Aktuelles 12

 

8.12.2006: Verrat der Massenmedien

Die Massenmedien haben ihre Macht als Vierte Gewalt verloren und betreiben seit einiger Zeit unübersehbar neoliberale Propaganda. Von ernsthafter Kritik an dieser neuen Religion ist kaum noch etwas zu finden im deutschen Blätterwald. "Religion" nenne ich das Kind, weil die Macher und Mitläufer tatsächlich davon überzeugt sind, es mit der Realität zu tun zu haben. Religion ist immer das, was man für die Realität hält. Ein Satz, dem man nicht oft genug wiederholen kann. Wer zB den katholischen Katechismus nicht für Realität hält, ist kein Katholik.

In diesem Sinne empfehle ich die Lektüre folgenden Artikels der NachDenkSeiten: http://www.nachdenkseiten.de/?p=1926. Er zeigt das völlige Versagen unserer politischen Führung auf. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen, als die NachDenkSeiten. Die elende Debatte über den vom Westlichen Ausland geforderten Einsatz deutscher Soldaten im Süden Afghanistans, die in den Massenmedien losgetreten wurde, zeigt, dass unsere Massenmedien aktiv den Krieg in Afghanistan und den weltweiten Terrorismus unterstützen sollen. Seit Wochen werden wir mit billigen Appellen bombardiert, die uns Feigheit vor dem Feind unterstellen. Man will uns an der Ehre packen! Wir würden feige kneifen und den armen Amerikanern und Kanadiern die Drecksarbeit überlassen usw.. Ich begreife das als den Versuch, die Antikriegsstimmung in Deutschland zu manipulieren.

Den größten und wirkungsvollsten Beitrag am Frieden in Afghanistan und Irak wäre der sofortige Rückzug aller Streitkräfte und die finanzielle Unterstützung einheimischer Kräfte, die am Wiederaufbau ihrer Länder interessiert sind. Hätten die USA ihre Milliarden nicht in ihre Besatzungsarmee gesteckt, sondern der irakischen Führung überwiesen, wäre schon lange wieder Frieden im Lande. Freilich hätten die USA dann sicher keine Marionettenregierung.

Was sie wollen, ist eine Marionettenregierung, die ihnen gestattet, das Land auszuräubern. Siehe mein Eintrag vom 6.12. in Aktuelles11. Ähnliches wie im Irak geschieht auch in Afghanistan. Es geht schlichtweg um Plünderung. Wir sollten dabei nicht mitmachen. Dann haben wir auch keinen Terrorismus zu befürchten.

14.12: Apropos Plünderung: Was mit einer Regierung, die der Plünderung Einhalt gebieten will, passiert, steht zB in meinem neuen Zeitblog-Artikel.

Leserbrief:

Hi Jo,

wenn Du Freunde hast, die Englisch verstehen, für die könnte die 4-teilige Video BBC Dokumentation ‚The Century of the Self’ von großem Interesse sein. Es ist die beste Dokumentation, die ich je gesehen haben. Sie zeigt die historische Entwicklung auf, die dazu geführt hat, dass die Freudsche Psychologie zur Kontrolle der Massen in den modernen Mediendemokratien eingesetzt wird und wie das im einzelnen gemacht wird. Extrem empfehlenswert! Es zeigt übrigens auch wie die Nationalsozialisten keineswegs die Propaganda erfunden hatten, sondern lediglich die in der USA bereits entwickelte und erfolgreich angewendete Propaganda nach Deutschland importierten.

[Nebenbemerkung: Im übrigen ist auch die Euthanasie und das bewusste Töten von Geisteskranken – was seinerzeit ‚Gnadentod’ genannt wurde – auch nicht auf dem Mist der Nationalsozialisten gewachsen, sondern wurde ebenfalls aus den USA importiert. Sogar die Lochkarten und Registrierungsmaschinen in den Konzentrationslagern stammten von IBM (!) und wurden von IBM-Mitarbeitern regelmäßig gewartet.]

Hier ist der Link zu Teil 1:

http://video.google.de/videoplay?docid=8953172273825999151&q=century+of+the+self

Dass Ernst auch lustig sein kann, beweist: http://www.kopfhoch-studio.de/media/helau.mp3 (Dank an den Entdecker, der sich in die unergründlichen Tiefen des Netzes gewagt und diesen Fisch an Land gezogen hat)

11.11.06: Verrat der Reichen

Adam Smith, einer der Väter des Kapitalismusses, beschreibt den Menschen als "eitel, selbstsüchtig, eng und habgierig". Und einem solchen Kotzbrocken, sollte er einmal in Not geraten, leiht der Kapitalist, der sich selbstverständlich selbst aus dieser Definition nicht herausnimmt (schlimmer noch: er hat die Kriterien seiner Menschen-Definition seinem eigenen Selbstmodell entnommen und auf alle anderen Menschen extrapoliert), natürlich nur sehr ungern Geld! Aus diesem Grund hat er den Zins erfunden. Wer sich Geld leiht, ist meist jemand, der wenig Geld hat. Ergo ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er mit der Rückzahlung Probleme bekommt. Erst recht, wenn er zusätzlich noch Zinsen und Zinseszinsen bezahlen muss. Hat der in Not Geratene erst einmal angebissen, hat er sich in der Regel in eine lebenslange Abhängigkeit dem Verleiher gegenüber manövriert. Zins und Zinseszins verhindern, dass er je wieder auf einen grünen Zweig kommt. Zins und Zinseszins sind moderne, legale Formen der Sklaverei. Gut, mit Kotzbrocken kann ein Kotzbrocken das ja machen. Nichts dagegen. Wozu Mitleid mit eitlen, selbstsüchtigen, engen und habgierigen Psychopathen? Lasst doch diese Kotzbrocken sich gegeneinander und untereinander fertigmachen.

Uns bräuchte das alles nichts anzugehen. Doch leider ist die Sache nicht so einfach, denn das Schuldenmachen betreiben inzwischen ja nicht mehr wir als Privatpersonen, sondern unsere politische Führung. Sie verschuldet sich ungefragt bei den reichen Kotzbrocken. Zins und Zinseszins muss dann das Volk, das unversehens komplett in Zinsknechtschaft geraten ist, zahlen. Und was das Allerschlimmste ist: Wenn die Regierung eines Landes partout nicht in die Schuldenfalle tappen will, drohen ihm die Kotzbrocken mit Krieg! Die Kotzbrocken formulieren das natürlich nicht so krass. Sie sagen, diese und diese Nation müsse ihre Märkte öffnen. Sie müssen also kaufen, obwohl sie kein Geld haben. Sie müssen Schulden machen - und von dem Tag an finanzieren die Armen den Überfluss der Reichen.

Was tun mit dem Überfluss? Richtig! Man verleiht ihn - gegen Zins selbstverständlich - an die, die ihren Markt noch nicht geöffnet haben, an die, die noch autark sind. Zudem müssen Kriege gegen die Verweigerer finanziert werden.

Wie sagte Schäuble noch letztens in einem ZEIT-Interview ("ZEIT vom 16.11.06: "Die Widerstände sind riesengroß")? - "Die Verräter am deutschen Volk sind diejenigen, die Deutschland isolieren wollen." (isolieren im Sinne von autark machen) Er hat natürlich recht. Wenn Deutschland jetzt die Zinsen abschaffen würde, würde sich das Land isolieren, und die USA würde es zum Terrorstaat erklären und flächenbombardieren, bis es seine Märkte wieder den Blutsaugern öffnen. Diese Idee hat aber auch in Deutschland selbst keine Chance, denn auch unsere landeseigenen Blutsauger wollen (vom Andern) leben.

Schäuble scheint auch kapiert zu haben, dass es ein funktionierendes Sozialsystem gar nicht geben kann, solange es diese Würgeschlange des Zinses und Zinseszinses gibt. Also ist es logisch, das Sozialsystem abzuschaffen, denn das schafft ja Arbeitsplätze (als ob es nicht ausgesprochen das Sozialsystem mit seinem Dienstleistungssektor wäre, das fast beliebig viele Arbeitsplätze schaffen könnte, mehr jedenfalls als die Produktion). Klar, Sklaverei ist nur sinnvoll, wenn man den Sklaven etwas zu arbeiten gibt. Was ist ein Sklave ohne Arbeit? Ein Nichts!

Leserbrief:

Hallo Joachim,
selbigen Tages, an dem du deine (satirischen) Bemerkungen über den "Verrat der Reichen" ins Netz stelltest (also gestern), erreichte mich (auf Umwegen) folgendes Mail aus der (Bundes)-Republik der "Teutschen". Wieder mal so eine Art "Synchronizität"?

Liebe Grüße

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Die Geschichte über Herrn Müller

