Kritik 4

 

13.5.05: Hallo Joachim,

hast du schon die neueste Seite von Gerd-Lothar Reschke unter http://www.reschke.de/log2004/f_050512.htm "Wahrheit in der Dualität" gesehen? Ich finde die Annäherung an deinen Standpunkt verblüffend.

Chris

14.5.05: Hallo Chris,

ja, sowas ist mir schon häufiger bei Gerd-Lothar aufgefallen. Zuerst haben wir einen Riesenzoff, und dann, manchmal Jahre später, finde ich, daß die Samenkörner, die ich in ihn gesät habe, aufgegangen sind.

So schrieb er früher zB:
"Ein Fehler ist dann übrigens auch, in dieser Welt Geld für Deine Erkenntnis dieser Welt kassieren zu wollen. Du willst aus Deiner Ebenenverwechselung auch noch einen Profit herausschlagen!" - Nicht sehr viel später hatte er dann seine Schamanenseite fertig -> http://www.reschke.de/schamane/ .

Ein weiteres nun wohl aufgegangenes Samenkorn findet sich in meinem Briefkasten 7:

In http://www.hanjoheyer.de/Briefkasten7.html hatte ich damals an Reschke folgendes geschrieben.

"4.6.2002: Hallo Lothar,

ich denke, daß sich unsere Mißverständnisse, die erheblich sind, nun herausstellen.

Du schreibst: "Ich verwende den Begriff "Seele" aus guten Gründen nicht. Aber es liegt nicht an mir, dafür Gründe nachzuweisen. Eigentlich solltest Du erklären, was für Dich "Seele" ist. (Aber dann kämen Fragen wie: Was ist "meine" Seele? Wer ist das, der eine Seele hat? Oder: IST der die Seele? Und was ist das dann, was er ist bzw. wer er ist?) Nur: Wenn Du das nachzuweisen versuchen würdest, dann tätest Du Dir gar keinen Gefallen, sondern dann hättest Du ein erhebliches Problem am Hals."

Den Begriff "Seele" verwende ich lieber als etwa "höheres Selbst", da er näher an den Wurzeln unserer Sprache liegt und auch besser das beschreibt, was ich meine. Ich führte den Begriff ein, als ich - wie du - das Ich als Illusion entdeckte. In www.hanjoheyer.de/Gehirn.html benutzt der Neurobiologe Gerhard Roth "reales Gehirn" für das, was ich "Seele" nenne. Roth mußte das "reale Gehirn" in die Diskussion einführen, nachdem er den "Blumenkohl da oben" als Bild des realen Gehirns von sich selbst entlarvte: Das reale Gehirn erhält aus der (vermuteten) Umwelt Informationen ("Klick, klick" - sonst nichts). Diese Informationen informieren allerdings noch nicht, denn sie müssen zuerst interpetiert werden. Erst die Endprodukte dieser Tätigkeit sind dann das, was man landläufig unter "Information" versteht. Diese Informationen werden im realen Gehirn zu plausiblen "Welten" zusammengesetzt: zur kognitiven Welt. Die materielle Welt vor unsern Augen ist das Endergebnis der Tätigkeit unserer realen Gehirne, welche sich plausible Welten erschaffen (erträumen) und in diese Welten sich selbst hineinprojizieren. Der Blumenkohl da oben ist demnach das Bild des realen Gehirns. Die Welt, wie wir sie erleben, ist die beste Theorie unseres realen Gehirns, über die es verfügt. Das Ich ist Teil dieser theoretischen Konstruktion.
Da die Erscheinungswelt (kognitive Interpretation) das plausibelste Modell ist, über das das reale Gehirn verfügt, geht Roth davon aus, daß die reale Welt der kognitiven Erscheinungswelt sehr ähnlich sein müsse.
Hier setzt meine Philosophie ein. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß Roth hier irrt: Raum und Zeit sind kognitive Konstruktionen als Voraussetzung für Sinneswahrnehmung. Das reale Gehirn erschafft in sich selbst einen Cyberspace und die Zeit, um in diese Rahmen die Sinnesdaten hineinzublenden, sodaß für uns die materielle Welt entsteht. (R & Z sind innere Kategorien, Wahrnehmungsvoraussetzungen).
Nun, das reale Gehirn, das Raum und Zeit erfinden mußte, kann nicht selber Raum und Zeit unterworfen sein. Materie und Form des Gehirns, bzw. des Leibes, sind Erscheinungen unter den Raum/Zeit-Bedingungen. Das reale Gehirn ist außerhalb von Raum und Zeit und daher seiner Erscheinung nicht ähnlich. Aus diesem Grund ersetzte ich das Begriffspaar "reales Gehirn" durch "Seele".
Die Seele ist in alten Sanskrittexten das Paramatman: unendlich groß und klein zugleich. Das ist eine raumzeitliche Umschreibung der Raumlosigkeit. Die Seele ist ewig: eine zeitliche Umschreibung der Zeitlosigkeit.
Jetzt muß natürlich noch geklärt werden, mit welchem Recht ich behaupte, daß die materielle Welt, wie wir sie erleben, materiale Widerspiegelungen unserer seeleneigenen Theorien seien, und warum sich wissenschaftliche Theorien nicht sofort in Erscheinungswelten manifestieren. Aber das würde hier zuweit führen, wenn ich das genauer darzulegen versuchte. Es sei allerdings an Jesus' Satz: "Wer glaubt, kann Berge versetzen!" erinnert. Rationale Theorien haben nicht die Kraft, sich zu manifestieren. Aber wenn die Seele eine Theorie glaubt, füllt sich die Form (Theorie) mit Inhalt! Das ist das, was ich in meiner HP unter "Magie" verstehe.
Soweit mal meine Philosophie, die in meiner HP ausführlich nachzulesen ist...."

