Der
Edelmann
von Hans-Joachim Heyer
8.10.2002
In Anlehnung an Platon und
Aristoteles: Der Edelmann setzt auf Personen als Verkörperung subjektiver
Selbst- und Welttheorien, nicht auf Institutionen, allgemeine Theorien oder
Systeme. Er setzt auf persönliche Bindungen und Treue, nicht auf eine Verfassung.
Er läßt sich nicht repräsentieren. Er hat keine Stellvertreter:
Wenn er für den Krieg plädiert, geht er selber in die Schlacht und
schickt nicht die unmündige Jugend. Bombardierungen sind feige. Er bildet
sich in Mußestunden; Lernen unter Druck ist falsches Lernen. Er hat Zeit,
sich ums Ganze - die Politik - zu kümmern.
Muße: Anstrengung, die höchste Freude bereitet für die
Seele. Ziel: Glücklich sein, statt Glück haben. (Beim Glücklichsein
gibt es kein Übermaß, wohl aber beim Glück haben. Hier liegt
beim Übermaß schon die Wurzel zum nächsten Unglück.)
Politik hat die Aufgabe, einer möglichst breiten Bevölkerungsschicht
Zeit zur Muße zu verschaffen.
Der Edelmann ist souverän:
von allen Fesseln entbundener Wille. Selbstbindung des Willens hebt Souveränität
nicht auf. Der Wert eines Menschen richtet sich danach, wie viel er der Gemeinschaft
mit seinen Tugenden dienen kann - was er für die Gemeinschaft zu leisten
imstande ist. Freiheit ist mehr als Gleichheit. Die Despoten pflegten - um ihre
Macht zu erhalten - das tyrannisierte Volk wie ein Kornfeld zu behandeln, bei
dem alle Ähren, die über das Mittelmaß hinausragten, abgeschnitten
(ermordet) wurden. Die heutigen Despoten nennen selbiges in ihrem Neusprech
"Demokratie". Hier wird nur der zum "hervorragenden "Star",
wer das Mittelmaß anbetet. Die Überragenden der heutigen Zeit sind
Witzfiguren. Hier wird das falsche Prinzip, Gleichheit über Freiheit zu
stellen, nicht durchbrochen. Der Mensch wird nivelliert zum Sklaven. Ein Nivellierter
KANN nichts anderes, als Sklave sein.
Aristoteles schrieb, Despoten und und Volk haben dieselben Neigungen: Sie fühlen
sich von Demagogen, Schmeichlern und Heuchlern angezogen. Warum schmeicheln
und heucheln heute unsere Politiker? - Weil sie Erfolg damit haben beim Volk.
Warum? Jeder dieser Leute würde es ebenso machen wie der Tyrann, ließe
man ihn nur an die Macht. Despoten sind Schafe, die durch mißliche Umstände
zum Hirten wurden.
Der Geist der Allgemeinheit umfängt uns allgegenwärtig. Das sind Folgen gleichmachender Gesetze. Die Menschen werden immer gleichförmiger. Das macht sie schwächer und ersetzbarer: zu Sklaven. Aristokraten suchen die Freuden des Geistes; Sklaven die Freuden des Leibes. Der Edelmann sucht Bedeutungen, nicht nur Fakten. Materielle Wünsche sind nicht stillbar: Sie sind unersättlich. Gier versklavt die Menschen. Der Edelmann sucht Weisheit und Glückseligkeit. Die Tätigkeiten der vernünftigen Teile der Seele führen zur Glückseligkeit. Höchste Vernunft ist Weisheit. Dieser Wunsch nach Weisheit ist stillbar im Erreichen der Glückseligkeit.
Das Leibliche können auch die Tiere. Um Mensch zu sein, muß man tun, was Tiere nicht können: reine Seelentätigkeit: Beschäftigung mit dem Ewigen. Wer das nicht tut - philosophieren mit dem Ziel der Glückseligkeit - , verfehlt das Leben. Reiche Leute beschäftigen sich zu viel mit Geldmitteln und zu wenig mit dem, was sie mit diesen Mitteln erreichen können: Leben verfehlt. Denn Geld ist ein Mittel, um Ziele, letztlich Glückseligkeit, zu erreichen. Wer keine solchen Ziele kennt - außer dem Scheinziel, noch mehr Mittel zu erlangen -, hat sein Leben verfehlt. Auch arme Leute verfehlen oft ihr Leben. Gut ist die Mitte: Genug Geld haben, um seine Utopie (Mythos) zu realisieren. Utopie ist geistig: Weisheit, Glückseligkeit. Ausübung der Weisheit ist Glückseligkeit. Weisheit beschäftigt sich mit Unvergänglichem; Klugheit mit Vergänglichem. Weisheit betrachtet kein Werden, sondern das Ewige.
Alles beginnt mit Prinzipien. Diese sind nur intuitiv erfaßbar. Man kann sie niemandem beweisen. Weder Religion, noch Philosophie, weder Wissenschaft noch Mathematik sind beweisbar. Jeder hat sich intuitiv auf ein Prinzip eingelassen. Dieses Prinzip ist das Fundament seiner als real erlebten Welt. Die Welten der meisten heute lebenden Menschen sind dermaßen reduziert, daß ich mich wie ein Gespenst unsichtbar zwischen ihren groben Maschen bewege. Wo sie einen einzigen Faden knüpfen zwischen Ursache und Wirkung, liegen in Wahrheit "unendlich" viele Knoten, d.h. das Netz ist um Dimensionen komplexer. In diesem unsichtbaren Netz jenseits des reduzierten sichtbaren finden wir das, was die Physik (ein mentales Modell) ignoriert: Leben, Willen, Bewußtsein, Freiheit.
