Webtagebuch 4

 

Die verstörte Gesellschaft
Atemlos

Nicht mehr Herr im eigenen Haus
Die fünfte Gewalt
Ich komme aus dem Traum
Die fünfte Gewalt
Die geschundene Kreatur
Die Frau, die den Staat abschafft
(ohne Kommentare)

Die verstörte Gesellschaft
von Hanjoheyer @ 2006-01-24 - 13:02:55
In diesem Artikel von Wilhelm Heitmeyer in der ZEIT vom 15.12.05 (Politik) finde ich volle Bestätigung meiner Thesen.

H. konstatiert den Kontrollverlust der Politik gegenüber der Wirtschaft und den damit verbundenen Abbau der Demokratie, des Sozialen und Moralischen. Die Logiken und Maßstäbe des Kapitalismusses setzen sich gegen den Willen aller Beteiligten und Unbeteiligten durch und verursachen eine Verstörung in der Seele des Menschen.

"Eine losgelöste Moral bei den Eliten 'oben' dient dazu, die Bevölkerung einzuschüchtern."

... In ihrer Regierungserklärung hat Angela Merkel die Losung 'Mehr Freiheit wagen' ausgegeben. Aber die aktuellen Verhältnisse, auf die dieser Leitspruch gemünzt ist, sind angstbesetzt. Davon wird auch die Freiheit infiziert: Sie wird vielfach verstanden als Freiheit von verantwortungsbewußten ökonomischen und sozialen Logiken, die lange als Maßstab galten, immer häufiger sogar als Freiheit zu sozialen Abwertungen und Ausgrenzungen."

Obwohl ich den Artikel unbedingt für lesenswert halte, möchte ich anmerken, daß er mir nicht weitgenug geht. Heitmeyers Kritik ist saft- und kraftlos, weil sie das große Tabu, von dem ich noch schreiben werde, nicht anrührt.

Heitmeyer sieht die Lösung des Problems wie folgt:

"Gefährlichen Verstörungen in den berichteten Ausmaßen ist nur mit überzeugenden Visionen engegenzuwirken...", aber um welche Visionen es sich handeln könnte oder müßte, läßt er offen.

Was nützen Visionen, wenn man sie gegen die Realität stellt? Zuerst einmal müßte dem Leser klar gemacht werden, daß die sogenannte Realität auch bloß eine Vision ist. Das geht leider nicht ohne Metaphysik. Und weil Heitmeyer von Metaphysik nichts versteht (oder sie verschweigt), bleiben seine Visionen leer und kraftlos. Die Kapitalisten können fast ungestört weitermachen wie gewohnt.

Um eine tragfähige Vision haben zu können, muß das große Tabu, das die Menscheit gefangenhält und am Denken und Tun des Neuen hindert, gebrochen werden. Tabuisiert ist die wahre Metaphysik, also jene Philosophie, in welcher die Physik als geistiges Modell und nicht als Grundlage des Geistes erkannt wird.

Die Physikalisierung des Geistes ist derart fortgeschritten, daß kaum noch Hoffnung besteht. Gerade gestern war wieder einmal (in SWR III) die Willensfreiheit großes Thema, und wieder einmal wurden Benjamin Libet und Gerhard Roth bemüht, also die derzeit wichtigsten Protagonisten der Nichtexistenz der Willensfreiheit. Ohne Willensfreiheit gibt es keine Steuerung und ohne Steuerung keine Kontrolle des Kapitalismusses. Da es im Physikalismus nichts Absolutes gibt, ist Moral verhandelbar. Also setzt man viel Geld ein, eine Moral zu entwerfen, die den Reichen, den Sklaventreibern, genehm ist. Mit Geld fördert man dann zB einen Peter Sloterdijk, der nun aus purer Dankbarkeit verkündet, sein neues Werk sei "nichtmetaphysisch und nichtholistisch", also physikalistisch, womit bewiesen ist, daß er das große Tabu nicht gebrochen hat. Er durfte Professor und Talkshowmoderator werden.

In einem großangelegten Artikel der ZEIT durfte sich der amerikanische Biologe David Sloan Wilson ("Vom Nutzen der Frommen" ("Wissen" v. 21.12.05)) ausbreiten. Auch dieser Artikel achtet strikt das große Tabu. Religion wird von Wilson als Steuerelement der Gesellschaft gesehen. Sie wurde angeblich von der Elite der Gesellschaft erfunden*, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. Religionen haben sich evolutionär entwickelt. Religiöse Gesellschaften seien gegenüber nichtreligiösen im Kampf ums Überleben im Vorteil gewesen, denn gemeinsam ist man stärker, als eine Menge egoistischer Einzelkämpfer.

Nun warte ich gespannt auf einen ZEIT-Artikel, der sich kritisch solchen metaphysikfreien Religionskritike(r)n widmet. Warum läßt die ZEIT es zu, daß Artikel über Religionen veröffentlicht werden, von Menschen geschrieben, die absolut keine Ahnung vom Geist haben?

Was nützen uns metaphysikfreie Spekulationen über Metaphysik? Ich will es verraten: Sie sind nützlich als Nebelkerzen, um den möglichen weiten geistigen Horizont des menschlichen Verstandes einzuengen.

siehe auch www.hanjoheyer.de/Libet.html

* falsch! Selbstverständlich hat die sich im blinden evolutionären Prozeß herausgearbeitete Elite keinerlei Steuerungsmittel zur Hand, da auch ihr Denken und Handeln von der Evolution höchtpersönlich zur totalen Willenlosigkeit determiniert wurde.