Eine wahre Geschichte über den Herrn Müller. Das hier, das ist der Herr Müller. Der Herr Müller kommt aus Aretsried. Das liegt in Bayern, also ganz im Süden. Der Herr Müller ist ein Unternehmer und das, was in den Fabriken von Herrn Müller hergestellt wird, habt ihr sicher alle schon mal gesehen, wenn Ihr im Supermarkt eingekauft habt. Der Herr Müller stellt nämlich lauter Sachen her, die aus Milch gemacht werden. Naja, eigentlich stellen die Kühe die Milch her, aber der Herr Müller verpackt sie schön und sorgt dafür, dass sie in den Supermarkt kommen, wo ihr sie dann kaufen könnt. Die Sachen, die der Herr Müller herstellt, sind so gut, dass sogar der Herr Bohlen dafür Werbung gemacht hat. Weil der Herr Müller ein Unternehmer ist, hat er sich gedacht, er unternimmt mal was und baut eine neue Fabrik. Und zwar baut er sie in Sachsen, das ist ganz im Osten. Eigentlich braucht niemand eine neue Milchfabrik, weil es schon viel zu viele davon gibt, und diese viel zu viele Milchprodukte produzieren. Aber der Herr Müller hat sie trotzdem gebaut. Und weil die Leute in Sachsen ganz arm sind und keine Arbeitsplätze haben, unterstützt der Staat den Bau neuer Fabriken mit Geld.
Arbeitsplätze hat man nämlich im Gegensatz zu Milchprodukten nie genug. Also hat der Herr Müller einen Antrag ausgefüllt, ihn zur Post gebracht und abgeschickt. Ein paar Tage später haben ihm dann das Land Sachsen und die Herren von der Europäischen Union in Brüssel einen Scheck über 70 Millionen Euro geschickt. 70 Millionen, das ist eine Zahl mit sieben Nullen, also ganz viel Geld. Viel mehr, als in euer Sparschwein passt. Der Herr Müller hat also seine neue Fabrik gebaut und 158 Leute eingestellt.
Hurra, Herr Müller! Nachdem die neue Fabrik von Herrn Müller nun ganz viele Milchprodukte hergestellt hat, hat er gemerkt, dass er sie gar nicht verkaufen kann, denn es gibt ja viel zu viele Fabriken und Milchprodukte. Naja, eigentlich hat er das schon vorher gewusst, auch die Herren vom Land Sachsen und der Europäischen Union haben das gewusst, es ist nämlich kein Geheimnis. Das Geld haben sie ihm trotzdem gegeben. Ist ja nicht ihr Geld, sondern eures. Klingt komisch, ist aber so. Also was hat er gemacht, der Herr Müller? In Niedersachsen, das ist ziemlich weit im Norden, hat der Herr Müller auch eine Fabrik. Die steht da schon seit 85 Jahren und irgendwann hatte der Herr Müller sie gekauft. Weil er jetzt die schöne neue Fabrik in Sachsen hatte, hat der Herr Müller die alte Fabrik in Niedersachsen nicht mehr gebraucht, er hat sie geschlossen und 175 Menschen haben ihre Arbeit verloren. Wenn Ihr in der Schule gut aufgepasst habt, dann habt Ihr sicher schon gemerkt, dass der Herr Müller 17 Arbeitsplätze weniger geschaffen hat, als er abgebaut hat.
Dafür hat er 70 Millionen Euro bekommen. Wenn Ihr jetzt die 70 Millionen durch 17 teilt - dafür könnt Ihr ruhig einen Taschenrechner nehmen - dann wisst Ihr, dass der Herr Müller für jeden vernichteten Arbeitsplatz über 4 Millionen Euro bekommen hat. Da lacht er, der Herr Müller - natürlich nur, wenn niemand hinsieht. Ansonsten guckt er ganz traurig und erzählt jedem, wie schlecht es ihm geht. Aber der Herr Müller sitzt nicht nur rum, sondern er sorgt auch dafür, dass es ihm besser geht. Er ist nämlich sparsam, der Herr Müller... Sicher kennt Ihr die Becher, in denen früher die Milch von Herrn Müller verkauft wurden. Die schmeckt gut und es passten 500 ml rein, das ist ein halber Liter. Seit einiger Zeit verkauft der Herr Müller seine Milch aber in lustigen Flaschen, nicht mehr in Bechern. Die Flaschen sind praktisch, weil man sie wieder verschließen kann und sehen hübsch aus.
Allerdings sind nur noch 400 ml drin, sie kosten aber dasselbe. Da spart er was, der Herr Müller - und sparen ist eine Tugend, das wissen wir alle. Wenn Ihr jetzt fragt, warum solche Leute wie der Herr Müller nicht einfach an den nächsten Baum gehängt werden, dann muss ich Euch sagen, dass man so etwas einfach nicht tut. Wenn Ihr aber das nächste mal im Supermarkt seid, dann lasst doch einfach die Sachen vom Herrn Müller im Regal stehen und kauft die Sachen, die daneben stehen. Die schmecken genauso gut, sind meistens billiger und werden vielleicht von einem Unternehmer hergestellt, für den der Begriff "soziale Verantwortung" noch eine Bedeutung hat. Ach übrigens, da fällt mir ja ein, der Herr Müller will auch Erbschaftsteuer sparen und hat daher beschlossen, seinen Wohnsitz nach Österreich zu verlegen. Wenn Ihr auch der Meinung seid, dass sich ein solch ausbeuterisches Verhalten auf Kosten von Steuergeldern nicht gehört, schickt diese Mail doch ein wenig durch die Republik, damit alle Leute sehen, wo ihre mühsam erarbeiteten Steuergroschen bleiben. Ach ja... an alle, an denen DAS noch vorbeigegangen ist; der Herr Müller unterstützt auch noch die NPD - das ist nämlich sein guter Freund. Ein noch viel wichtigerer Grund, die Sachen im Regal stehen zu lassen!!

13.12.06: Die unterschätzte Macht der Ökonomen

In diesem gleichnamigen ZEIT-Artikel (ZEIT vom 23.11.06) wird die Wirtschaftsgeschichte vor dem den Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Theorien geschildert.

"Der Brite John Maynard Keynes kam während der großen Depression zwischen den Weltkriegen zu der Einsicht, die sich in den sechziger Jahren schließlich vollends durchsetzte: Der Staat muss die Konjunktur durch seine Ausgaben lenken, um die Gefahr von Stillstand und Schlimmerem gar nicht erst aufkommen zu lassen. "Wir sind alle Keynesianer", sagte US-Präsident Richard Nixon im Jahr 1971. Von da an ging es bergab mit dem Keynesianismus."

Dann kam Milton Friedman, der den Neoliberalismus erfand. Und mit George W. Bush, dem niemand das Recht zu sagen"Wir sind alle Neoliberale", streitig machen würde, seien nun Höhepunkt und Ende des Neoliberalismusses eingeläutet worden. Selbst die von Margret Fetcher heruntergefahrene Staatsquote (Gesamtsteuereinnahmen in %) sei inzwischen wieder (wie in den USA) auf 40 % hochgefahren. Als der Neoliberalismus gesiegt hatte, begann das Pendel in die andere Richtung auszuschlagen. Der Staat mischt sich wieder mehr in die Ökonomie ein.

Friedman hat das freilich vorausgesehen. Er sagte: "Wenn der Kapitalismus es in eine Richtung übertreibt, kommt die Gegenbewegung um so schneller."

Am Schluß fragt der Autor Uwe Jean Heuser:

"Aber welche Person folgt auf Keynes und Friedman. ... Wahrscheinlich ist, dass irgendwo in einem Hinterzimmer ein begabter, charismatischer Denker die Ideen aufgeschrieben hat, deren sich Politiker und Forscher bedienen werden - und mit denen sie die Welt verändern."

Friedman hat Keynes Fehler sauber herausgearbeitet (obwohl Keynes nie konsequent angewandt wurde), aber auch seine eigene Philosophie hat eklatante Schwächen. Friedmann war immerhin für eine negative Einkommenssteuer, was auf dasselbe wie das Grundeinkommen hinausläuft. Wer weniger als eine bestimmte Menge Geld verdient, muss negative Steuern zahlen: Er bekommt Geld vom Staat dazu (so habe ich diese Idee von der negativen Einkommenssteuer verstanden).

Aber ansonsten gab es nichts Soziales oder Staatliches in seinen Ideen. Alles sollte vom frei agierenden Markt geregelt werden. Und nun stellt sich heraus, dass die Marktkräfte nicht überall wirksam werden können. Im Gegenteil: Der ungezügelte Markt bringt das gesamte kapitalistische System zur Implosion. Ich schrieb mehrfach darüber. Man gebe in die Suchmaske in "Neuerungen" den Begriff "Implosion" ein. Der Kapitalismus reduziert "automatisch" die Anzahl der Mitspieler, bis nur noch ein Bill Gates übrigbleibt, dem dann alles gehört. Der Kapitalismus hört auf zu existieren; das Geld zirkuliert nicht mehr. Wie wir alle wissen, tut der ungezügelte Kapitalismus auch nichts für die Umwelt und die Armen und viel zu wenig für den Dienstleistungssektor. Dass die Armen den Superreichen vollkommen egal sind, bis sie Revolution machen, wissen wir (hier zu hoffen, die Großkopferten würden auf Friedmanns Vorschlag der negativen Einkommenssteuer hören, ist illusorisch), aber wenn den Reichen die Natur egal ist, ist es lebensgefährlich für alle. Dann macht die Natur eine Revolution - wir können die Anfänge davon gerade "life" miterleben.

Was wir brauchen, ist eine Soziale Marktwirtschaft. Das Zinssystem muss komplett weg. Wie der Leser an diversen Seiten meiner HP feststellen kann, bin ich dabei, ein neues Wirtschaftssystem auszuarbeiten. Eigentlich bin ich ja nicht der richtige Mann für solche Sachen. Ich bin kein Wirtschaftsexperte. Aber was soll man tun, wenn die "richtigen" Wirtschaftsexperten komplett versagen? Man lese bloß mal, welchen Unsinn unser "Experte" Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut verzapft.

Leserbrief :

Keynes kann im Rahmen der bestehenden Geldschöpfungsordnung [Kreditwirtschaft] nicht funktionieren. Die Keynesianische Konjunkturstimulation durch erhöhte Staatsausgaben bringt innerhalb der bestehenden Ordnung eine explodierende Staatsverschuldung mit sich. Keynes hatte sich das allerdings anders gedacht: Der Staat würde durch die Stimulanz der Wirtschaft erhöhte Steuereinnahmen verbuchen und diese zum Abbau der Staatsverschuldung einsetzen. Friedman’scher Neoliberalismus kann auch nicht funktionieren, da er innerhalb der bestehenden Geldschöpfungsordnung dazu führt, dass der Staat permanent zu Steuergeschenken an die Reichen genötigt ist. Was die meisten Leute nicht verstehen, ist die Tatsache, dass die bestehende Geldschöpfungsordnung vorsieht, die Staatsverschuldung immer weiter zu steigern, und dass weder die Absicht noch die Notwendigkeit besteht, diese jemals abzubauen. Die Leute werden in der öffentlichen Diskussion über diesen entscheidenden Punkt im Unklaren gelassen; würden sie nämlich die Geldschöfpungsordnung verstehen, käme es zur Revolution.

Man muss verstehen – das ist der eigentlich entscheidende Punkt – dass die Geldschöpfung aus dem Nichts geschieht. Das Geld wird von den Gläubigern einfach aus dem Nichts geschöpft und dem Staat als Kredit zur Verfügung gestellt. Das ist alles. Komplizierter wird es nicht. Da die Gläubiger das Geld aus dem Nichts schöpfen, muss der Staat das Geld auch nie zurückzahlen.

Beispiel:

Ich gebe Dir einen Zettel Papier, auf dem ich XYZ 100 draufgeschrieben habe und sage, hier nimm, dass ist Geld, Du schuldest mir jetzt XYZ 100. Du sagst, großartig, danke, dass Du mir Geld gibst, dann ich brauche es doch so dringend, um meine Rechnungen zu bezahlen.

Der Clou besteht in den folgenden Punkten:

(1) Monopol: Nur ich darf Zettel drucken, auf denen XYZ 100 draufstehen; tut das jemand anderes muss er von Dir strafrechtlich verfolgt werden. Du musst Dich auch dazu verpflichten, Dich bei niemand anders zu verschulden als bei mir.

(2) Zins: Ich bekomme Zinsen für die Zettel Papier, die ich Dir als Kredit gebe.

(3) Du musst die Leute mit Gewalt oder Propaganda dazu bringen, die Zettel Papier als Geld [Zahlungsmittel] zu akzeptieren. Das wird Dir leicht fallen, da Du der Staat bist und die Leute Dir vertrauen und Dich respektieren.

Es geht mit nicht darum, dass ich diese dummen Zettel Papier, auf denen ich XYZ draufgeschrieben habe, von Dir wieder zurückbekomme. Es geht mir (a) darum, dass Du mir mein Geldschöpfungsmonopol erhältst, (b) dass ich schön Zinsen von Dir bekomme und (c) dass Du tust, was ich Dir sage, d.h. ich politischen Einfluss ausüben kann, ohne dass das für die Bürger direkt ersichtlich ist. Es geht mir darum, dass Du ein Rechtsstaat bist, und meine verbrieften Rechte mit Gewalt gegenüber den Bürgern durchsetzt, falls diese in einer Vertrauenskrise angezweifelt werden sollten.

