfallen, denn könne er nicht mehr kreativ das Modell erweitern, sondern müsse ihm bewußtlos, sklavisch (systemimmanent) dienen. Die Dynamik des realen Universums ermögliche es der Seele, zu versteinern. Damit man Wissenschaftler sein und bleiben könne, müsse man unbedingt dafür sorgen, daß das nicht geschehe. Wir müssen freie, lebendige, kreative Seelen bleiben, damit wir unsere Erscheinungswelt erfolgreich gestalten können. (Freilich braucht es eines großen Sklavenheeres, das man mit Hilfe deines tumben Scientismus und dessen Gerede von der Unfreiheit des Willens im Zaume hält. Aber dafür bin nicht ich zuständig, sondern die Politik.)
Die Erforschung des Bewußtseins, resp. der Willensfreiheit, ist nur "von innen" - subjektiv - möglich.
22.11.05: Und hier http://www.schulfach-ethik.de/ethik/Gymnasium/libet-exp.htm sehen Sie, was davon im Schul-Ethikunterricht davon übrigbleibt und mir untergeschoben wird...
11.2.: Leserbrief: Hi Jo,
ich bin noch dabei den Libet-Artikel zu verdauen; nur kurz soviel:
Gesetzt den Fall, es gäbe einen nicht-materiellen (und deshalb auch raum- und zeitlosen) Geist, woher würde dieser nicht-materielle (raum- und zeitlose) Geist die Energie nehmen, um eine Willensentscheidung zu treffen? Ich frage, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie eine Entscheidung fallen sollte, ohne daß die Entscheidungsfindung selbst ein Prozeß ist. Ein Prozeß aber ist eine energetische Abfolge in Zeit und Raum, was aber nicht sein darf, weil er sonst ein materieller Prozeß innerhalb des Gehirns wäre. Wie sind also Prozesse im nicht-materiellen (raum- und zeitlosen) Raum möglich? Oder mit anderen Worten: Wir erklärst Du Veränderung im nicht-materiellen (raum- und zeitlosen) Geist und was ist es, was sich verändert, wenn es keine Materie ist, die sich verändert, weil der Geist ja nicht-materiell ist. Wie verändert sich etwas Nicht-materielles?
Zudem: Wie (aufgrund welcher Prozesse) entscheidet ein nicht-materieller (raum- und zeitloser) Geist, was er entscheiden will? Woher nimmt der Geist das Bewußtsein, bewußt zu entscheiden, was er will, wenn dem Bewußtsein selbst kein energetischer Prozeß zugrundeliegt, was ja nicht sein darf, ansonsten wäre Bewußtsein aus den materiellen Prozessen innerhalb des Gehirns herleitbar. Wie kommen diese Bewußtseinsprozesse also im nicht-materiellen (zeit- und raumlosen) Geist zustande?
Darüberhinaus: Aufgrund welcher Überlegungen bist Du Dir so sicher, daß gesetzt den Fall es gibt einen nicht-materiellen Geist daß Du mit diesem Geist identisch bist? Denn Du mußt mit diesem Geist identisch sein, ansonsten wären die freien Willensentscheidungen dieses Geistes nicht Deine Entscheidungen. Du aber gehst davon aus, daß das bewußte Wesen (Du) einen freien Willen hat, also ein nicht-materieller Geist ist.
Eine letzte Frage, die aus meiner Verwunderung entsteht: Wozu all die Milliarden von Synapsen und Gehirnzellen, wozu also das Gehirn, wenn es doch gar keine Funktion hat? Das Bewußtsein ist ja nach Deiner Theorie unabhängig vom materiellen Gehirn. Es funktioniert auch ohne Materie, Energie, Raum und Zeit. Für den nicht-materiellen Geist (Du, bewußtes Wesen) gilt genau dasselbe. Es funktioniert auch ohne Materie, Energie, Raum und Zeit. Wiederum gilt dasselbe für den freien Willen des nicht-materiellen Geistes, der ein bewußtes Wesen ist: Es funktioniert auch ohne Materie, Energie, Raum und Zeit. Wenn also Bewußtsein, Geist und Wille ohne Materie, Energie, Raum und Zeit funktionieren, wozu dann die Welt? Und wozu diese hyperkomplexen Gehirnstrukturen, wenn die doch eigentlich gar keinen Zweck erfüllen?