Kowalski [Besucher]

25.01.06 @ 16:55
Hi Jo,

Du schreibst:

„Religion wird von Wilson als Steuerelement der Gesellschaft gesehen. Sie wurde angeblich von der Elite der Gesellschaft erfunden, um die Gesellschaft zusammenzuhalten.“

# Es dürfte an dieser Stelle von Interesse sein, dass dieser Herr Wilson lediglich eine Ideen des französischen Philosophen Henri Bergson (1859 – 1941) aufwärmt. Bergson ist in der Tat der Erfinder einer ‚metaphysikfreien Metaphysik’, die er ‚voluntative Intuition’ oder auch ‚Intuitionismus’ nannte. Nach Bergson lassen sich Religionen in zwei Gruppen einteilen: eine ist ‚psychologisch’ und die andere ist ‚soziologisch’. Dabei geht es letztlich immer um die soziale Kontrolle und die Gewährleistung des Gruppenzusammenhangs durch eine Art ‚kollektives Unbewusstes’. Religionen, die zur psychologischen Gruppe gehören, sind nach Bergson ‚dynamisch’ und ‚offen’. Religionen, die zur soziologischen Gruppe gehören, sind ‚statisch’ und ‚geschlossen’. Für Bergson sind ‚dynamische’ und ‚offene’ Religionen überlegen, da sie keine ‚ewigen Wahrheiten’ [= Metaphysik] kennen, sondern sich ständig wandeln. Während die ‚statischen Religionen’ für Bergson aus nichts als ‚Mythologien’ und ‚Geschichten’ bestehen, muss man sagen, verdienen seine ‚dynamischen Religionen’ den Namen Religion überhaupt nicht, denn in ihnen gibt es weder Dogmen noch Moralgesetze. Ausser eine vage ‚Religiösität’, basierend auf ‚Sentimentalität’ und ‚Humanität’, und einer konfusen Aspiration auf ‚Ideale’ irgendwelcher Art, ist hier nichts zu finden.

Gruss,

Kowalski

Hanjoheyer [Mitglied]
26.01.06 @ 10:39

Hallo Kowalski,

ich erlebte die Folgen der Tabuisierung der Metaphysik an der Uni Mainz hautnah. Selbst unter Philosophie- und Theologiestudenten fand ich kaum einen, der Metaphysisches NICHT physisch verstand: Fast alle Professoren und Studenten, mit denen ich sprach, suchten die Metaphysik in den physikalischen Hirnfunktionen!!! Anfangs gab ich mir noch Mühe, redete mir den Mund fusselig, aber ich hatte keine Chance, auch nur ansatzweise verstanden zu werden. Letztlich siegte bei allen der Gedanke, daß Gedanken - und damit der Geist - irgendwo und irgendwie im Gehirn entstehen. Dieser Gedanke überdeckte alle von mir induzierten Einsichten, die schnell dahinschmolzen wie Butter in der Pfanne.

Auch auf anderen Gebieten beobachte ich diese eklatanten Bedeutungsverschiebungen in der Sprache, die ich von Orwells "1984" her kenne. In diesem Roman wurde von der Regierung das "Neusprech" eingeführt, um die Menschen zu verwirren und zu versklaven.

"Freiheit" wird zunehmend als die Freiheit der Unternehmer (zur Unterdrückung aller anderen Menschen) verstanden. Die Bewegung "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSW) http://www.insm.de/index.jsp betreibt den Abbau des Sozialen Gedankens. Sozial ist für diese Initiatoren das Asoziale, nämlich das gesetzlose Agieren der Kapitalisten mit der Verbreitung der Hoffnung, daß von der auf diese Weise gestärkten Wirtschaft genügend Krümel für die Armen abfallen werden.

Auch durch den Trick, nicht die realen Gegner ihrer (schlechten und schlimmen) Ideen zu bekämpfen, sondern ausgewählte noch schlechtere Ideen, denen man denselben Namen gegeben hat, wird diese Sprachverwirrung fortgesetzt.
So werden im veröffentlichten Streit nicht die realen Gegner der Evolutionstheorie widerlegt, sondern die leicht zu widerlegenden bibeltreuen Kreationisten. Die realen Gegner schweigt man lieber tot und man verhindert hinter den Kulissen deren Karrieren. Und die Kirche mischt kräftig mit. Sie stellt sich bewußt auf die Seite der falschen Kreationisten, um den Evolutionisten zum Sieg zu verhelfen: Nie würde sich ein Papst oder ein Bischof die Argumente der wirklich intelligenten Kreationisten zu eigen machen.

Es lohnt sich, darauf zu achten, welches Wort von Politikern häufig in den Mund genommen wird. Diesen Wörtern soll der Inhalt ausgetauscht werden.

So liest man in letzter Zeit viel über "Pisa" und die Bildungsmisere. In einer groß angelegten "Excellenz"-Initiative ( http://www.welt.de/data/2005/06/15/732119.html )will man nun die Bildung des Volkes wieder auf Vordermann bringen. In Wahrheit ist das Gegenteil gemeint: Man will keine Bildung; man will sie ersetzen durch reine Berufsausbildung, was das GEGENTEIL von Bildung ist. Also muß die deutsche Universitätslandschaft, die noch auf den Idealen Humboldts fußt, umgekrempelt werden. Die Studenten sollen verdummt werden, und "Bildung" nennen sie das Kind. Heute las ich in den Nachdenkseiten:

"24.01.2006
Die Vernetzung der Bildungspolitik mit privaten Interessen
Auch im Bildungswesen vernetzen sich zunehmend Wirtschaftsverbände, wirtschaftsnahe Stiftungen und PR-Agenturen mit staatlichen Institutionen und liefern die „Reform“- Konzepte und mehr und mehr sogar Bildungsinhalte. Die Zielsetzung ist durchgängig darauf ausgerichtet, interessenbezogenen, wirtschaftsnahe Wertvorstellungen auf das Bildungswesen zu übertragen. Carsten Lenz und Christine Wicht gehen solchen Netzwerken zwischen Wirtschaft und Schule nach und beschäftigen sich mit den Bildungsinhalten, die dabei vermittelt werden sollen. (WL)" ...

Der Unterschied zwischen Bildung und Berufsausbildung ist genausogroß wie zwischen Freien und Sklaven.

Atemlos
von Hanjoheyer @ 2006-02-28 - 12:30:59
In der Besprechung des Buches "Beschleunigung" des Jenaer Soziologen Hartmut Rosa stellt ZEIT-Redakteur Thomas Assheuer Rosas Thesen vor, die mich sehr an den Baseler Professor Hermann Lübbe erinnern. In meiner HP www.hanjoheyer.de/Werkstatt2.html schrieb ich über Lübbe:

"Im Gegensatz zum Aufblähen gibt es die "Gegenwartsschrumpfung". Dieser Begriff stammt vom Baseler Philosophen Hermann Lübbe („Im Zug der Zeit - verkürzter Aufenthalt in der Gegenwart“. Berlin/Heidelberg 1992), der zeigt, daß die Menschen zunehmend zugleich vergangenheits- und zukunftsorientiert leben würden und immer weniger in der einzig wahren Gegenwart. Die Menschen flüchten (denkend) in Zukunftserwartungen und Nostalgieträumen (denken nicht mehr übers Denken). Dadurch würde die lebendige Gegenwart schrumpfen, bis hin zum Tod der geschrumpften Seelen der Menschen."