Ich denke, wir werden gut zusammenarbeiten wir beide [Ich, der Banker; Du, der Politiker].

Antwort (15.12.): Wie kommt eigentlich das Geld aus der Bundesdruckerei in den Wirtschaftskreislauf? Ich habe mir auf diversen Seiten meiner HP Gedanken über dieses Thema gemacht. Früher war es die (in privater Hand befindliche) Bundesbank, die den Wertzuwachs durch die deutsche Produktion ermittelte und entsprechend viele Banknoten drucken ließ, damit der gewachsenen Wirtschaft auch genug Geld zur Verfügung stand. Heute hat wohl die Europäische Zentralbank (EZB) für den Euroraum diesen Job übernommen. Die Frage lautet nun, wem das frisch gedruckte Geld gehört, denn mit dem Recht, Geld zu drucken und es zu besitzen ist die Machtsituation verknüpft: Wer hat die Macht in Deutschland, wer in Europa? Da die Macht dem Staat mit seiner gewählten Regierung oder - in steigendem Maße - der EU gehört, sollte das frischgedruckte Geld ebendiesen Staaten oder der EU gehören. Wie kommt nun das frische Geld vom Staat unter die Leute? Ich denke, ganz einfach durch Beamtengehälter und Staatsaufträge an Firmen. Die Kaufkraft der BEvölkerung wird erhöht, sodaß die Mehrproduktion gekauft und bezahlt werden kann. Damit alle Bürger am Wirtschaftssystem teilnehmen können, müssen sämtliche Löhne jährlich um den Prozentsatz des Wirtschaftswachstums erhöht werden.

Ich glaube, das eigentliche Problem, um das es geht, ist, dass es in den untersten Lohngruppen zu viel Konkurrenz gibt, was die Löhne so sehr drücken würde, dass sie nicht mehr zur Bestreitung des Lebensunterhaltes reichen würden, wenn nicht durch staatliche Eingriffe Abhilfe geschaffen würde. Der freie Kapitalismus würde diese Löhne ins Bodenlose fallen lassen. Hier muss der Staat eingreifen und das frisch gedruckte Geld in Gestalt von Zuschüssen (Kombilohnmodell?) und Sozialhilfe für Arbeitslose beisteuern.

Wie können Geschichten wie die von Herrn Müller (s.o.) verhindert werden? Kann man es einer Landesregierung verdenken, dass sie mit massiven Geschenken einen Konzern ins Land lockt, damit es weniger Sozialhilfe (Alg II) an die Arbeitslosen zahlen muss und insgesamt Geld spart? Müller baut also eine Fabrik in Sachsen und schließt eine andere in Niedersachsen. Das sollte ihm als Unternehmer nicht untersagt sein. Allerdings sollte die EG und der BUND ein Gesetz machen, das Geldgeschenke stets an ausreichend wertvolle Bedingungen geknüpft sein müssen. Diese Bedingung müsste im Falle Müller lauten, dass Müller - sagen wir mal - binnen zehn Jahren - keine Firma schließen darf. Ansonsten muss er die 70 Millionen zurückzahlen.

Ich erinnere mich an einen Fall im Nachbardorf. Dort bekam (vor Jahrzehnten) die Firma Fissler 70 Millionen DM, um einige hundert Arbeitsplätze zu schaffen. Der Konzern schuf jedoch nur einen Bruchteil davon, sagen wir einmal 10 %. Man hätte an die Zahlung der 70 Millionen die Bedingung knüpfen müssen, dass Fissler bei nur 10 % iger Erfüllung seines Versprechens 90 % der Geschenke zurückgeben müsse. Der Skandal an derartigen Verbrechen ist, dass die Geldgeber keine ausreichenden Bedingungen gestellt hatten.

16.12.06 Grundeinkommen - Diskussion

http://www.nachdenkseiten.de/?p=1944

Es geht um die Diskussion des Grundeinkommens zwischen Wolfgang Strengmann-Kuhn und Heiner Flassbeck.

Im Beitrag von Wolfgang Strengmann-Kuhn heißt es, die Kosten des Grundeinkommens von 600 bis 800 Milliarden Euro seien lediglich Bruttokosten, da bei Einführung des Grundeinkommens bisherige Sozialleistungen wegfielen (Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II). Der Bruttobetrag würde außerdem reduziert durch die Besteuerung auch jener Einkommen, die bisher aufgrund des Steuerfreibetrages nicht besteuert wurden. Dies würde insgesamt dazu führen, dass Menschen, die aufgrund relativ hoher Arbeitseinkommen das Grundeinkommen eigentlich nicht brauchen, aufgrund der höheren Gesamtsumme ihrer Einkommen (Lohn + Grundeinkommen) zum Teil höhere Steuern zahlen müssten, die das Grundeinkommen wieder "auffressen" würden. Das Grundeinkommen führe also zu höheren Steuereinnahmen des Staates. Die Differenz zwischen altem Steueraufkommen und Steueraufkommen nach Einführung des Grundeinkommens müssen von der Bruttozahl abgezogen werden. Die Höhe des Grundeinkommens sei locker finanzierbar, zumal viele Steuerschlupflöcher geschlossen würden. Da die Bedarfsprüfungen bei Sozialhilfe und Alg II, sowie der Missbrauch von Sozialleistungen wegfielen, würde weiteres Geld eingespart werden, was das die Finanzierbarkeit um Weiteres verbessern würde.

Heiner Flassbeck geht in seinem Contra-Artikel auf all diese Argumente nicht ein. Er schreibt

"Aber mindestens 40 Millionen Deutsche brauchen das Grundeinkommen gar nicht, weil sie genug verdienen oder eine ausreichende Rente beziehen. Diesen in keiner Weise Bedürftigen gäben wir 480 Milliarden Euro im Jahr."

und ignoriert dabei das Argment, dass die Steuern das Grundeinkommen jener, die es eigentlich nicht brauchen, wieder "auffressen".

Dann schreibt er:

"Noch absurder wird es, wenn die Unternehmer das garantierte Grundeinkommen nutzen, um die normalen Löhne entsprechend zu kürzen."

Gegenargument: Falls die Arbeitgeber das tun, würden sich die Arbeitnehmer überlegen, ob es sich noch lohnt, zu arbeiten. Sie haben die Freiheit dieser Überlegung aufgrund der existentiellen Sicherheit, die das Grundeinkommen bietet. Viele Arbeitnehmer würden nach Lohnreduktion ihren Job kündigen, und die Arbeitgeber müssten sich etwas einfallen lassen - zB höhere Löhne - um genügend motivierte Arbeitskrafte zu finden. Ich erachte Flassbecks Argumente für nicht stichhaltig.

Brief:

Sehr geehrter Herr Albrecht Müller, sehr geehrter Herr Dr. Wolfgang Lieb,

ich habe mir erlaubt, auf meiner Webseite in www.hanjoheyer.de/Aktuelles12.html (bitte nach unten scrollen) meinen Kommentar zur Pro- und Contra- Darstellung zum Thema "Grundeinkommen" zu veröffentlichen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir Mitteilung machen würden, falls Sie meinen Kommentar für konstuktiv/plausibel halten.

Für eine Richtigstellung etwaiger Fehler wäre ich selbstverständlich noch dankbarer, aber ich möchte Ihre Zeit nicht überbeanspruchen. Sie brauchen also nur dann zu reagieren, falls Sie glauben, mein Beitrag sei eine konstruktive Bereicherung der Diskussion.

mfg

Hans-Joachim Heyer

Antwort:

Sehr geehrter Herr Heyer,
Ihren Hauptfehler werden Sie merken, wenn Sie den folgenden Satz von Ihnen, eine Wiedergabe von Strengmann-Kuhn, noch einmal oder zweimal genau bedenken: Genau durchdenken, und mir dann nochmal erläutern, wieso Sie da etwas abziehen? wie ist das Abgezogene (Sozialhilfe, ALGII) finanziert? Handeln Sie da nicht mit Luft? Ich frage Sie nur. Erläutern Siem mir das bitte mit Ihren Worten. So jedenfalls war das keine Erklärungshilfe.
Gruß
AM

Meine Antwort darauf: Ich habe mir den Satz noch dreimal durchlesen müssen, bis ich begriff, was Herr Müller meint. Es geht um den Satz, den ich nun nicht aus meiner "Nacherzählung" oben zitiere, sondern aus Strengmann-Kuhns Artikel in der taz:

Aber bei den 600 bis 800 Milliarden Euro handelt es sich lediglich um die Bruttokosten. Netto sieht es anders aus, denn es würden automatisch Ausgaben wegfallen - etwa für die Sozialhilfe oder das Arbeitslosengeld II.

Es ist richtig, dass man - um die Höhe der Kosten des Netto-Grundgehalts zu ermitteln - nicht die heutigen Kosten von Sozialhilfe und ALGII vom Bruttowert abziehen darf. Wenn Sozialhilfe und ALGII heute 600 bis 800 Milliarden Euro kosten würden, dann würde das einzuführende Grundgehalt netto gar nichts kosten! Man sieht sofort, dass das nicht stimmen kann! Die Differenz, die Strengmann-Kuhn ermittelt hat, also das "Netto-Grundgehalt", drückt nicht die Kosten aus, sondern die zusätzlichen Kosten, die zu den Kosten, die heute Sozialhilfe + ALGII ausmachen, hinzukämen.

Herr Strengmann-Kuhn und die "drei Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften" müssen wohl oder übel noch einmal nachrechnen - und ich selber muss mir auch an den Kopf fahren angesichts der Lächerlichkeit des Fehlers, der mir hier unterlaufen ist. Ich erinnere mich, den Fehler bereits vor Monaten schon einmal gemacht zu haben. Trotz allem möchte ich die Idee des Grundeinkommens noch nicht als gescheitert ansehen.

Antwort von Herrn Dr. Flassbeck auf denselben Brief, wie ich ihn an Albrecht Müller geschickt hatte:

Lieber Herr Heyer,

weil die öffentliche Diskussion so konfus ist, habe ich in meiner Argumentation schon alles netto gestellt dadurch, dass ich immer "nur" von 460 Milliarden gesprochen habe, die zusätzlich zu finanzieren sind, denn ich habe von vorneherein 320 Millarden abgezogen für den Teil, der heute schon als Sozialbudget (ist lt. volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung ein wenig mehr, 420 Mrd.) verwendet wird. Dann bleiben die vom mir genannten Finanzierungsalternativen für den Teil, den man eigentlich nicht braucht, und die sind völlig klar und einfach.