Was ich hier "Seele" nenne, erkläre ich als raum- und zeitlose Entität - genau wie bei Reschke, der hier den Begriff "Punkt" aufgrund derselben Eigenschaften einführt. Ich erwähnte auch das "Paramatman" der Veden. Dieses Wort wird als "Seelenkern" = Punkt (mit der Eigenschaft, unendlich groß und klein zugleich zu sein) übersetzt.

Fortsetzung:

In meinen Diskussionen mit Reschke, die mit "www.hanjoheyer.de/Kritik.html" begann, versuchte ich immer wieder - scheinbar erfolglos - zu erklären, daß Subjektivtät und Objektivtät zwei Perspektiven Einundesselben sind. Die objektive Welt der Vielheit entsteht durch Entäußerung der ausdehnungslosen, punktförmigen, Seele, indem diese einen virtuellen unendlichen Raum erschafft, und aufgrund eigener Welttheorien (Philosophie!) in diesen Raum ihre Traumbilder hineinprojiziert. Von da an sieht die Seele um sich herum eine materielle Welt.
Wenn sie nun glaubt (für real hält), was sie sieht, verfällt sie der Objektivierung; Sie zersplittert in Billiarden Einzelteile und verliert ihr Bewußtsein zugunsten einer Entwicklung hin zur toten, mechanischen Maschine, dem Roboterzombie oder empirischen Naturwissenschaftler. Wer glaubt, was er sieht, verliert seine Willensfreiheit und gewinnt eine mechanische rationale Logik, die er mit allen anderen verlorenen Seelen teilt: Er wird vom Individuum zum seelenlosen Herdentier, zum Sklaven, zum Ding.

Damit aus einer objektivierten Seele wieder eine lebendige Seele wird, muß man ihr das richtige Philosophieren beibringen und sie abbringen vom Glauben, was man sieht. Und zur Erkenntnis bringen, daß man sieht, was man glaubt: die Außenansicht seiner Seele. Die Welt ist (fast) Spiegel der Seele.