Rosas Zeitdiagnose steht der Diagnose Lübbes diametral gegenüber. Lübbe diagnostiziert in der Moderne die Auflösung des Ganzheitlichen zugunsten eines Zeitpfeiles. Die Gegenwart, die Im Gegensatz zu Vergangenheit und Zukunft, die beide keine Realität aufweisen (die Vergangenheit existiert nicht (mehr); die Zukunft existiert (noch) nicht) tatsächlich existiert, schrumpft bei der Unterwerfung der menschlichen Seele unter das Weltmodell des Zeitpfeiles. Dadurch verdinglicht die Seele des Menschen, werde zum toten Roboter.

Rosa argumentiert, daß sich in der Moderne dieser Zeitpfeil in der Gegenwart auflöse. Die Gegenwart schrumpfe nicht, sondern expandiere. Und das habe fatale Konsequenzen. "Nicht Macht, nicht Geld, sondern Beschleunigung regiert die Welt" heißt es im Untertitel.

Der Mensch verlöre seine klare Zukunftsperspektive. Da er die Zukunft nicht kenne, entscheide er erst im letztmöglichen Augenblick, er lasse sich nicht mehr auf stabile dauerhafte Bindungen ein. Ehepartner, Beruf - alles Provisorien: er sei nicht mehr Bäcker, sondern arbeite (seit zwei Jahren) als Bäcker. Es lassen sich in einer Welt des steten Wandels keine Wurzeln schlagen. Die Zeit sei nicht mehr Rahmen einer (stabilen) Welt, sondern sei zum Teil der Welt selbst geworden. Der Kapitalismus sei bei diesem Prozeß der Zeitauflösung maßgeblich und ursächlich gewesen, weil er die Zeit als Produktivkraft vereinnahmte: Wer schneller ist, gewinnt! Auf diese Weise macht sie Geld aus Zeit. Die Zeit (der Zeitpfeil) wird also in Kapital umgewandelt und veschwindet als Zeit. Der Zeitverlust zeigt sich als Beschleunigung.

Ich hoffe, ich habe Rosas Thesen richtig wiedergegeben.

Mein Kommentar: Lübbe hat ganz und Rosa nur zur Hälfte recht.

Wir erleben eine Beschleunigung nicht, weil sich der Zeitpfeil auflöst, sondern weil er sich immer schärfer herausbildet. Der Mensch verliert sein zeitlos/ewiges Bewußtsein, also seinen Maßstab, an dem er die Zeit erlebt, weil er sich dem Zeitpfeil unterwirft. Wer Genaueres erfahren möchte, lese meine HP www.hanjoheyer.de und/oder nehme einen (bezahlten) E-Mail-Kontakt mit mir auf.

Nützliche Lektüre zum Thema: Friedrich Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie

Kowalski [Besucher]

28.02.06 @ 13:44
Hi Jo,

ich habe die folgende Überlegung anzubieten:

Die ‚Gegenwartsschrumpfung’ ist Symptom eines veränderten Zeitgefühls, welches – man kann es bei sich selbst beobachten – auf ein verändertes Körpergefühl zurückzuführen ist. Ein Mensch, der sich seines eigenen Körpers, besonders seiner Atmung, bewusst ist, kann weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft leben, sondern bleibt zentriert im ‚Jetzt’ und das heisst letztlich nichts anderes, als dass er seinen Körper bewusst fühlt. Die ‚lebendige Gegenwart’ lösst sich gleichermassen auf, indem der Mensch sein Körpergefühl, seine Präsenz, seine Gegenwärtigkeit verliert und in den ‚Kopf’ flüchtet.

Der Verlust des Körpergefühls geht jetzt Hand in Hand mit der seelischen Schrumfpung, denn ein Mensch, der seinen Körper nicht mehr spürt, verdammt diesen zu einer Maschine! Daher sind beide Zeitdiagnosen –Rosas und Lübbes – an und für sich richtig. Es ist eine einfache Beobachtungstatsache, dass die Natur einem zyklischen Zeitmodell gehorcht: Tag/Nacht, vier Jahreszeiten, Ebbe und Flut, die Periode der Frau etc. Auch der menschliche Körper gehorcht dem zyklischen Zeitmodell: Wachen und Schlafen; die Verdauuungstätigkeit etc. Die Unterwerfung der Seele unter das lineare Zeitmodell ist das ganz eigentliche Problem und darin besteht die Verdinglichung derselben! Diese Verdinglichung lässt sich aber nur bis zu einem bestimmten Grade erreichen, da ja der Körper und die Natur nach wie vor dem zyklischen Zeitmodell gehorchen und nicht wie eine Maschine linear funktionieren, kann man die Verdinglichung der Seele nur so weit treiben.

Das Phänomen der Beschleunigung ergibt sich zwangsweise aus dem linearen Zeitmodell. Allerdings verwechselt Rosa Ursache mit Wirkung. Die Beschleunigung ist nicht Ursache, sondern Wirkung, deshalb ‚regiert’ die Beschleunigung auch nicht die Welt, sondern ergibt sich zwangsweise aus anderen Faktoren, wobei es ein leichtes ist, sich diese Faktoren bewusst zu machen. Man muss sich nämlich nur einmal fragen, was denn das eigene Leben ‚beschleunigt’?! Das ökonomische System und gerade der Zins (v.a. die Idee des Zineszinses) sind die Kinder des linearen Zeitmodells und können leicht als die treibende Kraft hinter der Beschleunigung des modernen Lebens erkannt werden, wenn man sich die Mühe macht, einmal kurz darüber scharf nachzudenken und nicht bei Halbwahrheiten – so wie Rosa es tut – stehenbleibt. Aber auch das ist wohl nur der Ausdruck eines Zwanges, denn Rosa muss (will) Geld verdienen und hat ‚Karrierepläne’. Es ist daher verständlich – aber nicht entschuldbar – dass unsere Soziologen sich nur mit Wirkungen beschäftigen und die Ursachen lieber im Unbewussten lassen.