Warum Sie glauben, dass ein Arbeitnehmer, der, sagen wir, 2500 euro verdient, und dem man nun 1000 euro (oder eine kleinere Summe je nach Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber) von seinem Gehalt abzieht, fortan noch einmal auf 500 Euro verzichtet und freiwillig arbeitslos wird? Entspricht das der Erfahrung der letzten 25 Jahre, wo die Reallöhne bei explodierenden Gewinnen gesunken sind, die Machtverhältnisse sich aber dennoch nicht umgedreht haben, weil die Zahl der nach Arbeit suchenden Menschen hoch geblieben ist???

Grüsse

Heiner Flassbeck

Leserbrief von X:

Hi Jo,

mir ist nicht ganz klalr, was in der Debatte über das Grundeinkommenso verwirrend sein soll.

Wenn wir Schritt für Schritt denken, dann ergibt sich meineserachtens die folgende Situation:

Schritt 1: Jeder bekommt das Grundeinkommen, d.h. jeder ist besser gestellt.

Schritt 2: Die Besserstellung wird durch Einkommensbesteuerung für die ‚Besserverdienenden’ wieder rückgängig gemacht. Jetzt ist nicht mehr jeder bessergestellt, sondern nur diejenigen, die bereits heute weniger als einen zu bestimmenden Betrag X verdienen.

Einsicht 1: Die effektive Besserstellung all jener, die durch die Einführung des Grundeinkommens bessergestellt werden, muss finanziert werden.

Einsicht 2: Ein Teil dieser Finanzierung kommt aus der Verrechnung mit dem Wegfall der Sozialhilfe und sonstigen Subventionen [beispielsweise Kindergeld, Eigenheimzulage]

Einsicht 3: Es bleibt ein nicht finanzierter Restbetrag über, der beträchtlich gross ist [von Euro 600 – 800 Mrd war die Rede]. (He: nach Flassbeck 460 Mrd. s.o.)

Einsicht 4: Wenn wir davon ausgehen, dass dieser Betrag jedes Jahr zusätzlich in den Konsum fliesst, dann wird es zu erhöhten Mehrwertsteuereinnahmen kommen, die den Betrag – sagen wir mal – um mindestens 10% senken.

Einsicht 5: Es bleibt immer noch ein nicht finanzierter Teil übrig.

Einsicht 6: Die Fianzierung dieses Teils ist ein Zugeständnis der Reichen an die Armen– aus Vernunfteinsicht!!! Existiert diese Vernunfteinsicht nicht, dann wird es auch nicht zur Einführung eines Grundeinkommens kommen. Die Reichen würden das Grundeinkommen mit Hilfe der Einführung einer Haus- und Bodensteuer finanzieren. Beispielsweise zahlt ... für ihre Eigentumswohnung weniger als Euro 200 Grundsteuer im Jahr. Die gleiche Wohung in London oder Amerika würde mindestens Euro 5000 oder noch mehr Grundsteuer kosten. Allerdings müsste man auch hier wieder Freibeträge einführen, dass auch tatsächlich nur die relativ Wohlhabenderen besteuert werden.Darüberhinaus würde man lediglich die Konsumsteuer bei Luxusartikeln weiter erhöhen müssen: Alkohol, Schmuck, Parfüm, Handtaschen, Mode. Man könnte auch hingehen und einen gerechten Preis für bestimmte Produkte definieren. Beispielsweise könnte man sagen, wenn ein Stuhl mehr als Euro 500 kosten, dann wird die Differenz als Luxus versteuert. Man zahlt dann beispielsweise 19% Mehrwertsteuer auf die 500 Euro und 33% Luxussteuer auf die Preisdifferenz. Man kann hier sehr kreativ sein, die Sache ist letztlich jedoch ganz einfach:

Sind die Wohlabenden in Deutschland willig ihren Beitrag zur Finanzierung des Grundeinkommens zu leisten, oder sind sie es nicht? Und wenn sie diese Grundeinsicht und Willigkeit nicht existiert, braucht man nicht weiter zu denken, sind sie es aber, dann gibt es auch Lösungen!!! Man muss letztlich so fragen: Ist denen, die das Grundeinkommen effektiv finanzieren, die Einführung desselben sein Preis wert? Man müsste darauf hinweisen, wie viel besser das System und der soziale Frieden und das Geschäftsklima in Deutschland wäre, wenn niemand mehr Angst vor Armut zu haben bräuchte, und wie das dann effektiv zu kreativeren und aktiveren Menschen führte, und wie das das den Volkswohlstand langfristig enorm steigern würde, was am Ende dann auch die Reichen besser stellen würde. Man müsste also die Finanzierung des Grundeinkommens als eine Investition betrachten und als eine die sich lohnt!!! Allerdings müssen diejenigen, die das Grundeinkommen jetzt effektiv finanzieren, das auch so sehen --- und das denke ich wird eher schwierig sein, wegen der neoliberalen Denkblockade im Kopf und dann letztlich auch weil die weltwirtschaftliche Politik in Geheimkreisen nicht ohne das Einverständnis der USA gemacht wird! Man müsste also Bill Gates überzeugen <ironisch>....

Gruss,

Antwort an Herrn Flassbeck: Ich verstehe leider den 2. Absatz nicht. Einem Arbeiter, der 2500 Euro netto verdient und 1000 Euro Grundeinkommen hinzu bekommt, werden aufgrund fehlender Bedürftigkeit diese 1000 Euro per Steuer wieder abgezogen. Bei ihm bleibt alles beim alten. Ich verstehe nicht, was die von Ihnen genannten 500 Euro bedeuten. Wird der Arbeiter arbeitslos, bekommt er die 1000 Euro Grundeinkommen. Auf meiner Seite "Steuermodell" habe ich eine Alternative aufgeführt, auf die Sie anspielen. Der Arbeitgeber braucht an den Arbeiter, der bisher 2500 Euro verdient, nur noch 1500 Euro Lohn zahlen. In diesem Fall darf der Arbeiter das Grundeinkommen behalten und kommt wieder auf seine 2500 Euro. Wieder bliebe alles beim alten.

(19.12.) Neu wäre nur, dass die Erpressbarkeit des Arbeitnehmers seitens des Arbeitgebers geringer würde, oder mit anderen Worten: die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers würde sich verbessern, da das Grundgehalt seine Existenz auf jeden Fall sichern würde. Außerdem wäre die Konkurrenz des Bewerbers um den Arbeitsplatz geringer, denn ein nicht allzukleiner Prozentsatz aller Arbeitnehmer würden lieber auf eine Arbeit verzichten, als in einem unterbezahlten, entwürdigenden Job zu verschmachten. Die Löhne werden also steigen; 1-Euro-Jobs und andere unzumutbare "Lohn"-Modelle werden aussterben. Klar, dass das der Arbeitgeberseite nicht gefällt und diese alles tut, das Grundeinkommen in ein schlechtes Licht zu rücken.

Antwort an X: Volle Zustimmung! Das beste Argument, das ich von Gegnern des Grundeinkommens bisher hörte, war jenes: "Wer will dann noch arbeiten? Wer soll das Geld für das Grundeinkommen erarbeiten? Die Arbeitenden wären dann die Dummen!" Antwort: Das Grundeinkommen ermöglicht keinen Lebensstil auf großem Fuß. Es ist etwas für Bescheidene. Wer (die Natur ruinierend) ein Haus, ein Auto, ein Swimmingpool haben will, muss arbeiten. Ich denke, die meisten Menschen arbeiten gern, wenn die Qualität des Arbeitsplatzes gut ist. Man sollte sich zum Vergleich einmal ansehen, wie viel Prozent aller Millionäre arbeiten. Sie alle bräuchten keinen Finger mehr zu rühren. Wieviel arbeiten trotzdem? Ich glaube, beim normalen Menschen wäre das nicht anders. Ich zB arbeite, obwohl ich so gut wie nichts verdiene.

19.12.06: Brief von X:

Wenn tatsächlich die Euro 460 Mrd, wie ich mir das denke, in den zusätzlichen Konsum fließen würde, müsste das die Unternehmensgewinne beträchtlich erhöhen, was zu deutlichen Steuermehreinnahmen führen müsste, so dass die Finanzierung des Grundeinkommens noch leichter fallen sollte.

Wenn wir einmal davon ausgehen, dass die Wirtschaft die erhöhte Nachfrage ohne grosse Preisaufschläge [= Inflation durch übermässige Nachfrage] bedienen in der Lage sein sollte, dann müsste die Einführung eines Grundeinkommens sogar äusserst wünschenswert für die Wirtschaftselite in Deutschland sein.

Die Wirtschaft und der Staat müssten Hand in Hand arbeiten und dürfen diese zusätzliche Nachfrage, die durch die Euro 460 Mrd entstehen, nicht ausnutzen, indem sie die Preise anheben! Wichtig ist, dass die zusätzliche Nachfrage bzw. der zu erwartende Mehrkonsum – weil ja so viele Menschen plötzlich besser gestellt sind – nicht durch massive Preissteigerungen wiederum in Form von Unternehmensgewinnen bei der Wirtschaftselite landen. Auch würde ich erwarten, dass die Arbeitslosenzahl durch die Einführung eines Grundeinkommens rapide abnehmen würde.

Aber wie man es dreht oder wendet: letztlich hängt das Ganze vom Goodwill der Wirtschaftselite ab, denn diese hat die Macht die Sache zu unterstützen oder zu sabotieren. Man muss das den Reichen also so verkaufen, dass es ihnen nützt, den entscheidenden Teil des Grundeinkommens mitzufinanzieren, weil es sich langfristig in eine wesentlich stärkere Wirtschaft in Deutschland übersetzt, was zu höheren Umsätzen und Gewinnen führt, was letztlich die Reichen sowie so anstreben.

Man kommt nicht drumherum die Reichen noch reicher werden zu sehen, aber man kann das auf eine Weise schaffen, dass es allen Bevölkerungsgruppen wesentlich besser geht als jetzt!

Zusatzargument:

Die relativ Reichen, die jetzt die Euro 460 Mrd vorfinanzieren müssten, tun das mit Geld, welches sie sowieso nicht ausgeben würden; sie tun das aus Erspranissen und würden durch die Mehrbelastung ihren Konsum sicher nicht senken; während die relativ Armen jeden Euro in den Konsum stecken. Daher bin ich mir ziemlich sicher, dass die Euro 460 Mrd praktisch ganz in den Mehrkonsum gehen würden. Und jetzt kommt der Clou: Der Mehrkonsum bedeutet für die Unternehmen mehr Umsätze und Gewinne, was zu deutlichen Börsenkursgewinnen führen würde, denn die Unternehmen werden alle mehr wert, könnten höhere Dividenden zahlen, wären international wettbewerbsfähiger, weil sie den höheren Börsenwert bei Übernahmen von ausländischen Firmen geschickt einsetzen könnten!

Und wer sind die Aktionäre? Einmal die relativ Reichen, die durch die gesteigerten Unternehmenswerte die Vorfinanzierung der Euro 460 Mrd in null-komma-nichts wieder zurückbekommen und dann die Pensionäre und Anleger, wodurch indirekt also auch noch das Rentenproblem gelöst werden würde; darüberhinaus es bei den Versicherungen [Stichwort: kapitalansparende Lebensversicherungen] zu massiv höheren Ausschüttungen käme, was wiederum einer breiten Bevölkerungsschicht zugute käme.