Man muß beide Perspektiven beherrschen. Dazu ist eine Wiederbefreundung mit der Welt - s. www.hanjoheyer.de/Wiederbefreundung.html - nötig. Die Seele lernt in der Welt; sie verbessert ihre Philosophie und damit die Welt und sich selbst. Reschke als Weltverleugner wollte die Welt (und sein empirisches Ich, das Ego) als Illusion abschütteln, was ihm nie gelang. Ich versuchte ihn immerzu zu überzeugen, daß er mit dem Abschütteln des Spiegels nicht seine zersplitterte Seele heile; es gelte nicht, mit dem Denken aufzuhören, es gelte vielmehr, das richtige Denken zu lernen, indem wir die Welt als manifestierten Geist begreifen: Leid, Krankheit, Unglück, Krieg usw. drücken gescheitertes Lernen aus.
Wir sollen nicht glauben, was wir sehen, aber wir sollen aus dem Gesehenen Richtiges für die Seele lernen. Die Welt ist kein wirkungsloses Epiphänomen des Geistes, sonst hätte die Seele keinen Grund, zu träumen oder eine Welt zu erschaffen. Weil wir Geistseele sind und weil wir in einer materiellen Welt leben, sollen wir als Seele von der materiellen Welt lernen. Wir sollen die Welt zu verstehen und zu beherrschen lernen. Die Seele ist ja nicht nur ein Punkt; sie ist zugleich das gesamte Universum, wie wir es subjektiv erleben.

Katastrophen treten in die Welt ein, wenn wir uns weigern zu lernen. Probleme, die wir meistern, indem wir sie verstehen lernen, tragen zum seelischen Wachstum bei. Probleme, die wir nicht lösen, wachsen sich aus zu Katastrophen.

Nicht alle Probleme der Welt sind sebstgemacht (auf diesen Gedanken könnte man kommen, wenn man glaubt, die Welt spiegele _ausschließlich_ die eigene Seele). Deshalb schrieb ich oben "fast" (in Klammern). Es gibt ja noch andere bewußte Wesen, deren Willen wir zwar nicht unmittelbar sehen können, aber wir können ihn über das sog. scheinbar "Zufällige" und scheinbar "notwendige Übel" der Welt erraten. Wenn ich in der Welt ein Erlebnis habe, bei dem es mir "ins Herz sticht", weiß ich, daß hier ein Angriff einer fremden Entität vorliegt. Hier werde ich dann zum Kämpfer. Deshalb schreibe ich viel über Politik und Kapitalismus, aber auch zB gegen Taja Eh in diesem Forum weiter unten. Hier sehe ich Zerstörer am Werk, die meine heile Welt angreifen. Ich kämpfe jedoch nicht materiell, sondern geistig, indem ich die Philosophie des Angreifers in die meine als "gebrochene Perspektive" einbaue. So habe ich die Philosophie der Kapitalisten verstanden, deren Fehler erkannt und berichtigt. Ebenso Reschkes und Taja Ehs Philosophie. Folge: Samenkörner wurden gepflanzt, die Tage oder Jahrzehnte später keimen und wachsen.

Empiriker, Materialisten, versuchen die Welt zu verändern, indem sie zufällig (ohne bewußte Philosophie) in der Erscheinungswelt herumrühen. Das bleibt sinn- und erfolglos, aber immer katastrophal, wenn sie ihr Bewußtsein nicht gezielt einsetzen. Nur bewußter GEIST kann die Welt vorteilhaft ändern.

Ich glaube, Reschke ist auf dem richtigen Wege, nur wagt er es noch nicht, seine alte Advaita-Philosophie, die ihn so sehr tröstet und beruhigt, weil sie die Verantwortlichkeit für die eigene Existenz leugnet ("es gibt nichts zu tun!") zu einer konstruktiven, aktiven, verantwortlichen Philosophie hin zu reformieren.

joachim

6.6.05: Hallo Joachim,

wenn ich mir Reschkes Texte so durchlese, habe ich den Eindruck, dass das, was ihr beide sagt, im Kern ganz ähnlich ist. Warum er bei euren Diskussionen bei allem, was du zu sagen versuchtest, sofort auf die Palme geriet, habe ich nicht nachvollziehen können.