Daher kann ich mir Deines Kommentares anschliessen: Lübbe hat ganz und Rosa nur zur Hälfte recht, wobei ich zusätzlich auf den Zusammenhang der Gegenwartschrumfpung mit einem veränderten Körpergefühl des modernen Menschen hinweisen wollte, welches aus einer Negation der zyklischen Natur der Zeit resultier, was dann einher geht mit einem Verlust des ‚Gefühls der Ewigkeit’.

Beste Grüsse,

Kowalski

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
28.02.06 @ 15:15

Hallo Kowalski,

du hast völlig recht!
Ich hatte mir sogar vorgenommen, die Sache mit dem Zins zu erwähnen, aber dann hatte ich es schlichtweg vergessen!

In www.hanjoheyer.de/Kapitalismus.html schrieb ich:

"Und wie entstehen Zinsen? - Sie entstehen, wie oben schon gesagt, weil der Prozeß des Wirtschaftens Zeit verbraucht, Zeit, die Geld kostet. Warum kostet Zeit Geld? Des Verfalls wegen: Der Mensch - Arbeiter - muß ständig Geld ausgeben, um zu leben. Das ist die sog. 'Urschuld' (s.S. 93). Und alle Güter nützen sich ab - außer Gold. Der Debitismus würde reibungslos funktionieren, wenn er zeitlos ablaufen könnte, bzw. wenn der Fabrikant ewig auf den Gewinn warten könnte. Und hier setzt Martin bei seinem Versuch, sein geliebtes System zu retten, an: Er meint, man müsse den Zeitverbrauch bloß gegen Null führen, und schon sei die sonst zwangsläufige Katastrophe zu vermeiden. Wie schmiert man die debitistische Maschine? Indem man den bremsenden Staat ausschaltet. Der Staat mit seinen Gesetzen, Steuern, Subventionen, Staatsschulden und vor allem mit seinen Beamten kostet dem Debitismus viel Zeit, ergo viele Zinsen.

Martin will den Kapitalismus, bzw Debitismus retten, indem er ihn beschleunigt! Dies genau ist sein Denkfehler, der ihn in die gleiche Ecke verweist, in die er alle anderen Wirtschaftswissenschaftler gestellt hat: in die Ecke der Irrenden! Eine Beschleunigung des Systems bringt nämlich nichts anderes, als einen beschleunigten Zwang, neue Schuldner finden zu müssen. Solange dieses Problem nicht dahingehend gelöst wird, daß der Kapitalismus nicht mehr neue Schuldner finden muß, ist jede Beschleunigung des Kapitalismus/Debitismus nichts als eine Beschleunigung seines Untergangs!"

Da haben wir's wieder mit der Beschleunigung!

Vielen Dank für deine Anmerkung!

jo

[Besucher]

28.02.06 @ 23:01
Die Beschleunigung ergibt sich aus der Angst vor dem Sterben, die natürlich auch erst eintritt wenn ein linearer Zeitbegriff gebildet wurde und den absoluten Zeitbegriff der Moment/Ewigkeit überdeckt (was sinnigerweise nur durch logisches, wenn auch zumeist unterbewußtes Denken möglich ist)

Die drohende Katastrophe der eigenen Vernichtung in der Zukunft ist nicht aufzuhalten, da zwangsläufig gegeben (Zyklus). Was man aber versuchen kann, ist in der verbleibenden Zeitspanne möglich viel, und möglichst mehr Erfahrungen unterzubringen als derzeit gemacht werden. Wir fangen an quantitativ zu denken und "zählen" Erfahrungsmomente, und beschleunigen sie um dahinter noch andere erleben zu können. Die Qualität und Tiefe der Erfahrungen nimmt zwangsläufig ab, was wiederum eine Leere entstehen lässt, die durch noch schnellere Beschleunigung gefüllt werden soll, bzw. zu div. psychischen Erkrankungen führt.

Blöderweise führt die Beschleunigung des Lebenswandels und das unbedingte Unterbringen von allen möglichen nur kurz angerissenen Erfahrungen aber auch zu einem statistisch gesehen schnelleren Tod. Entschleunigung wäre hier das richtige Mittel, aber im Grunde genommen muss man das Problem bei der Wurzel packen und den Zeitbegriff als solchen kritisieren. Dieser erscheint umso quantitativer und objektiver umso exakter die Uhren werden, die die Zeit psychologisch gesehen nicht "messen" sondern erst definieren.

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
01.03.06 @ 11:46

Hallo mind-it,

ich stimme mit dir überein außer mit dem eingeklammerten Wort "Zyklus", das m.E. nicht in den Text paßt.

Die Angst vor dem Tod entsteht erst dann, wenn der Zyklus durch lineares Denken (Zeitpfeil) aufgebrochen ist. Und dann treten die Folgen ein, wie du sie beschrieben hast: Man will möglichst viel erleben, dabei geht die Erlebnistiefe verloren, alles wird Oberfläche, bis alle Substanz weg ist. Übrig bleibt eine unendliche Leere der Bewußtlosigkeit.

Wer die Zeit und sich selbst zyklisch sieht, braucht keine Angst zu haben, denn dem Ende folgt ein neuer Anfang. Man hat die Ewigkeit. Man kann sich Zeit lassen. Kein Erlebnis läuft einem davon. Man kann seine wenigen Erlebnisse tief auskosten, kann sein Leben vertiefen und neue Qualitäten entdecken. Man gewinnt Fülle und Bewußtsein ...

Unter dieser zyklischen Zeit gibt es noch eine weitere Zeitform, die Ewige Gegenwart. Wer diese Zeitform gefunden hat, dem ist alles Leben. Den Tod gibt es nicht. Er ist eine bloße Abwesenheit. Die Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt fällt weg. Auch Vergangenheit und Zukunft sind jetzt.

Nicht mehr Herr im eigenen Haus
von Hanjoheyer @ 2006-03-01 - 13:05:51
ZEIT Nr.5, Literatur, 26.1.2005

Jens Jessen beschreibt in diesem Artikel, wie die Öffentliche Hand Staatseigentum, also UNSER Eigentum, an Privatunternehmen verscherbelt und damit unsere Staats- und Rechtsform untergräbt. Der Staat betreibt, ohne den Souverän zu befragen, seine Selbstauflösung gemäß der Doktrin des Neoliberalismusses.