Antwort: "Energie" ist ein Begriff, der nur im Physikmodell Gültigkeit hat. Energie ist im Physikmodell nicht Energie, sondern Energiedifferenz; schließlich ist die materielle Welt eine Welt des Relativen und nicht des Absoluten. Im Geist gibt es Absolute Energie, was aber etwas völlig anderes ist, als relative Energie. Absolute Energie kann nicht in Zahlen beschrieben werden; sie ist weder schwach noch stark; sie ist - da absolut - eine andere, höhere Qualität und ist nicht von Geist zu unterscheiden. Sie schafft und steuert physikalische Energie. Physikalische Energie ist bloß eine Erscheinung der absoluten Energie, nachdem sie nach den Abbildungsregeln von Raum und Zeit transformiert wurde. Du kannst dir die Absolute Energie etwa so vorstellen, daß du in deinem batteriebetriebenen Laptop eine Atombombenexplosion simulierst. Das Programm rechnet aus, wieviel Energie frei wird. Du aber weißt, daß nicht mehr Energie freiwerden konnte, als die kleine Batterie hergab. Über die absolute Energie kann ich nur sagen, daß ich keine Unterscheidung zum Bewußtsein machen kann. Mehr weiß ich dazu nicht. Ich behaupte auch nicht, alles zu wissen; ich behaupte nur, ein paar Schritte weiter zu sein, als die moderne Wissenschaft und Philosophie. Und das behaupte ich nur, weil ich erlebe, daß mein Geist rückwirkend die materielle Welt verändert. (Vergiß aber nicht, daß geistige Macht völlig anders ist, als materielle, verliehene, Macht. Ich kann nichts für mich tun, nur fürs Weltganze. Was für mich dabei herausspringt, kann ich nicht beeinflussen. Es geschieht (siehe Magie, Magie2, Mythos, Mythos2 und gibt dort "es geschieht" in die Suchmaske ein). Das sei sofort denen hinters Ohr geschrieben, die aus der Tatsache, daß ich mich noch nicht persönlich bereichert habe, schließen, daß ich nicht könne, was ich behaupte.
Ich kann nicht sagen, ob dem Geist eine Energie zugrundeliegt. Geist ist für mich das Primäre und nichts Abgeleitetes. Ich fürchte, du unterliegst der wissenschaftlichen reduktionistischen Denkweise.
Ich bin diese mit Willensfreiheit begabte Instanz, da alles andere nicht ist.
Wozu all die Synapsen? Der Geist ist höchst komplex. Seine raumzeitliche Abbildung ist deshalb ebenso komplex. Da die Welt eine dem Geist adäquate Bühne abgeben soll, muß die Welt schon sehr komplex sein. Ich weiß, daß die Seele bemüht ist, zu lernen, wie sie möglichst komplexe Welten "träumen" kann, weil sie selbst dadurch wächst.
Warum ich und nicht die Wissenschaft recht habe: Die physikalischen Tatsachen, daß Energie in der Physik nur als Energiedifferenz auftritt, weist auf das Vorhandensein einer höheren Welt hin (selbst die Physik spricht zuweilen von einem elfdimensionalen Universum). Ein weiterer Hinweis ist der Wellen-Teilchendualismus. Wer daraus nicht folgern kann, daß beide Aspekte jeweils Erscheinungen sind, denen eine höhere Realität "zugrunde"-liegen muß, dem ist nicht zu helfen. Mehr darüber in "Wissenschaft.html".
Mehr über das Libetsche Experiment in "Roth.html". Siehe außerdem "Gehirn.html", Willensfreiheit.html", "Bieri.html", "Qualia.html", "Metzinger.html", "Metzingervortrag.html" "Werkstatt5.html", wo ich das Bieri-Trilemma auflöste.
Lieber
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