Ich finde, Reschke ist sehr kreativ und weiß genau, was er will und was nicht. Für mein Verständnis ist das Ausdruck eines sehr starken Egos. Wenn er genau das nicht so konsequent verleugnen würde, könnte er seine Fähigkeiten sicherlich sehr viel besser zum Wohle anderer einsetzen. Glaubst du das auch?

7.6.05: Hallo Chris,

>Hallo Joachim,
>wenn ich mir Reschkes Texte so durchlese, habe ich den Eindruck, dass das, was ihr beide sagt, im Kern ganz ähnlich ist. Warum er bei euren Diskussionen bei allem, was du zu sagen versuchtest, sofort auf die Palme geriet, habe ich nicht nachvollziehen können.

R. und ich ich waren anfangs auch voneinander "begeistert" und voller Lob. Erst später zeigten sich Differenzen, die dann zum Streit eskalierten.

>Ich finde, Reschke ist sehr kreativ und weiß genau, was er will und was nicht.

Das bezweifele ich: Einerseits will er sein EGO auflösen; andererseits kultiviert er sein starkes EGO weiter. Dabei verwickelt er sich in Widersprüche, die er nicht erkennt. Ergo weiß er nicht, was er will.

Er schreibt:
"Es gibt im Leben alle möglichen Demütigungen, und dies ist nur eine, und wenn man sie nicht so wichtig nimmt, erhält man ja am Ende doch gewisse Gratifikationen. Anscheinend bin ich aber jetzt an einem Punkt angelangt, wo mir dies nicht mehr möglich ist. Durch das Nicht-Tun ergibt sich ganz automatisch, daß der Handel stockt. Er wird von meiner Seite nicht mehr betrieben — selbst wenn mir dabei unterschwellig völlig klar ist, daß ich dann eben zu kurz komme und mich in gewisser Weise damit nur selbst bestrafe. Aber daß ich mich bestrafe, geht in kein Kalkül mehr ein; es geht nicht mehr in die spontane Lebensweise, in den absichtslosen Fluß des Nicht-Tuns ein. Und damit komme ich dann tatsächlich zu kurz."

Durch sein EGOloses Nichttun ist sein EGO Demütigungen ausgesetzt. Da er aber sein EGO nicht füttern, sondern loswerden will, wehrt er sich nicht. Er will im absichtslosen Fluß treiben, aber die Tatsache, daß er leidet, zeigt ihm, daß er die Absicht, Absichtslos zu sein, nicht realisieren kann.
Reschke will sein wahres Leben vom Schmutz des illusionären, egoistischen Scheinlebens trennen. Im falschen Leben leidet er, aber er will dieses Leiden nicht an die reine Seele heranlassen.

Einerseits schreibt er: "Gestern empfand ich das als so schlimm, als würde ich gefoltert. Im Hals baute sich eine Spannung auf, wie ich sie so noch nie erlebt hatte. Ohne irgendetwas zu tun oder zu beeinflussen, fand ich mich einem ungeheuren Druck ausgesetzt."

Dieser ungeheure Druck zeigt sein ungeheuer großes EGO an.

In "Die Grundsituatuon" schreibt er:

"Solange aber das Ich noch etwas zu sagen hat, können durchaus Anstrengungen unternommen werden. Und sie können sogar erfolgreich sein — das ist hier der ganz spezielle Witz! Es entsteht eine eigene Art von Dynamik, die das Leben mit Kraft erfüllt. Man hat etwas zu tun, man "arbeitet an sich selbst", man kommt weiter, man verändert Dinge. Das kenne ich;..."

Diesen "Fehler" macht er heute nicht mehr. Er will sein EGO - und damit seine Leiden und die Demütigungen - loswerden. Sein EGO will nicht an sich arbeiten; er hatte das früher auch mal getan, aber heute ist er klüger und macht sowas nicht mehr. Er glaubt nicht mehr, daß man zB aus Erfahrungen, die ja Erfahrungen des EGOs sind, lernen und sich bewußt ändern könne; er glaubt nicht mehr an (philosophische) Konzepte, nur noch ans Loslassen und Hingeben ans "reine Sein". Daß mein Konzeptebilden und meine Erfolge (auf die er hier abzielt,) Ausdruck des reinen Seins meiner Seele sein könnten, ist ihm noch nicht in den Sinn gekommen. Er will, daß sein EGO nichts mehr zu sagen hat, aber trotzdem hat es immer mehr zu sagen. Auf jeder Seite hat er etwas Neues begriffen, eine neue Entscheidung getroffen.