Dabei fing man ganz unten an, bei den Tempeln des Pöbels, den Fußballstadien. Der Name des Volksparkstadions in Hamburg wurde an AOL verkauft. Das Stadion heißt nun AOL-Arena. Das Niedersachsenstadion in Hannover heißt nun AWD-Arena, die Arena auf Schalke in Gelsenkirchen heißt nun Veltins-Arena, das neue Stadion in München heißt Allianz-Arena, das Waldstadion in Frankfurt Commerzbank-Arena.

Jessen nennt diesen schleichenden Prozeß eine "Enteignung der Sprache", eine Gehirnwäsche. Dieser Ausverkauf des Staates - und damit des Volkes - wird inzwischen auf allen Ebenen betrieben, und der Bürger zahlt den doppelten Preis: Zwar verdient der Staat beim Verkauf seiner Infrastruktur kurzfristig etwas, aber der Bürger zahlt den Preis, den die Konzerne zahlen, über verteuerte Ware zurück. Zudem verliert er die Kontrolle über das Verkaufte und wird ein zweites mal zur Kasse gebeten.

Die Konzerne nutzen ihren Machtgewinn weidlich aus. Letztlich kostet es sie keinen Cent, wenn sie Energie- und Wasserversorgung, sowie Müllentsorgung kaufen; der Bürger, zum entrechteten Kunden degradiert, muß die Zeche zahlen. Schuld sind die sogenannten Volksvertreter, die das Staatseigentum verhökern und sich persönlich mit hohen Provisionen bestechen lassen. Der Staat verliert jede Möglichkeit, Einfluß zu nehmen. Wenn er Staat - was derzeit im großen Stil geschieht - ganze Stadtviertel und seine Sozialwohnungen an amerikanische Spekulanten verkauft, muß er seine Hartz-4-Opfer in Hotels und anderen teuer erworbenen/gemieteten Immobilien unterbringen. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Sozialwohnungen sind schnell wieder ausgegeben, aber die neu entstandenen Kosten leeren den Staatshaushalt Monat um Monat, Jahr um Jahr.

Der Staat lähmt sich selbst. Schuld sind unsere Politiker. Wenn wir nach dem Verkauf unserer Infrastruktur plötzlich merken, daß es plötzlich nicht mehr möglich ist, zB ernergiesparende Häuser zu bauen - siehe ZEIT vom 26.1. "Selbst ist der Heizkörper" - weil die Konzerne noch ein paar Jahrzehnte Milliarden mit dem Verkauf von Öl und Gas verdienen wollen, werden die letzten hoffentlich merken, daß wir unsere Menschenrechte und -würde verkauft haben. Um Gas und Öl werden noch fürchterliche Kriege geführt werden. Die Konzerne werden den Gewinn einstreichen; das Volk wird zahlen, mit seinem Leben.

Es gibt eine Macht, die die Menschheit ausrotten will. Daß unsere Politiker in Wahrheit Agenten derer sind, die sie eigentlich kontrollieren sollen, zeigt sich daran, daß diese Marionetten wie Schröder, Merz, Clemens usw. sofort Vorstandsposten in der Industrie annahmen, als sie nach den letzten Wahlen ihre Posten verloren hatten.

Der Raubtierkapitalismus ist weit schlimmer, als die Vogelgrippe. Er bereitet uns die Hölle. Das möchte ich mal ganz nüchtern prophezeihen.

3.3.06: Siehe auch http://www.zeit.de/online/2006/10/lobbyismus

Zitat: ZEIT online, 2.3.2006

Die fünfte Gewalt

Wie Lobbyisten die Prinzipien der parlamentarischen Demokratie unterlaufen Von Thomas Leif und Rudolf Speth

Kowalski [Besucher]

01.03.06 @ 15:32
Hi Jo,

der Mechanismus der staatlichen Selbstenteignung scheint a(a) nicht aufzuhalten zu sein und (b) in eine Art 'Hölle' zu führen, die - interessanterweise - von den meisten Menschen als 'normal' angesehen wird. Ich konnte es selbst nicht glauben, aber ich las kürzlich, dass Phsychologen festgestellt haben, dass Menschen leiden wollen! Viele Menschen scheinen einen Lustgewinn aus ihrem und anderer Menschen Leid zu gewinnen. Es scheint kaum einer daran interessiert zu sein, Dinge 'intelligent' und 'vernünftig' oder 'zum Wohl aller' zu tun, sondern es wird sich immer so verhalten, dass es das 'Leiden' maximiert. Über die Gründe kann man lange spekulieren, aber es ist einfach ein erstaunlicher Mangel an (ethischer) 'Intelligenz' beobachtbar. Wenn man beispielsweise die Tierwelt anschaut, dann sieht man, dass das Verhalten der Tiere hochintelligent ist. Selbst Verhalten, dass uns 'grausam' anmutet, hat einen biologischen Sinn. Nur beim Menschen scheint es so zu sein, dass er vollkommen in die Irre gehen kann - individuell und kollektiv! Wenn ich eines nicht verstehe, dann ist es dieser Wille zur Selbstzerstörung, den ich um mich herum beobachten kann.

Beste Grüsse,

Kowalski

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
01.03.06 @ 16:23

Hallo Kowalski,

ich sehe weniger eine Lust am Leiden im Vordergrund; ich halte sie für sekundär. Primär ist m.E. das künstlich in den Menschen hineingezüchtete EGO, auf das - wie jeder weiß - der Kapitalismus basiert. Zuerst wird der Mensch aus seinem organisch gewachsenen sozialen Umfeld herausgelöst, isoliert (mit der Folge "Angst) und zum EGOisten getrimmt. Der Umgang der Egoisten untereinander wird dann kapitalistisch geregelt. Der Gründervater des Kapitalismus Adam Smith log, aus dem kapitalistischen Handeln der Egoisten würde sowas wie Gemeinwohl resultieren.

Die von dir mir recht konstatierte Lust am Leiden ist Teil des kapitalistischen Egos.