Die ganze Sache hat nur Vorteile, aber einig muss man sich sein!

Zu: "Das beste Argument, das ich von Gegnern des Grundeinkommens bisher hörte, war jenes: "Wer will dann noch arbeiten? Wer soll das Geld für das Grundeinkommen erarbeiten? Die Arbeitenden wären dann die Dummen!""

# Zunächst einmal sagt dieses Argument mehr über diejenigen aus, die es machen, als über diejenigen über die es gemacht wird. Darüberhinaus waren und sind die Arbeitenden bereits die Dummen; das ist vollkommen unabhängig von der Einführung eines Grundeinkommens! Man kann jetzt sogar durch die Einführung des Grundeinkommens die Situation gerade auch der Arbeitenden wesentlich verbessern und zwar aus den folgenden Gründen:

Durch die Einführung des Grundeinkommens käme es zu einem massiven Nachfrageüberhang in Deutschland, was die Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen bewegen würde und was darüber hinaus auch noch zu steigenden Löhnen führte, SOLANGE die Politik sich mit der Wirtschaft einig ist und diese den durch die Einführung des Grundeinkommens massiven Nachfrageüberhang nach Gütern und Dienstleistungen nicht durch unverhältnismässige Preissteigerungen un durch Billigimporte aus China abzuschöpfen versucht!!!

Es ist ganz einfach und logisch: Wenn Euro 460 Mrd mehr auf der Nachfrageseite stehen und sich alle diszipliniert verhalten, wird es allen besser gehen als jetzt! Die Umsätze der Unternehmen werden steigen; die Gewinne werden steigen; Arbeitsplätze werden geschaffen und die Löhne werden steigen. Das Ganze ist eine Win-Win Situation! Es müssen sich nur alle Interessensgruppen einig sein und eine konzertierte Aktion starten, so dass sich alle richtig verhalten; dass ist durch geeignete Aufklärung des Volkes und durch Vernunfteinsicht der Wirtschaftselite und durch staatsmännische Politik aller Parteien erreichbar.

Es gibt keine Gründe, warum es nicht allen besser gehen sollte, ausser selbstverschuldeten!

Antwort: Letztens las ich irgendwo, der neue Telekomchef soll gesagt haben, die Spielregeln der Wirtschaft seien Naturgesetze, die nicht gebrochen werden können. Das ist hanebüchener Unsinn!!! Diese Spielregeln sind für den Telekomchef wie Naturgesetze, weil er allein nicht die Macht hat, diese Regeln zu ändern. Würden die Herren der Welt die Spielregeln ändern wollen, könnten sie es durchaus tun. Schließlich ist ihnen das Kunststück bereits mindestens einmal gelungen, und zwar bei der Einführung der neoliberalen Spielregeln. Was sie eingeführt haben, können sie auch wieder abschaffen.

Heute las ich in der ZEIT vom 30.11. in "Schuld ist Alan Greenspan" vom "Marktstrategen" Tim Bond:

"Sie analysieren Amerika mit der falschen Brille. Das Land weist inzwischen eine ähnlich ungleiche Einkommensverteilung auf wie die lateinamerikanischen Länder. Das ist längst keine kapitalistische Wirtschaft mehr, wie wir sie kennen. Das amerikanische System hat sich von einer Demokratie zu einer Plutokratie gewandelt, zu einer Herrschaft der Reichen. Und die Globalisierung verschlimmert den Zustand. Die oberen zehn bis zwanzig Prozent der Bevölkerung bekommen immer mehr Anteile sowohl vom Einkommen als auch von den Gewinnen. Das ist wohl das größte Problem der amerikanischen Wirtschaft."

Richtig! Erstens sehen wir an diesem Zitat, dass ein Systemwechsel stattgefunden hat. Die "Naturgesetze" sind veränderbar. Zweitens sehen wir meine "Implosionsthese" bestätigt. Die Wirtschaft implodiert, indem immer weniger Menschen am System beteiligt sind. Immer mehr Menschen fallen aus dem Kreislaufsystem des Geldes und der Güter heraus, weil sich immer mehr Geld in den Säcken der Reichen ansammelt, statt dass es in den Kreislauf zurückgepumpt wird. Der Patient stirbt an einem Hirnschlag, am Blutstau im Gehirn und an Blutmangel in Armen und Beinen.

Das Grundeinkommen würde beide tödlichen Krankheiten - Blutstau im Gehirn und Blutarmut in den Gliedern - heilen. Fragt sich jetzt nur, wer den Plutokraten dieses Selbstmordgen eingekreuzt hat. Ich war's nicht.

20.12.06: Leserbrief von X:

Zu "Das amerikanische System hat sich von einer Demokratie zu einer Plutokratie gewandelt, zu einer Herrschaft der Reichen."

# Ich teile diese Einschätzung nicht, dass sich das amerikanische System gewandelt hat, denn es war nie eine Demokratie und war von Anfang an eine Plutokratie. Man kann das nur heute nicht mehr so leicht schönreden. Die Gründungsväter waren, wie Noam Chomsky zeigte, von Anfang an davon ausgegangen, dass das Land von denen regiert werden sollte, denen es auch gehört: der reichen Oberschicht! Und sie verhielten sich entsprechend Adam Smith’s Warnung: „Alles für uns und nichts für den Rest.“ Die technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte und die friedensbedingte Kapitalakkumulation hat lediglich dazu geführt, dass es jetzt für jedermann sichtbar ist, während es früher leichter war die wahren Machtverhältnisse mit Hilfe einer Sprache zu überdecken, die es auf die Ideologisierung [Amerikanisierung] der Massen absah. Die meisten Kommentatoren haben ihre Hausaufgaben einfach nicht gemacht: Nichts hat sich an den Machtstrukturen geändert; die Globalisierung hat lediglich zu einer Verschärfung geführt! Darüber hinaus kann man sogar argumentieren, dass vor 100 Jahren die Macht und der Reichtum noch wesentlich stärker in den Händen weniger gebündelt war, als es heute der Fall ist. Um die Jahrhunderwende kontrollierten die Rockefeller beispielsweise 90% der weltweiten Ölproduktion; und die Rothschild hatten im letzten Jahrhundert einen Reichtum und eine Macht akkumuliert, die heute in etwa der entsprechen würde, wie der Historiker Niall Ferguson meinte, wenn man alle Investmentbanken plus die Weltbank zusammen kontrollieren würde. Und selbst wenn man sich die Machtverhältnisse in der ‚demokratischen Schweiz’ einmal anschaut, dann wird man ziemlich schnell überraschend feststellen, dass ein Dutzend reiche Familien die Stränge in den Händen hält. Man kommt einfach an der Tatsache nicht vorbei, dass die wahre Demokratie nicht in der Vergangenheit zu suchen ist, sondern in der Zukunft realisiert werden muss.

Antwort: Ich stimme dir in allem zu. Als ich das Zitat erstmals las, dachte ich ähnlich: "Demokratie hat's zwar nie gegeben, und die Plutokratie haben wir schon viel länger, als Tim Bond glaubt, aber trotzdem liegt Bonds Meinung eine Beobachtung zu Grunde, die ich mit ihm teile. Die Demokratie war bis vor kurzem das offen proklamierte Ideal der Westlichen Gesellschaften und die Plutokraten versteckten sich hinter der "demokratischen Bühneninszenierung" - siehe "PolKulturHaus.html" und taten so, als ob sie deren Spielregeln anerkennen und sollen sogar Steuern gezahlt haben. Mit dieser Vorsicht scheint es nun vorbei zu sein. Sie fühlen sich ihrer Macht so sicher, dass sich kaum noch Mühe geben, ihre Selbstherrlichkeit zu verbergen, sodass es nun sogar Leuten wie Bond auffällt, dass die demokratisachen Strukturen und Institutionen an Konzerne verramscht werden. Dass es ohne staatliche Institutionen Demokratie nicht geben kann, weiß heute fast jeder.

Beispielsweise lassen sich Krankenversicherungen kaum noch reformieren, wenn sie in privater Hand sind. Sie lassen sich doch ihr Geschäft nicht kaputt machen. Eine staatliche Krankenversicherung hingegen könnte ihre Beiträge senken, wenn es der medizinischen Forschung gelänge, ein paar "Wundermittel" gegen die großen Volkskrankheiten zu entwickeln. Private KKn senken ihre Beiträge nicht, weil die Leute etwa gesünder werden; sie senken sie nur dann, wenn der Konkurrenzkampf es erfordert. Aber Konkurrenzkampf lässt sich vermeiden, indem man die Welt in Einflussbereiche aufteilt, etwa nach dem Vorbild der großen Energiekonzerne. Geschäftsinteressen verhindern derzeit die Erforschung von Krankheiten und Entwicklung von Arznerien, die nur arme Menschen betreffen. Auch Arzneien, die billig herzustellen sind, schnell und dauerhaft gesund machen, sind den Kaufleuten unter den Medizinern ein unerträglicher Dorn im Auge. Plutokratische Strukturen orientieren sich am Geschäft und nicht am Menschen. Das gilt besonders in der Medizin, wo sich die Veränderung der Realitäätsstrukturen besonders verheerend auswirkt. Die Medizin wird verrückt, wenn sie sich ökonomischen Strukturen unterordnet.

Dasselbe gilt für den Bildungssektor: Ökonomische Interessen und Muße schließen sich kategorisch aus. Da Muße die Grundlage wahrer Bildung ist, liegt die Erkenntnis auf der Hand, dass ein ökonomisiertes Bildungssystem keines ist, das Bildung vermitteln könnte und wollte. Zudem weiß jeder Wahrheitssucher, dass Wahrheit ökonomischen Interessen entgegen steht, und zwar so sehr, dass sicher ist, in Universitäten, die ihr Geld selbst verdienen müssen wie eine Firma, gibt es ausschließlich Berufausausbildung und keine echte Forschung, keine Suche nach Wahrheit. Ich bin Zeuge. Ich habe es an der Mainzer Uni selbst erlebt. Auch das Bildungssystem wird verrückt, wenn man es ökonomischen Zwängen unterstellt.

Was hat das mit den Plutokraten zu tun? - Nun, die Plutokraten alter Schule waren noch Dualisten: Sie glaubten an die Welt und an Gott, an Materie und Geist. Sie glaubten, dass der Mensch in zwei Welten lebt und folglich zweierlei Bedürfnisse hat. Er hat das Bedürfnis nach materieller Sicherheit und nach spiriueller Geborgenheit. Für ersteres war die Ökonomie zuständig, für Zweiteres die Priester. Bildung und Gesundheit hatten jeweils zwei Aspekte. Es gab weltliche Ausbildung und innere Bildung, die zu Bewusstsein führt. Es gab die Gesundheit des Leibes und der Seele. Die Plutokraten anerkannten, dass sie selbst nur den materiellen Aspekt abdecken konnten und überließen den anderen Aspekt den Priestern. Früher gab es Bereiche, von denen die Ökonomen die Finger ließen.