Es ist sein EGO, das hier gefoltert wird, aber er meint, die Folterung ergäbe sich aus seiner EGOlosigkeit.

In "Der Vorgang der Selbsterkenntnis" scheibt er:

"Der eigentliche Vorgang der Selbsterkenntnis bedeutet, gegen sich selbst anzugehen, durch sich hinzudurch- und über sich hinauszugehen (wobei dieses Hinaus kein Irgendwo-Anders ist). Er bedeutet niemals Selbstzufriedenheit, also bei sich selbst stehenzubleiben und damit zufrieden zu sein. Das passive Sich-Tolerieren (als Sich-selbst-Rechtgeben) ist nicht dieser Vorgang, das ist mir jetzt endgültig klar. Wer nichts will, nichts tut, und mit sich selbst zufrieden ist, der ist bereits tot."

Hier manifestiert sich der große Widerspruch. Hier will er. Hier läßt er sich nicht treiben; hier hat er klare Ziele: zB "nicht bei sich selbst stehenbleiben". Aber schon weinge Sätze später schreibt er das Gegenteil. Dann schreibt er, dieses Wollen sei der Lebensfluß selbst, das absichtslose, konzeptlose - willenlose - reine Geschehen.

> Für mein Verständnis ist das Ausdruck eines sehr starken Egos. Wenn er genau das nicht so konsequent verleugnen würde, könnte er seine Fähigkeiten sicherlich sehr viel besser zum Wohle anderer einsetzen. Glaubst du das auch?

Ja. Zuvor müßte er den Widerspruch in seinem Denken, in den er sich immer wieder verfängt, lösen. Er muß sich entscheiden, ob er absichtslos im "reinen Sein" treiben oder ob er aktiv konstruieren will. Ich könnte jetzt noch ein paar Dutzend Stellen aus seinen Texten zitieren, in denen er schreibt, wie er etwas (meist) "endgültig" verstanden hat, daß er daraufhin sein Verhalten geändert, daß er etwas begriffen und gelernt hat. Er macht Erfahrungen und hinterfragt diese. Wunderbar! Aber dann schreibt er wieder, daß all das nur ein Netz aus Illusionen sei, die es abzulegen gelte. Es gebe nichts zu begreifen, nichts zu lernen. Das reine "Nichttun", das Mittreiben im Fluß des Lebens sei das wahre, das reine Sein. Dort werde nicht geplant, nicht konstruiert, dort sei das reine, absichtslose Geschehen.

Wie will er jemandem helfen, wenn er immer wieder dem Gedanken verfällt, es gebe nichts zu tun, helfen sei nicht möglich und Hilfeannehmenkönnen auch nicht.


viele Grüße, Joachim

8.6.05: Hallo Joachim,

ich stelle mir die Frage, was Reschke eigentlich unter dem Ich versteht. Auch in meiner Vorstellung ist das Überwinden des Ich notwendig, um aus dem alten Gedankengefängnis auszubrechen. Es ist aber nur eine Zwischnphase. Wer es geschafft hat, seinen Ich-Panzer als Illusion zu erkennen und ihn zu durchbrechen, für den erscheint plötzlich alles anders als vorher.

Anschließend muss aber ein neues Ich aufgebaut werden, und zwar auf den Erkenntnissen, die hinzugewonnen gewonnen wurden. Ein Ich ist notwendig, denn es ist so etwas wie ein Immunsystem (der Seele), das die Funktion hat, Gutes hereinzulassen und Schädliches abzuwehren.