Man muß sich nur einmal vorstellen, wieviele Milliarden allein die Deutschen jedes Jahr für Heizöl ausgeben - alles überflüssige Kosten! Man kann heute Häuser bauen, die keine Heizung brauchen. Aber die Energiekonzerne verhindern dies. Hartmut Hübner, Konstrukteur energiesparender "Passivhäuser" glaubt, es stecke die Lobby der Energiewirtschaft dahinter, daß a) kaum Passivhäuser gebaut werden, daß b) diese Bauweise in der Bevölkerung so gut wie unbekannt ist und daß c) in Zeitschriften wie "Schöner Wohnen" nie darüber berichtet wird.

Die Privatisierung der Renten und des Gesundheitssystems wird zur Folge haben, daß aufgrund der Veruntreuung, die zum Kapitalismus gehört, wie das Amen zur Kirche, das Volk auch hier zwar in die Kassen einzahlen darf, aber nichts mehr herausbekommt. WER will die Privatversicher daran hindern, ihr Vermögen an der Börse - gegen höchste Provisionen - zu verspekulieren? Geldwäsche - Verschleierung illegalen Einkommens - gehört schließlich auch zum Kapitalismus.

Doch es gibt Hoffnung, und zwar aus Südamerika. In "Die Achse des Guten" (ZEIT Nr. 5., 26.1.06) zeigt Thomas Schmid, daß in Südamerika auf Druck der USA der Neoliberalismus viel früher als bei uns eingeführt wurde und dort inzwischen erbärmlich gescheitert ist. "Das neoliberale Modell ist gründlich diskreditiert" heißt es in diesem Artikel.

Wünschen wir den Führern der lateinamerikanischen Staaten alles Glück der Welt, auch wenn in unseren Zeitungen, sind sie erst einmal alle neoliberalisiert, stehen wird, sie seien korrupt. Selbst in diesem Artikel der ZEIT heißt es, der neue Präsident Venezuelas, der Indio Chavez, würde Geld unters Volk bringen, aber der Autor diskreditierte diese Geschenke abwertend als Almosen. Das hätte nicht sein müssen. Wir müssen wachsam sein, damit aus der ZEIT mit der Zeit keine BILD wird.

2.3.06. Dazu paßt: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,403755,00.html und
http://www.taz.de/pt/2006/02/11/a0100.1/text.ges,1

viele Grüße
jo

Chris [Besucher]

01.03.06 @ 19:18
Hallo Jo,

du schreibst:

Hartmut Hübner, Konstrukteur energiesparender "Passivhäuser" glaubt, es stecke die Lobby der Energiewirtschaft dahinter, daß a) kaum Passivhäuser gebaut werden, daß b) diese Bauweise in der Bevölkerung so gut wie unbekannt ist und daß c) in Zeitschriften wie "Schöner Wohnen" nie darüber berichtet wird.

Das bestätigt genau das, was ich gestern abend in "Vogelgrippe 2" geschrieben habe, nämlich daß Neuerungen, die den allgemeinen Lebensstandard erhöhen, nicht als "Innovationen" gelten, während eine "Erfindung", aus der die Bosse auf Kosten hunderttausender von Menschen und Tieren Profit schlagen können, als innovativ gilt.

Viele Grüße,

Chris

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
02.03.06 @ 11:38

Hallo Chris,

im Grunde gilt den Bossen fast alles, was Material und/oder Energie spart, als rückständig. Verschwendung von Ressourcen ist nach deren Logik die größte Innovation.

Öl hatten wir schon. 80 % ist reine Verschwendung.

Das Patent für eine Glühbirne, die nie durchbrennt, liegt bei Osram im Safe. Die heutigen Energiesparbirnen halten auch nicht mehr länger, als normale Glühbirnen (früher hielten sie 10 mal so lange). Schuhe hielten früher mindestens 20 Jahre, heute nur noch ein Jahr. Welch Innovation!
Autos werden so konstruiert, daß sie nach zehn Jahren auseinanderfallen; man hätte sie auch so konstruieren können, daß sie 50 Jahe halten. Man hätte zudem zB vom Fernseher bis zum Komputer eine Modulbauweise wählen können, bei der man defekte oder veraltete Teile leicht hätte austauschen können. Echte Inovationen auf diesem Gebiet verschwanden sehr schnell wieder vom Markt. Die Industrie hat fast überall den Reparaturservice heruntergefahren; die Leute sollen die defekten Geräte wegschmeißen und neue kaufen.
Müllrecycling kam erst sehr spät in Mode, ebenso alternative Enegiegewinnung. Gepuscht wurde hingegen aus rein militärischen Gründen die unglaublich teure Atomenergie, die künstlich billiggerechnet wurde. Windkraft- und Solarenergie wird hingegen heute noch als zu teuer hingestellt - nachdem man künstlich für Verteuerung gesorgt hat.

An Beispielen wie diesen sieht man deutlich, daß wirtschaftliche Interessen nicht identisch sind mit der Vernunft, obwohl es heute immer so dargestellt wird. Selbst Lernanstalten wie Universitäten werden heute der Logik der Wirtschaft unterstellt: wenn nur noch geforscht wird, was sich rechnet, wird das Wissen und Denken der Menschen ökonomisiert. Daß das Erfolg hat, sehe ich daran, daß die Wissenschaftselite sichtbar zu verblöden beginnt. (Während einer philosophisch/wissenschaftlichen Sendung gestern in Bayern alpha über das Thema "Ursprung des Universums" hatte ich aufgrund des unglaublich niedrigen Niveaus die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Weitere Beispiele für professorale/professionelle Verblödung sind zB in www.hanjoheyer.de/Philosophie.html aufgeführt.) Man begründet die Vernunft der Ökonomie gern mit der Evolutionstheorie, die ja nix anderes ist, als eine ökonomische und kriegerische Theorie, also eine Theorie der Bosse und Bonzen.

Siehe auch Eintrag "Wirtschaft und Vernunft" vom 17.2.

jo

Kowalski [Besucher]

02.03.06 @ 13:31
Alles richtig! Ich könnte auch noch dutzende Anekdoten aus den verschiedensten Lebensbereichen anführen, die diese Sichtweise der Dinge untermauern. Nur so viel: Meine Schwester lebt in den USA und ist schwanger. Sie hat jetzt herausgefunden, dass praktisch niemand an einer gesunden Mutter, einem gesunden Kind und einer 'einfachen' Geburt (frei von Komplikationen) interessiert ist, weil damit nichts zu verdienen ist: keine Spritzen, kein Kaiserschnitt, keine langwierigen Krankenhausaufenthalte, keine künstliche Babynahrung etc.