Das hat sich gründlich gewandelt. Heute herrscht der monistische Materialismus. Es gibt keinen Geist, keine Seele. Also ist es logisch, dass die Ökonomen nun JEDEN Aspekt menschlichen Seins beherrschen wollen. Seit die Plutokraten glauben, dass es weder Wahrheit, noch Bewusstsein, noch Moral, noch Freiheit, noch einen Sinn des Lebens gibt, sondern dass allein die Gesetze der Physik gelten, haben sie sich an die Spitze der Hierarchie gesetzt und wollen nun selbst bestimmen, was Wahrheit, was Freiheit, was der Sinn des Lebens sei. Und wie die Medizin und die Bildung verrückt geworden sind, weil sie monistisch wurden, werden nun all diese am Monismus ausgerichteten Neudefinitionen der Begriffe verrückt.

Die alte "Plutokratie" ist m.E. mit der neuen nicht vergleichbar. Die neue Plutokratie, von der Bond spricht, ist die verrückt gewordene. Ich bin Anhänger der alten "Plutokratie", der Kaste tiefreligiöser Kaufleute, die Macht nur dann anstrebten, wenn sie bereit waren, Verantwortung zu tragen zB für das Gleichgewicht der materiellen und geistigen Kräfte. Übrigens gilt in der Astrologie "Pluto" als jener Planet, der für das Verrückte steht.

Leserbrief von X:

Dein Kommentar ist hochinteressant für mich, weil auch ich für die alte Plutokratie bin ,-))) Mir scheint, dass wir heute ein ganz besonderes Dilemma haben, welches darin besteht, dass die Macht nicht mehr mit konkreten Personen assoziiert werden kann, sondern ‚institutionalisiert’ ist. Mit anderen Worten: ‚Niemand’ ist verantwortlich. Daher rührt wohl auch der Spruch des Telekomchefs, dass die Spielregeln der Wirtschaft Naturgesetze seien, WEIL es ihm so erscheint, WEIL er nämlich nicht erlebt, dass er einen wirklichen Gestaltungsspielraum hat. Er erlebt sich als Verwalter von Macht, aber nicht als Machthaber. Er erlebt, dass er für sich ein gutes Auskommen erreichen kann, aber dass er kein gutes Auskommen für die Telekom oder für die Menschen erreichen kann. Zum einen will er es nicht und zum anderen kann er es nicht. Beides bedingt sich. Aber da der Mensch die Tendenz hat sich und sein Leben zu rationalisieren, geht er natürlich nicht hin und sagt, dass er die Welt nicht verstehe, sondern sagt, dass ihm alles klar sei: es handele sich eben um Gesetze, um ein ‚So-sein’. Da er in der Ordnung dieses ‚So-Seins’ auf der vermeintlichen Gewinnerseite steht, kann ihn dieses So-sein deshalb auch nicht sonderlich stören. Dagegen ankämpfen zu wollen, erscheint ihm unvernünftig.

Wir erleben gerade den totalen Utopieverlust: stellt sich das Menschenbild der Demokratie als ganz und gar falsch heraus! Ist der Mensch demokratieunfähig? Oder ist das Problem in den Institutionen, in den Umständen zu suchen, in der allgemeinen Ordnung?! Sind die Spielregeln falsch, oder sind es die Spieler?

„Nichst als das Schändliche freut, sein Vergnügen lebt jeder,
Willkommen, auch wenn es aus fremden Schmerz fliesst.“

[Ovid, Ars Amatoria, I 749 – 750, zitiert aus: Von der Lust oder Vom wahren Guten, Lorenzo Valla (1406 - 1457)]

Antwort: Vielleicht hat Albrecht Müller (NachDenkSeiten) recht, der behaupet, die Elite sei im Begriff, auf ganzer Linie zu versagen. Sie sei falsch ausgebildet, es ermangele ihr an echter Bildung. Mit meinen Worten: Sie ist vom Geist verlassen.

Leserbrief von X:

Noch einmal Bürgergeld

Nehmen wir mal an, jeder Bürger bekommt vom Staat garantierte Euro 1000 pro Monat; das sind dann Euro 12,000 pro Jahr.

Aus der Sicht der Banken sind ein vom Staat garantiertes Einkommen von Euro 12,000 eine großartige Sicherheit gegen die es sich lohnt, Kredite zu gewährleisten. Die Banken könnten beispielsweise hingehen und den Leuten die Euro 12,000 im Jahr gegen den Kapitalwert desselben abzukaufen! Bei einem kalkulatorischen Zinsssatz von 10% heisst das mit anderen Worten: Gib mir Deine Euro 12,000 im Jahr und ich gebe Dir jetzt sofort Euro 120,000.

Es würden sich sicherlich reihenweise Leute finden, die ihr Bürgergeld gegen den Kapitalwert an die Banken abtreten würden, oder als Sicherheit gegen Kredite hinterlegen würden.

Man muss also per Gesetz klar definieren, dass das Bürgergeld personenbezogen ist und nicht abgetreten werden kann. Dementsprechende Verträge müssen rechtsunwirksam sein.

Ansonsten wäre das Bürgergeld eine Farce!

21.12.2006: Gerechtigkeit

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,455619,00.html

Die Bertelsmannstiftung hat den statistischen Beweis angetreten: Der Bürger hat andere Vorstellungen von Gerechtigkeit, als der Politiker. In ihrer "Expertise" steht:

"Politiker haben sehr moderne Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit", erklärt Robert Vehrkamp, Projektleiter bei der Bertelsmann-Stiftung. Diese seien den Bedingungen einer globalisierten Welt angepasst. "Ein Großteil der Bevölkerung jedoch hält dagegen weiterhin an der Verteilungsgerechtigkeit durch staatliche Sozialtransfers fest".

Mit anderen Worten: Die Bürger sind leider etwas zurückgeblieben; man muss ihnen noch etwas (per BILD-Zeitung?) Nachhilfeunterricht erteilen, um ihre antike Definition, beeinflusst vom Christentum, auf einen neueren Stand zu bringen. Schön, dass nicht nur die Politiker eine sehr moderne realistische Definition von Gerechtigkeit haben, sondern auch die Meinungsführer der Bertelsmannstiftung, die sich sicher gern und logisch unanfechtbar korrekt selbst allerhöchsten Realitätssinn und aktuellste Modernität bescheinigen. In Einheit von Theorie (Bertelsmannstiftung) und Praxis (Politik) werden wir, das rückständige Volk, in eine Zukunft geführt, die modern und gerecht sein wird!

Schauen wir uns also einmal etwas genauer an, was unsere "Elite" unter Gerechtigkeit versteht. Sie versteht darunter ausdrücklich nicht Verteilungsgerechtigkeit. Das hieße ja, dass die Reichen den Armen etwas von ihrem Überfluss abgeben müssten. Nein, nein, das wäre ja Kommunismus, und moderne Menschen haben keine Ideologie. Die Zeit der Ideologien (Utopien) ist endgültig vorbei (so las ich neulich in der ZEIT).

Gerecht ist Chancengleichheit! Das ist die moderne, realistische Definition. Aha, diejenigen, die das fordern, sind demnach für das Verbot einer jeglichen Erbschaft. Schließlich soll der Sohn eines Milliardärs keine besseren Chancen erhalten, als der Sohn eines arbeitslosen Schuhverkäufers. - Nein, nein, keine Angst, liebe Millardärssöhne und -töchter, es wird dazu nicht kommen. Unter Chancengleichheit verstehen Bertelmannstiftung und Politik nicht Chancengleichheit; sie verstehen darunter, dass sie keine Verteilungsgerechtigkeit wollen.

Suchen Sie bitte einen hübsch klingenden Begriff für "Keine Verteilungsgerechtigkeit"! Sehen Sie, jetzt sind wir bei "Chancengerechtigkeit". Sie bedeutet für Bertelsmann und Politik, dass jeder die Chancen, die er nun einmal hat, auch nutzen darf. Jetzt wird ein Schuh aus der Sache!

Der Milliardärssohn darf die Chance, reich zu erben, nutzen und darf das Beste daraus machen. Er darf zB eine Schuhdiscountkettte aufziehen und 90 % aller Schuhverkäufer seiner Region in die Arbeitslosigkeit schicken. Die arbeitslosen Schuhverkäufer haben dann die Chance, sich für 3,50 Euro beim Milliardärssohn als Gärtnergehilfe zu bewerben.

Mit anderen Worten: Gerechtigkeit (Neusprech) = Ungerechtigkeit (Alt-deutsch): Gerechtigkeit (Alt-deutsch) = Ideologie = irreal (Neusprech).

Leserbrief von X:

Das ist ja witzig formuliert: „sehr moderne Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit,“ als ob die Frage der (sozialen) Gerechtigkeit eine Frage der Mode ist! Aber wenn man das Zitat genau studiert, dann wird klar, was die eigentliche Botschaft ist:

"[Viele, aber nicht alle, muss man einschränkend sagen] Politiker haben sehr moderne Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit [nämlich gar keine!]", erklärt [was ist denn hier die ‚Erklärung’?!] Robert Vehrkamp, Projektleiter bei der Bertelsmann-Stiftung. Diese seien den Bedingungen einer globalisierten Welt angepasst [in der die Dimension der sozialen Gerechtigkeit nicht existiert]. "Ein Großteil der Bevölkerung dagegen [hat eine klare Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit] (...), die in der Verteilungsgerechtigkeit durch staatliche Sozialtransfers [besteht]."

Die Sprachwahl der Bertelsmann-Stiftungsleute ist sehr auffällig. Sie stellen ‚Politiker’ [als Gruppe] in Gegensatz zum ‚Großteil der Bevölkerung’.

Damit geben sie indirekt zu verstehen, dass für sie nur Politiker sind, welche diese ‚sehr modernen Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit’ teilen! Vertreter anderer Vorstellungen sind dann ‚Volk’ [oder eben ‚linke Populisten’, oder ‚rechte Volksverhetzer’], wie das ja aus der Medienpropaganda bekannt ist.

Weiter stellen sie diese ‚sehr moderne Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit’ in Gegensatz zur ‚Verteilungsgerechtigkeit’.

Damit geben sie wiederum indirekt zu verstehen, dass die ‚sehr modernen Vorstellungen’ ein Euphemismus für ‚überhaupt keine Vorstellungen’ sind!

Mit anderen Worten: Für die Bertelsmann-Stiftungsleute gehören nur diejenigen zur Gruppe der Politiker, die überhaupt keine Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit besitzen! Ergo sind nur neo-liberale Globalisten Politiker im Bertelsmann’schen Sinne!

Jetzt sind aber Menschen [Politiker], die keine Gerechtigkeitsvorstellung besitzen, und sich über den erklärten Willen anderer Menschen [des Volkes] hinwegsetzen, asoziale, kriminelle und pathologische Fälle {Tyrannen]!