Du kommentierst in Kritik3.html einen seiner Texte, und sagst, du stimmtest seinen Aussagen über das Ich im Großen und Ganzen zu, wenn ein Ich, das der Empirie verfallen ist, gemeint sei; also ein Ich, dass sich als materiellen Körpers wähnt, der von einer objektiven Umwelt umgeben und dieser ausgeliefert ist. Ein solches Ich ist korrupt und muss durchbrochen werden. Aber wenn das

erst einmal geschafft ist, was bleibt dann übrig? Ein Ich-loser Körper bzw. Geist? Auch Reschke selber schreibt in "Zur versuchten Vorwegnahme von Einsicht", dass es drei Gruppen von Menschen gäbe:

"Erstens die, die im Ich leben und auch nichts anderes wollen, zweitens die, die merken, was daran faul ist, und die mit der Suche nach der Befreiung beginnen, und drittens die, bei denen die Suche zum Ende gekommen ist."

und

"Die zweite Gruppe ist die interessante. Was passiert da? Was ist da zu tun; was paßt da, was ist da notwendig? Zuerst einmal ist klar zu unterscheiden, wo der Übergang vom ersten in den zweiten Bereich stattfindet. Wer in den zweiten Bereich kommt, für den geschieht etwas fundamental Neues."

Aber was dann? Wie geht es weiter, wenn man diese zweite Stufe erst einmal verinnerlicht hat? Darüber sagt er nichts mehr. Wenn er sich so stark gegen jede Form der Konzeptbildung sträubt, läuft er vielleicht Gefahr, in der zweiten Stufe stecken zu bleiben.

Viele Grüße, Chris

9.6.05: Hallo Chris,

Reschke versteht m.E. unter "Ich" ein illusionäres Ich, ein Produkt des Getäuschtseins und der Selbsttäuschung, das abgeschafft werden müsse, damit man wieder wahrhaftig leben könne. Dieses "man" mußt du dir jetzt wegdenken, denn R. meint, daß es ohne dieses illusionäre Ich kein "man" gebe; es bliebe das reine Nichts übrig. Das "man" müsse sterben, dann komme das reine NICHTS zum Vorschein.
Reschke will im Gegensatz zu mir KEIN neues, höheres Ich konstruieren. Er will nicht sein. Ich will ein höheres Sein und ein bewußteres, reiferes, wacheres Ich. Er will Erkenntnisse abschaffen, um erleuchtet zu werden; ich will Erkenntnisse gewinnen. Er meint "weiterzukommen", indem er Illusionäres vergißt; ich will Illusionen bloß durchschauen; sie transparent machen.

Nun erlebt er, daß seine Verzweiflung und sein Leiden zunehmen; so wie er sie beschreibt, "diagnostiziere" ich Verkrampfungen, die sich verstärken, da er nichts mehr bekämpfen will, und da er seine Probleme nicht löst, wird er immer empfindlicher, fühlt sich bei immer kleineren Störungen schon verletzt. Im Vergleich zu dieser Empfindlichkeit erachtet er normale Menschen als abgestumpft und grobschlächtig. Er empfindet sie als primitiv und isoliert sich von ihnen; bzw. fühlt sich von ihnen verstoßen.

>"Die zweite Gruppe ist die interessante. Was passiert da? Was ist da zu tun; was paßt da, was ist da notwendig? Zuerst einmal ist klar zu unterscheiden, wo der Übergang vom ersten in den zweiten Bereich stattfindet. Wer in den zweiten Bereich kommt, für den geschieht etwas fundamental Neues."
>Aber was dann? Wie geht es weiter, wenn man diese zweite Stufe erst einmal verinnerlicht hat? Darüber sagt er nichts mehr. Wenn er sich so stark gegen jede Form der Konzeptbildung sträubt, läuft er vielleicht Gefahr, in der zweiten Stufe stecken zu bleiben.
>Viele Grüße,
>Chris