Das Richtige, Gesunde, Normale hat keine Lobby, weil damit nichts zu verdienen ist! Das muss man sich nur einmal voll bewusst machen. Sobald eine Gesellschaft von der neoliberalen Ideologie (und nicht 'Idee') verseucht ist, verschwindet das Richtige, Gesunde und Normale ganz automatisch, weil es nur den einen Massstab gibt: 'Rechnet es sich'?

Dieser Adam Smith Blödsinn (Eigennutz schafft Gemeinnutz) --- Ich muss zugeben, dass mich das nervt. Mich nervt die Blödheit der Leute. Ich kann ja verstehen, dass die Leute resignieren: Wir sind machtlos. Was sollen wir gegen die Lobbyisten ausrichten?! Aber zumindest klar denken kann man üben! Wenn man schon im Gefängnis sitzt, dann bitte schön lasse man sich doch nicht einreden, dass es sich um ein 5-Sterne Hotel handelt, in dem man ein gern gesehener Gast ist!

Beste Grüsse,

Kowalski

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
03.03.06 @ 18:14

Hallo Kowalski,

bei "Slowly" (siehe "Links") fand ich heute ein passendes Zitat von Brecht:

"Die Erfindungen für Menschen werden unterdrückt, die Erfindungen gegen sie gefördert"

[Besucher]

02.03.06 @ 21:19
Es gibt eine Macht, die die Menschheit ausrotten will.

Ich würde nicht sagen ausrotten (sonst wären wir schon weg, Gelegenheiten gab es genug), aber kontrollieren und in eine ganz bestimmte Richtung lenken. Es fängt im Geiste an. Früher haben wir einfach nur wahrgenommen was ist, heute müssen wir darüber "nachdenken". Nicht dass es ein Problem wäre, aber die meisten Leute kennen ihren Ursprungszustand nicht mehr weil sie nur in ihrem Kopf sind als Kopie ihrer Selbst. Mit der Kultur geht es in einem Feuerwerk bergab, weil die Quelle natürlicher Fairness, Zufriedenheit und Intelligenz durch das ganze sinnlose Nachdenken und sich verwirren überdeckt wird. Sieh dir nur mal die juristischen Werke an. 1000 Seiten für eine Einigung, die zwei sich-bewußte Menschen mit einem Blick und ohne Worte regeln würden.

Kowalski [Besucher]

02.03.06 @ 22:06
Früher haben wir einfach nur wahrgenommen was ist, heute müssen wir darüber "nachdenken".

***

Wann soll dieses 'früher' gewesen sein? Vor der Zeit des 'Nachdenkens', also vor der Aufklärung? Oder vor dem Christentum?

Worin siehst Du die 'Quelle' 'natürlicher Fairness, Zufriedenheit und Intelligenz'?

Anscheinend waren die Menschen 'früher' an diese 'Quelle' angeschlossen, von der sie heute abgeschnitten sind und deshalb 'nachdenken' müssen, weil ihnen sozusagen der Sinn für das Rechte, Gute und Natürliche abhanden gekommen ist.

Beste Grüsse,

Kowalski

[Besucher]

04.03.06 @ 02:17
Na früher, war vor einem Moment. Eben gerade bevor du nachdenkst. Vordenken finde ich auch einen klasse Begriff.

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Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
03.03.06 @ 11:40

Hallo mind-it,

Zu: "Es gibt eine Macht, die die Menschheit ausrotten will":

Das Wort "will" ist tatsächlich unglücklich gewählt. Was ich meine, ist folgendes:

Stell dir vor, ein Haus brennt, und die Feuerwehr steht mit voller Ausrüstung nebendran und tut nichts, weil sie von Bewußtseinsphilosophen und Wirtschaftsexperten überzeugt wurde, man könne nicht gegen die Naturgesetze verstoßen; also könne man nichts machen.

Gestern zappe ich versehentlich kurz in Maischbergers Talkrunde rein, als so ein unbedarfter "Experte" unkritisiert in die Runde schiß, die Globsalisierung sei wie die Schwerkraft ein Naturgesetz, das hingenommen werden müsse.

Zombies wie dieser "Experte" hatten einmal einen Willen, und diesen hatten sie für die nicht revidierbare Entscheidung mißbraucht, ein für allemal auf den Gebrauch der Willensfreiheit zu verzichten und sich ausschließlich Sachzwängen hinzugeben.

Diese fatale Entscheidung verändert die Seele solcher Menschen derart, daß sie nicht mehr denken können; sie können von da an nur noch Vorgeplappertes nachplappern. Und wenn sie einmal zu denken versuchen, scheitern sie grandios und kommen letztlich zum Ergebnis, daß eine Denkanstrengung nicht sowieso nicht lohne.

Es gibt einen Unterschied zwischen Nachdenken und Vordenken. Zum Thema Vordenken zitierte ich heute Peter Handke.


Ich komme aus dem Traum
von Hanjoheyer @ 2006-03-03 - 11:14:36
ZEIT, 2.2.2005, Literatur

Peter Handke: Es gibt nichts Schöneres, als, wie Hesse gesagt hat, das Wagnis der Fiktion einzugehen. Wenn das Schiff der Fiktion parallel zur Realität fährt ... das ist für mich ein universelles Erlebnis."

Solipsismus

Wenn es Gott gibt - und von seiner Existenz bin ich überzeugt - , wenn Gott alles ist (außer der Illusion, die ein Mangel, ein Fehlen, ist) und wenn Gott zugleich die Wahrheit ist, dann ist Gott ein Solipsist.

Menschliche Philosophen sind - solange sie irren - keine Solipsisten. Auch ich bin noch kein Solipsist, da ich von der Existenz anderer Seelen überzeugt bin, aber ich strebe an, einer zu werden, denn ich will die Wahrheit erkennen und leben.

Gott weiß alles, aber er kennt nicht alle Illusionen. Er ist und weiß die Wahrheit, aber nicht alle Erscheinungen.

Wer auf dem Weg zum Sopipsisten ist, erkennt es daran, daß seine Fiktionen und seine Realität parallel laufen.