Wenn man also die Logik der Bertelsmann-Stiftungsleute – die sich in deren Wortwahl offenbart – stringend bis zum bitteren Ende durchdenkt, dann kann man sich eines Erschauerns nicht erwehren.

Antwort: Die Anfänge dieser Sprachverdrehung erlebte ich bereits unter Ex-Kanzler Helmut Schmidt, der, beeinflusst von Max Weber, von Verantwortungsethik und Gesinnnungsethik sprach. Mit Gesinnungsethik ließe sich schlecht Politik machen usw. - Verantwortungsethik unterscheidet sich von Gesinnungsethik dadurch, dass sie keine Gesinnung kennt. Das entspricht exakt dem, was du schreibst! Wenn aber Verantwortungsethik nichts mit Gesinnung zu tun hat, ist das Wort Verantwortungsethik bedeutungsleer - was von den Experten für Weltordnung sicher auch so gemeint ist!

Ich plädiere dafür, die Bertelsmannstiftung in Verwirrungsstiftung umzutaufen.

Leserbrief von X:

Zu: "Die Anfänge dieser Sprachverdrehung erlebte ich bereits unter Ex-Kanzler Helmut Schmidt, der, beeinflusst von Max Weber, von Verantwortungsethik und Gesinnnungsethik sprach. Mit Gesinnungsethik ließe sich schlecht Politik machen usw. - Verantwortungsethik unterscheidet sich von Gesinnungsethik dadurch, dass sie keine Gesinnung kennt. Das entspricht exakt dem, was du schreibst! Wenn aber Verantwortungsethik nichts mit Gesinnung zu tun hat, ist das Wort Verantwortungsethik bedeutungsleer..."

# Was ich bei Noam Chomsky liebe, ist die Tatsache, dass er Fakten mit Meinungen kontrastiert. Er zitiert einen Fakt, welchen niemand bestreiten kann, beispielsweise dass Israel und die USA die einzigen Länder waren, die ein Veto zu einer bestimmten UN-Resolution eingelegt haben. Und dann zeigt er, wie dieser Fakt ‚kommentiert’ wurde. Was sagte der UNO-Generalsekretär, was sagte der US-Botschafter, der Israeli Ministerpräsident?! Was schrieben die Zeitungen [die Welt, die Times, die Herald Tribune etc.]. Dann zeigt er auf, wie dieser eine Fakt mit weiteren anderen Fakten ein Verhaltensmuster bilden. Und dann zeigt er auf, wie bestimmte Meinungen immer wieder mit diese Verhaltensmuster korrelieren, wodurch er dann ein Modell bildet, welches ihm Rückschlüsse auf die Strategien der Beteiligten erlaubt – mit hohem Prognosewert!

Wir haben es letztlich mit Handlungen und Handlungsmustern zu tun, denen Strategien und Taktiken zugrundeliegen, die durch ein bestimmtes Menschenbild bzw. durch eine bestimmte Weltanschauung determiniert sind.

Zu Helmut Schmidt’s Wortwahl, den ich für einen besserwisserischen und selbstgefälligen Egomanen halte, fällt mir das folgende ein/auf:

Der Kontrast von G-Ethik und V-Ethik ist letztlich der zwischen Ideologie und Ideologiefreiheit. Nach dem 2. WK war es den deutschen Politikern nicht erlaubt, ideologisch zu sein, d.h. Gesinnung war verpönt. Also versteckte man seine wahren Ansichten vor sich und anderen mit Hilfe einer antiseptischen und akademischen Sprachwahl, um bewusst nicht verstanden werden zu können, oder abzuleugnen, man sei verstanden worden. Helmut Schmidt ist ein Weltmeister, wie Helmut Kohl übrigens auch, seinen Gesprächspartner deas Gefühl zu geben, dieser sei dumm und verstehe nicht richtig. Ziel dieser Sprachverwirrung ist es natürlich, den Gegenüber vollkommen im Unklaren zu lassen, was man denn jetzt wirklich denkt, und die Schuld für dieses Unverständnis dem anderen in die Schuhe zu schieben. Nicht ich spreche undeutlich, sondern die Leute sind dumm! Man gab sich dann auch ideologiefrei, demokratisch, aufgeklärt, bürgerlich, lebte – wie Helmut Schmidt das vormachte – im Reihenhaus, und kompensierte diese Selbstverlogenheit durch einen intoleranten Charakterzug, um dann doch die Dinge durchzusetzen, die man von Anfang an durchsetzen wollte – in der Rolle eines von seinen Kindern ewig missverstandenen, nur wohlmeinenden Übervaters!

Die ganze Kartenhaus fällt jedoch spätestens dann in sich zusammen, wenn es den Menschen dämmert, dass es keine ideologiefreien Räume gibt, ausser eben rechtsfreie Räume, in denen nichts anders gilt als die Gewalt!

27.12.2006: Ethik oder was?

Ich las in den letzten Tagen in der Zeit fast ein halbes Dutzend Artikel, die das Thema behandelten, das Norbert Blüm einmal mit den Worten umschrieb: "Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen". Mein Augenmerk lag auf der Beantwortung der Frage, was denn nun die Alternative zur Ethik sein soll. Was ist diese "Verantwortungsethik" (s.o.)? Wenn mit der Bergpredigt keine Politik gemacht werden kann, stellt sich die Frage, was das denn sein soll, mit dem Politik gemacht werden kann - und womit sie tatsächlich gemacht wird.

In "Der verbotene Reporter" (alles: ZEIT vom 7.12.06) geht es um den kubanischen Journalisten namens Guillermo Farinas, der sich fast zu Tode hungerte, um sich eine gesperrte Internetplattform seiner Nachrichtenagentur zurückzuerstreiten, mit der er über Missstände und Menschenrechtsverletzungen in Kuba aufmerksam machen wollte.

In "Meine verwundbaren Helden" berichtet der französische Philosoph Andre Glucksmann über die russische Journalistin Anna Politkowskaja, die wahrscheinlich mit Putins "Segen" oder gar in dessen Auftrag erst vergiftet und dann erschossen wurde, weil sie kritisch über den Tschetschenienkrieg und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen geschrieben hatte.

In "Der verdorbene Greis" lästert Wolf Biermann gegen den Massenmörder Augusto Pinochet, der in Chile den demokratisch gewählten Salvador Allende, der vom CIA ermordet worden war, ablöste und mit dem Segen der US-Regierung eine brutale Militärdikdatur errichtete.

In "Wilsons Vision, Amerikas Mission" erfahren wir vom 28. Präsidenten der USA Thomas Woodrow Wilson, der mit seinem Plan, die Politik einer Ethik zu unterstellen, scheiterte. Wilson wollte Korruption und undurchsichtige Geldgeschäfte unterbinden; er wolle mit dem Ziel, die Demokratie offen und ehrlich zu gestalten, alle Geheimverträge abschaffen. Er kämpfte für eine gerechtere Welt und wollte dies erreichen, indem ein Völkerbund geschaffen wurde, der jeder Nation zur Seite stehen sollte, die von einer anderen Nation überfallen wurde. Wilson scheiterte, weil die Europäer um ihre unrechtmäßig erworbenen Kolonien fürchteten und weil viele US-Gouverneure und Senatoren nicht glauben konnten, ihre Weltmachtpläne mit gerechten Mitteln realisieren zu können, kurz: es gab zu viele einflussreiche Leute, die in einer gerechten Welt mehr an Geld und Macht verlieren würden, als sie hinzunehmen bereit waren.

In einem Interview sagte Geschichts-Prof. Paul Nolte, der (mit Harald Schmidts Hilfe) das zum (Un?)-Wort des Jahres vorgeschlagene Wort "Unterschicht" populär gemacht hat, dass ihn alle Parteien zu Vorträgen eingeladen hatten - außer die FDP: "Die FDP hat keinen Sinn für Gesellschaftspolitik. Es fehlt der moralische Drive. Eine Art Caring (He: Umsorgung, Behütung). Das ist mir aber wichtig. Man muss die Kälte der Analyse mit Mitgefühl verbinden."

Was würden Putin, Castro, Pinochet, die Mehrheit der US-Gouverneure und die FDP unseren Helden Politkowskaja, Farinas, Allende und Wilson sagen? Was ist wichtiger, als Moral? Was ist mehr wert, als Millionen Menschenleben? Weshalb soll es falsch (naiv?) sein, für eine gerechtere Welt zu kämpfen? Welcher Idee dienen die Großverbrecher der Welt? Sind sie wirklich Großverbrecher oder ist die Idee, der sie dienen, tatsächlich so großartig, dass alle Opfer, die sie (sich? und) anderen Menschen abverlangen, gerechtfertigt sind?

Meine Antwort: Niemand wird bestreiten, dass mit Gefühlen keine staatliche Ordnung herzustellen und aufrecht zu erhalten ist. Große Ordnungssysteme müssen rational organisiert sein; die Prozesse, die in ihnen ablaufen sollen, müssen mit formalen Regelsystemen gesteuert werden. Deshalb wurden Gesetzgebung, ausführende Institutionen und dergleichen eingerichtet. Der Person wird ein äußeres Verhaltenskorsett aufgezwungen, innerhalb dessen Spielraums sie sich frei bewegen kann. Das Korsett ist unpersönlich, abstrakt und unmoralisch. Moralität kann sich nur innerhalb des Spielraumes entfalten.

Putin - um ein Beispiel zu nennen - lebt in drei Welten: einmal in seiner privaten Welt "Familie und Freunde", in der sicher auch die Moral eine große Rolle spielt. Dann lebt er in den Grenzen seines Staates, der mehr oder weniger mittels Gesetzen organisiert ist und drittens lebt er auf dem internationalen Parkett, in dem noch mangels von Gesetzen das Faustrecht zählt. Wir haben es qualitativ mit drei unterschiedlich hohen Organisationsgraden zu tun: Das internationale Parkett ist am wenigsten organisiert. Der Nationalstaat ist recht hoch organisiert, und die Familie am höchsten. Der Tschetschenienkrieg fällt in das Fach "internationales Parkett". Die USA versuchen seit Jahrzehnten, das riesige Russland, das als Einheit nicht zu besiegen ist, zu zerstückeln, um dann die einzelnen Happen nacheinander zu verschlingen. Dazu wurden und werden sog. Befreiungsbewegungen finanziert - für die Russen sind das Terroristen - die ihre Region von Russland abspalten sollen/wollen. Putin arbeitet dem Bemühen der Amerikaner entgegen und versucht die tschetschenischen Terroristen auzurotten. Kriege sind immer brutal, mörderisch und gesetzlos. Nachdem Putin seine Frau geküsst und sich liebeoll von seinen Kindern, die zur Schule müssen, verabschiedet hat, fährt er ins Büro, setzt sich an seinen Schreibtisch und schaltet von der Welt der Liebe um auf die brutale gesetzlose Welt des internationalen Parketts.