So ist es wohl. Er bleibt in der 2. Stufe stecken. Er weiß nicht, daß er IN seiner Lebensphilosophie, in seiner gedeuteten Welt, lebt. Er verwechselt diesen Unterbau seines Seins mit seinem an der Uni anstudierten intellektuellen/illusionären Überbau. Wenn man diesen illusionären Überbau transzendiert, kommt der elementare Unterbau zum Vorschein. Aufgrund seiner Verwechslung will er jedoch diesen Unterbau abschaffen - und dann bleibt tatsächlich nur noch das NICHTS!
Das geht natürlich nicht! Das endet in der Katastrophe!
Es gibt nur eine Wahrheit, und die ist, daß man durch Philosophieren seinen geistigen Unterbau finden muß und durch angestrengte Erkenntnisarbeit verbessern muß. Dann entsteht automatisch ein höherer Überbau - eine Erscheinungswelt incl. höherem Ich. Wer seinen Unterbau ändert, ändert die ganze Welt, wie er sie erlebt. Ob man dadurch in ein anderes Universum entsprechend der Vieleweltentheorie kommt, weiß ich nicht, aber es erscheint zumindest so.
Ich schreibe, was ich erlebe. Ich erlebe, daß sich das Universum ändert, wenn ich meine Philosophie vervollkommne. Leider bin ich nicht in der Lage, Konkretes gezielt zu verändern, zB meinem Bankkonto ein paar Nullen (vor dem Komma) hinzuzufügen. Da meine Philosophie nur am allgemeinen arbeiten kann, sind alle konkreten Manifestationen immer "zufällig" - aber stets zu erkennen als Manifestationen meiner Seele. Und da es nur sehr selten gelingt, eine echte neue Erkenntnis hinzuzugewinnen, sind solche Änderungen der Welt entsprechend selten. Jede neue phil. Erkenntnis ist ja ein revolutionärer Paradigmenwechsel im Kuhnschen Sinne, keine "Normalwissenschaft", in welcher ein bestehendes Paradigma bloß ausdifferenziert wird. Meine letzte Revolution ist die, daß ich klar die Unterscheidung zwischen diversen Zeit-Konzepten, in denen ich parallel lebe, machen konnte. Ich weiß nun, was von mir in der linearen, was in der zyklischen Zeit und was in Ewiger Gegenwart lebt. Jede Zeitform hat ihr eigenes Wissen und erlaubt mir ein eigenes Sein. Ergo bin ich mir vollkommen der Tatsache bewußt, daß ich zugleich sterblich bin, wiedergeboren werde und eine Ewige, unsterbliche Seele bin. Da dieses Wissen meinen geistigen Unterbau betrifft, ist es meine Realität! Ich erlebe all das. Aus diesem Grund habe ich Probleme, es zu diskutieren, denn man diskutiert ja bloß, was man noch infrage stellt. Wenn Leute mich kritisieren, frage ich mich zuerst, in welcher Welt sie leben - und ob ich mich jener Welt anschließen möchte. Ich habe mich einem Sein in 3 Welten angeschlossen: mit meinem empirischen EGO in der physikalischen Welt mit linearer Zeit; in der zyklischen ("spiraligen") Welt der Reinkarnation UND in der Ewigen Allgegenwart.
Was Reschke als NICHTS (Nichttun) beschreibt, ist eine korrupte Vorstellung des ALLES (Allestuns) der Ewigen Allgegenwart. Leider ist er nicht in der Lage, mein Hilfsangebot anzunehmen. Er will selber Guru (Schamane) sein; er hat zu viel Ego, um sich meiner Phil. (kritisch und wohlwollend) auseinanderzusetzen. Ewigkeit ist ein Geschenk, das man nur weitergeben kann, wenn man es selber hat.

S. www.hanjoheyer.de/Kuhn.html und die neuen Notizen 15

joachim

9.6.05: Hallo Joachim,

dass Reschke sich laufend widerspricht, finde ich auch. Ich glaube, du hast Recht, er weiß wirklich nicht genau, was er will. Da er kein Konzept hat, schreibt er, heute so und morgen so, einfach das auf, was er gerade denkt. Er hat durchaus eine eigene Weltanschauung, aber er kann diese nicht vermitteln, da er immer wieder behauptet, eine Weltanschauung sei Ausdruck eines Ich, und dies müsse man loswerden. Auch alle neuen Erkenntnisse, die er gewinnt, muss er aus diesem Grund dann wieder über den Haufen schmeißen.