Aristokraten sind Philosophen;
Herdenmenschen und Sklaven sind Wissenschaftler. Warum? - Weil Philosophien
immer an einzelne Personen geknüpft sind: Es gibt eine Philosophie von
Platon, Aristoteles, Thomas von Aquin, Leibniz, Kant, Hegel usw. Aber es gibt
nur eine Wissenschaft, denn es gibt nur eine wissenschaftliche Methode. Diese
unterscheidet sich von Philosophie dadurch, daß ihre Aussagen prinzipiell
von jedermann empirisch "prüfbar" ist. Philosophische Aussagen
mögen höchst plausibel sein, sind aber nie empirisch prüfbar.
Deshalb bleiben sie an Individuen gebunden; wissenschaftliche Aussagen lösen
sich vom Individuum ab und bilden ein gemeinschaftliches Feld, das ihre Mitglieder,
die Wissenschaftler, auf einheitliches Denken gleichrichtet: auf ein Herdenbewußtsein.
Wissenschaftler denken nicht individuell. Sie erleben ihre Gedanken nur individuell,
aber die Methode determiniert ihre Gedanken. Sie sind Sklaven ihres empirischen
Systems; die Philosophen sind Herren ihres Denkens.
Das hat Folgen für die empirisch erlebte materielle Welt, in welcher aristokratische
Philosophen und Wissenschaftler zu leben glauben: Die Außenwelt des Wissenschaftlers
wird immer größer, siehe Urknalltheorie - und die Welt des Philosophen
wird immer kleiner: Spiegel seiner Seele. Sein Geist umfängt sein Weltall.
...
13.6.2002: Kants Kategorischer Imperativ:
"Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als
Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne."
Kant ging wie die antiken Philosophen davon aus, daß das höchste
Ziel menschlichen Strebens Glückseligkeit sei. Der Kategorische Imperativ
beschreibe keinen Weg zur Erlangung derselben, wie ihn antike Philosophen suchten,
sondern ein Weg, um für die Glückseligkeit würdig zu werden.
Wer nach Lust und Laune handele, handele nicht frei, wie viele meinen,
sondern nach Naturnotwendigkeit (Instinkt)!
Freiheit, Autonomie, erlange nur derjenige, der den Willen hat, sich dem selbstgemachten
Gesetz zu unterwerfen.
Pflicht ist die Achtung vor diesem Gesetz, dem Kategorischen Imperativ.
Dieses höchste moralische Gesetz ist nicht abgeleitet zB aus menschlicher
Erfahrung. Würde man empirische Erfahrung mit dem Menschen in das moralische
Gesetz einfließen lassen, würde man mit der Moral bloß menschliches
Verhalten sanktionieren: Böses u.U. gut lügen! Der Kategorische Imperativ
hat keine Begründung; es ist Anfang der Moral: absolut.
Tugend: Die Gesinnung der Achtung vor dem Kategorischen Imperativ.
Zusatz für Zauberer: Er erkennt den Zusammenhang allgemeiner Gesetze und
seiner subjektiven Maximen. Bei ihm als Kreator fließen beide ineins -
wie beim Kategorischen Imperativ, wo Maxime und Gesetz eins sind. Der Kat. Imperativ
leitet quasi die Wiederverzauberung der Welt ein - für den, der sich daran
zu halten versteht.
16.6.2002: Glückseligkeit:
In der heutigen Vorlesung des Dr. W. Patt (von dem ich schon so viel über
Kant oder edles Leben lernte) lernte ich, daß Kants Glückseligkeitsbegriff
von meinem Gebrauch dieses Wortes noch etwas abweicht, bzw. daß meine
"Definition" bisher unklar war. Nach Kant ist Glückseligkeit
ein Naturbegriff (für mich war G. eine Beschreibung der transzendentalen
Seele). Glückseligkeit sei innerhalb der Natur zu finden und nicht etwa
transzendental. Dr. Patt behandelte die Frage, was einträte, wenn Glückseligkeit
bei einem Menschen sich einfände: Dieser Mensch würde zugleich in
der Natur und unabhängig (autonom) von ihr sein. Diese scheinbare Paradoxie
ergäbe sich daraus, daß Glückselige Freiheit und Natur, bzw.
Seele und Leib, in sich vereinigten. Der Glückselige ist autonom, weil
er nach eigenem Gesetz lebt und weil er gleichzeitig nicht im Widerspruch zur
Natur lebt.
Wie ist das möglich? Meine Antwort: Es ist möglich, weil der Glückselige
seine eigene Natur erschafft.
18.6.2002: Ersetzung des Wortes "Tyrann" durch "Despot", da Tyrannen nach Def. der alten Griechen auch die "guten souveränen Alleinherrscher" waren; "Despoten" nannten sie zur Herrschaft Gekommene aus dem Pöbel. (So in Etwa verstand ich Hern Dr. W. Patt in einer seiner Vorlesungen)
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