Anna Politkowskaja konnte oder wollte offenbar nicht zwischen diesen drei Welten hin- und herschalten. Sie sah die internationalen Konflikte mit der Brille des Familienlebens oder der nationalstaatlichen Ordnung, nicht jedoch mit der Brille des "internationalen Parketts". Da die russische Regierung Politowskajas Arbeit als Schwächung der russischen Position auf dem internationalen Parkett ansah, wurde sie ermordet. Guillermo Farinas beging denselben Kategorienfehler. Er weiß nicht Castros - Kubas - Kampf gegen den brutalen Nachbarn USA zu würdigen. Guillermo Farinas ist infiziert von einem Westlichen Freiheitsideal, das es wert wäre, genauer unter die Lupe genommen zu werden.

Sind nun Putin, Castro, Pinochet, die Mehrheit der US-Gouverneure und die FDP die wahren Realisten und unsere Helden Politkowskaja, Farinas, Allende und Wilson allesamt naive Träumer? Nach dem, was ich bisher hier geschrieben habe, sieht es so aus.

Der Neoliberalismus ist ein "Ordnungssystem" auf der Qualitätsstufe des internationalen Parketts. Er erkennt weder die Familie, noch den Staat an. Die Vertreter dieser "Antiphilosophie" begehen den schlimmen Irrtum, Quantität mit Qualität gleichzusetzen. Sie glauben, die größere territoriale Ausdehnung des "Systems" des internationalen Parketts gegenüber der kleineren Territorien von Nationalstaaten oder gar der häuslichen Räume von Familien- und Freundeskreisen seinen Beweise für einen einen höheren Organisationsgrad. Aus diesem Grund sollen die kleineren Räume neoliberal umstrukturiert werden. Das Faustrecht wird in die Familie gelegt. Das alte Prinzip: Nach innen schützen und umsorgen, nach außen die Idylle robust verteidigen, soll ausgespielt haben. Die Vertreter des Neoliberalismus glauben, die Welt zu modernisieren, doch sie tun in Wahrheit das Gegenteil: Sie vernichten höhere Organisationsstufen zugunsten der primitivsten "Organisationsform", des Kampfes aller gegen alle (Hobbes lässt grüßen). Die USA führen nicht nur Krieg gegen den Irak; sie führten einen Krieg gegen alle Nationen und alle Familien, auch die US-amerikanischen. Nein, nicht die USA, sondern die Neoliberalen, die sich zuerst der USA bemächtigten, sind die Psychopathen. Die USA sind das erste Opfer, Deutschland das zweite. In diesen beiden Nationen wurden Familie und Staat bisher am erfolgreichsten abgeschafft und durch das neoliberale Faustrecht ersetzt. Doch wo die Gefahr am größten ist, wächst auch das Rettende am kraftvollsten heran (ich muss das richtige Hölderlinzitat noch finden...).

Statt des Neoliberalismusses brauchen wir eine andere Philosophie. Wir müssen herausfinden, wie wir familiäre Strukturen in den Staat hineinbekommen und wie wir staatliche Strukturen aufs internationale Parkett bekommen. Wie bringen wir Moral in den Staat? - Durch Soziale Marktwirtschaft! Wie bekommen wir staatliche Strukturen aufs internationale Parkett? - Durch die UNO. So sieht Fortschritt aus! Ich glaube, Wilson kommt diesem Ideal am nächsten!

29.12.2006: Krieg gegen die Bürger des eigenen Landes:

Oben schrieb ich, Neoliberalismus bedeute die Zerstörung von Staat und Familie. Diese Antiphilosophie habe, was die Realisation anlangt, in den USA die größten "Fortschritte" erzielt. So manchem Leser erschien diese Behauptung wohl als allzustarker Tobak. Heute fand ich in den Nachdenkseiten folgenden Artikel, den ich als volle Bestätigung betrachte: http://www.nachdenkseiten.de/?p=1967 Die neoliberalen Richter und Staatsanwälte haben verstanden, dass Gerechtigkeit eine Ware ist, die gehandelt werden kann wie Kaugummi. Wahrheit ist - die Antiphilosophie kann's "beweisen" - relativ, also Auslegungssache. Es gehe nicht darum, was ein Mensch verbrochen hat; es gehe um die Ausfechtung der günstigsten Verhandlungsposition, um Macht: "Ich, Staatsanwalt, verkaufe dir, Angeklagter, eine hinnehmbare Gefängnisstrafe, wenn du mir ein schnelles, zeitsparendes Urteil erlaubst, indem du gestehst, was ich dir vorschlage." Der kleine Ganove und der einfache Bürger, der nur darin schuldig zu sprechen ist, sich nicht rechtzeitig und ausreichend über das korrupte Justizsystem informiert zu haben, wird zum Opfer einer in privater Hand befindlichen Gefängnisindustrie, von der hunderttausende Anwälte, Staatsanwälte, Richter, Gefängnisbesitzer, Aufseher und Polizisten, Gefängnispsychologen, Sozialarbeiter uvam schmarotzen.

Die deutsche Politik tut derzeit alles, um diese Verhältnisse auf unser Land zu übertragen. In Hessen werden dank Roland Koch bereits erste Gefängnisse privatisiert. Der Justizappparat wird systematisch überlastet, um Boden für billige Schnellurteile zu gewinnen. Wenn die Bertelsmannstiftung mit der Evaluation der Schulen und Universitäten fertig ist, wird sie sich sicher dem Justizsystem zuwenden und dieses auf wirtschaftliche Effiziens (und selbstverständlich nicht auf Erfolge bei der Wahrheitssuche) abklopfen. Und dann, ja dann werden wir eine Terrorjustiz bekommen, die sich gewaschen hat. Bekanntlich sind wir Deutsche gründlicher als die Amis.

Übrigens: Als am 11.9.2001 in Manhattan das Symbol des neoliberales Teufels zu Staub wurde, forderte ein Freund mich auf, nicht auf Afghanistan zu schauen, sondern auf die Innenpolitik der USA. Der Fall der Zwillingstürme werde absolut sicher als Anlass für schärfere Maßnahmen zur Bekämpfung des eigenen Volkes genommen. Der Terror am eigenen Volk werde nun offen geführt werden - und das Volk wird's kaum merken, da man es bereits jetzt mit Blindheit und Taubheit geschlagen habe. Der Freund hatte recht.

Heute las ich in der ZEIT vom 14.12. in "Wenn Gott in uns fährt" über und vom Theaterregisseur Frank Castorf, folgendes:

Berlin sei entpolitisiert, obwohl die Stadt voll gepumpt sei mit Politikern - die aber nie über Utopien sprächen. "Wowereit hat was Bösartiges; das ist mir nah - weil ich Bösartiges wahrnehme als Mephistophelisches (He: teuflisches, s.o.) Prinzip.

Ein paar Absätze weiter erzählt er von seinem Gegenmittel gegen dieses Teuflische: den Voodoo-Zauber in Kuba und Brasilien, Länder, die er (He: aus dem stickigen Berlin kommend) zum "Luftholen" immer wieder aufsuchen muss.

Nein, Berlin ist nicht entpolitisiert, und es ist auch nicht so, dass Utopien in der Politik keine Rolle spielen. Vielmehr ist es Realität, dass der normale Bürger vor der wahren Politik "geschützt" wird. Er bekommt von ihr schlichtweg nichts mehr mit. Je häufiger er die Tagesschau glotzt, desto weniger versteht er von Politik. Und am Schluss lässt er sich auf dieselben (Selbst-)Betrügereien ein, wie das von allen guten Geistern (zB Wilson - s.o.) verlassene US-Volk.

4.1.2007: SPIEGEL-Affäre:

Es lohnt, in den Nachdenkseiten zu lesen. Dieses Netztagebuch hält heute das Versprechen, was einst der SPIEGEL gegeben hat, nämlich der Wirtschafts- und Politik-Elite kritisch auf die Finger zu schauen und Aufklärung zu betreiben. Leider hat der SPIEGEL nach dem Ausscheiden Rudolf Augsteins journalistischen Selbstmord begangen. Er ist zur BILD am Montag verkommen. Aus diesem Grund warf ich den Link zu SPIEGELonline bereits vor einem Jahr aus meiner Linkliste der Startseite heraus. Man lese http://www.nachdenkseiten.de/?p=1980 * und http://www.taz.de/pt/2006/12/30/a0317.1/textdruck und http://www.nachdenkseiten.de/?p=1981 **- Artikel, die ziemlich genau meine Erfahrungen mit dem SPIEGEL wiedergeben. Ja, man kann diese Erfahrungen auch als reiner Leser machen; man muss nicht der Redaktion angehört haben, um mitzubekommen, was in den Machtzentren Deutschlands geschieht. Immer dann, wenn man sich bei einem Thema selbst einigermaßen gut auskennt, merkt man, wie manipulativ der SPIEGEL ist - wie schlecht er geworden ist.

Meine Befürchtung ist, dass auch die altehrwürdige ZEIT diesem Virus des Intelligenzverfalls erliegt. Es gibt inzwischen Anzeichen einer Erkrankung. Das Immunsystem der ZEIT ist bereits geschwächt. Eine große und sicher gut bezahlte Anzeigenserie deutscher Stiftungen verhinderte kritische Artikel über das Stiftungs-Unwesen in Deutschland. Ich finde auch lange nichts mehr über den Neoliberalismus: was er ist, was er tut, was er versäumt. Kein Artikel beschäftigt sich mit der Diskussion der Willensfreiheit und dem Wesen der Ethik. Was, zum Teufel, ist zB Verantwortungsethik? Keine Grundsatzartikel mehr zu finden. Wollen wir hoffen, dass die ZEIT nicht zur BILD am Donnerstag verkommt!

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4. Januar 2007 um 11:06 Uhr

60 Jahre „Spiegel“: Vom Aufklärungsauftrag zum ideologischen Kampforgan.
Tun Sie etwas für ihre kritische Meinungsbildung. Verzichten Sie so lange auf den Spiegel, bis er wieder der Spiegel ist. In einem Monat NachDenkSeiten finden Sie mehr aufklärende Impulse als in 10 Spiegel-Ausgaben.

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4. Januar 2007 um 11:14 Uhr

Spiegel-Interview mit dem Staatsoberhaupt: Der neoliberale Stammtisch unter sich
Verantwortlich: Wolfgang Lieb | Druckversion | < zurück
Wenn Bundespräsident Horst Köhler, der Chefredakteur des Spiegels Stefan Aust, und der Leiter des Berliner Büros, Gabor Steingart zusammensitzen, dann sind neoliberale „Reformer“ unter sich. Da wird, wie Tom Schimmeck in der taz schrieb, den Schwachen mal so richtig Druck gemacht und den Mächtigen devot am Bauch gekrault. Ein solches Interview hat auch sein Gutes: Unser Bundesaufsichtsratsvorsitzender wird so richtig aus seiner ideologischen Reserve gelockt. Hier ein paar Kostproben.

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