Bei vielem, was er z.B. über die gesellschaftlichen Verhältnisse schreibt, denke ich mir: Das ist doch genau das, was ich auch immer denke! Aber anstatt sich über mögliche Lösungen Gedanken zu machen, meint er sinngemäß immer nur, es gäbe überhaupt kein Problem zu lösen, nur das illusionäre Ich wolle Probleme lösen. Warum merkt er z.B. nicht, dass er dann das Ich sebst als Problem versteht, das er lösen will? WER sein Ich loswerden will, ist doch dann ebenfalls wieder sein Ich! Genau das ist ja vermutlich der Keislauf, in dem er gefangen ist. Die richtige Lösung wäre ja wohl die, die Widersprüche zu lösen, in die er sich verstrickt.

Oft schreibt er, das, worum es ihm ginge, sei nicht mittels philosophischen Konzepten vermittelbar, sondern könne nur durch eigene Erfahrung gewonnen werden. Da hat er sicherlich recht. Das Höhere kann nicht durch rein rationales Nachdenken erkannt werden, sondern nur durch Innenschau. Aber wenn man es schafft, seinen, wie du es nennst, "geistigen Unterbau" zu erkennen und zu verändern, kann man sich darauf einen neuen, passenden Überbau (=Konzept, Philosophie) aufbauen. Soweit ich dich verstanden habe, gehst du ja so vor, dass du jede neue Erkenntnis in deine Philosophie zu integrieren versuchst, oder wenn das nicht gehen sollte, die Philosophie so weit nötig veränderst, damit die Erkenntnis hineinpasst. Reschke sträubt sich gegen so etwas.

Trotz allem: Ich finde es anerkennenswert, dass er derart offen seine Gedanken und Gefühle aufschreibt, und im Internet zur Verfügung stellt. Was das betrifft, seid ihr beiden sicherlich die absolute Ausnahme.

Viele Grüße, Chris

am 12. Juni 2005 20:09:50:

>Trotz allem: Ich finde es anerkennenswert, dass er derart offen seine Gedanken und Gefühle aufschreibt, und im Internet zur Verfügung stellt. Was das betrifft, seid ihr beiden sicherlich die absolute Ausnahme.
>Viele Grüße,
>Chris

Ja, seine Ehrlichkeit zieht mich auch immer wieder an, und deshalb kann man von ihm auch etwas lernen, auch wenn es oft nicht das, ist, was er als Gelerntes oder Erkanntes darstellt. Viele seiner Beobachtungen sind ja auch sehr luzide.

So erinnere ich mich an seine Notiz, daß er seine Tochter und ein Kind aus der Nachbarschaft beobachtet hatte. Das Nachbarskind hat LUST am Quälen von irgendwelchen Insekten; seine Tochter hatte Mitleid mit den Tieren. Reschke schloß auf grundsätzliche Charaktereingenschaften.

Mich erinnerte diese Geschichte an eigene Erlebnisse mit Kindern. Als ich einmal ein Kind ein Tier quälen sah, wurde mir klar, daß dieser Schmerz des Tieres auch ein Symbol für einen noch (für Andere) unsichtbaren Schmerz des Kindes ist. Das Kind hat Lust am Quälen, weil es selber gequält wird und weil es selbst ebensolche Qualen erleiden wird. Diese Lust "klinkt" das Kind in eine Kausalkette ein, in der es dieses Leid erfahren wird, wenn es sie nicht schon erfährt. Das andere Kind wird ein besseres Schicksal haben.
Ich schlage auch mal eine Mücke tot. Kein Problem. Aber ich tue es nicht, weil ich Lust am Quälen habe. Auch nur Lust am Töten einer einzigen Mücke zu haben, hätte fatale karmische, kausale, Folgen. Denn es käme nicht auf diese eine Mücke an, aber darauf, daß ich diese Lust hätte. DIE wäre Ursache eines schlimmen Schicksals.

Ich bin etwas vom Thema abgeschweift. Was ist sagen will, ist, daß ich von Reschkes Texten immer wieder dazu angeregt werde, meine eigenen Antworten zu suchen.

joachim

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