Kowalski [Besucher]

03.03.06 @ 12:32
Dein Hanke-Zitat erinnert mich - ich weiss nicht warum - an Jorge Luis Borges (1899 - 1986), den 'Magier' wie ihn Ernesto Sabato einmal nannte:

"Das Mysterium ist der Auflösung des Mysteriums vorzuziehen."

Beste Grüsse,

Kowalski

Kowalski [Besucher]

03.03.06 @ 14:25
Ich habe folgende Überlegung anzubieten:

In dem selben Masse, in dem man die Fiktion der Realität erkennt, erkennt man die Realität der Fiktion - und umgekehrt.

Die Frage ist: "Was liegt jenseits derselben, wenn überhaupt etwas?"

Und daran anschliessend: "Gibt es einen Weg, diese Frage für sich 'entgültig' zu beantworten, ohne in spekulative Gedanken zu flüchten?"

Beste Grüsse,

Kowalski

Erebos [Besucher]

03.03.06 @ 17:33
Hallo Jo,
Ich muss sage, dass ich diesmal ausnahmsweise ziemlich negativ überascht von deinem Beitrag bin. Ich persönlich halte den Solipsismus für unhaltbar, und glaube, dass deine Schlüsse entweder logisch fehlerhaft sind, oder wir eine unterschiedliche Definition von Gott besitzen, wobei zweiteres wohl wesentlich wahrscheinlicher ist. Du schreibst:

"Wenn es Gott gibt - und von seiner Existenz bin ich überzeugt - , wenn Gott alles ist (außer der Illusion, die ein Mangel, ein Fehlen, ist) und wenn Gott zugleich die Wahrheit ist, dann ist Gott ein Solipsist. "

Dann glaubst du strengenommen nicht an deine eigene Existenz, oder du stellst sie über alles andere. Beides halte ich für falsch. Ersteres wirst du wahrscheinlich selbst bejahen, zweiteres muss ich bejahen, da ich mir sonst meine eigene Existenz absprechen würde. Der Spolipsismus kann nur von einem Subjekt gedacht werden, damit er überhaupt korrekt sein kann. Es kann niemals zwei Solipsisten geben, die beide recht haben und nicht getrennt bzw. parallel(soll heißen, sie können sich nicht gegenseitig beeinflussen, kommunizieren) existieren! Und das wir uns gegenseitig beeinflussen, kann ich zwar nicht beweisen, jedoch bin ich vollends davon überzeugt.
Glaubst du an gegenseitige Beeinflussung.

"Menschliche Philosophen sind - solange sie irren - keine Solipsisten. Auch ich bin noch kein Solipsist, da ich von der Existenz anderer Seelen überzeugt bin, aber ich strebe an, einer zu werden, denn ich will die Wahrheit erkennen und leben."

Wie gesagt, zwei Philosophen, die sich gegenseitig zum Solipsismus bekennen, können nicht beide recht haben.

"Gott weiß alles, aber er kennt nicht alle Illusionen. Er ist und weiß die Wahrheit, aber nicht alle Erscheinungen."

Wenn ich dich nicht missverstehe,würde ich dem zustimmen. Ich persönlich habe zwei Definition von Gott. Die eine deckt sich weitesgehenst mit deiner Theorie der HdW, also die mächtigsten Subjekte innerhalb eines Kollektivtraums. Die andere entpricht ungefähr der obigen Aussage. Ich sehe Gott, oder wie ich es nenne, die Weltenseele, als das Indifferente an, aus dem sich wiederum das Objekt und das Subjekt ergibt, ergo die erste Differenz. So ist Gott nicht alle Erscheinung, aber das der Erscheinung vorhergehende.
Trotzdem ist das Subjekt, welchem sich aus "Gott" erhebt, von ihm getrennt(und auch vorher, wenn auch nur im Potenzial), ergo halte ich einen strengen Solipsimus für falsch und vor allem deckt er sich nicht mit meinem Erleben.

Ich bin gespannt auf deine Reaktion.

Grüße
Matthias

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
03.03.06 @ 17:58

Hallo Erebos,

wieso negativ überrascht? Auch ich halte den Solipsismus für unhaltbar.

Ich schrieb, ich sei kein Solipsist, denn ich sei ein menschlicher Philosoph. Dann gab ich die Richtung an, in der man suchen müsse, um zur Wahrheit zu kommen, und diese führe zu Gott.

Nur Gott ist Solipsist.

Freilich ist man, im Ziel angelangt, kein Mensch mehr, jedenfalls kein moderner Mensch.

jo

Kowalski [Besucher]

03.03.06 @ 18:33
Gott kann - salopp gesagt - als das 'Ding aller Dinge' gedacht werden und deshalb ist die Aussage richtig, dass Gott ein Sollipsist ist. Die Sufis erklären das so:

Wenn die Sonne 24 Stunden am Tag schiene, wir also keine 'Nacht' hätten, dann könnten wir auch nicht von 'Tag' in Abgrenzung von Nacht sprechen. Gott ist wie ein Tag ohne Nacht. Die Idee ist seit Jahrhunderten bekannt unter dem Begriff 'Die Einheit des Seins' und deshalb wird auch sowohl im Judentum als auch im Islam das Glaubensbekenntnis gesprochen: 'Gott ist ein einziger Gott' oder 'Kein Gott (Idol) ist wie Gott'. Um das zu verstehen, muss man von einer horizontalen Betrachtungsweise auf eine vertikale wechseln. Auf der horizontalen Ebene der Existenz gibt es endlos viele verschiedene Dinge. Aber alle diese Dinge erhalten ihre Existenz von dem 'Ding aller Dinge', welches nicht innerhalb der horizontalen Ebene der Vielzahl gesucht und gefunden werden kann, sondern 'vertikal' zu derselben steht, also diese transzendiert. Daher ist es in gewisser Hinsicht richtig von Gott als Sollipsist zu sprechen; wenn wir uns nämlich auf die transzendente (vertikale)Ebene stellen, dann sehen wir dass es nur Gott gibt und ausser Gott niemanden. Und wer sieht das? Gott! Denn es heisst: Nur Gott sieht Gott. Der Mensch ist also nur existent auf der horizontalen Ebene, welche in sich real ist, aber weil sie sich nicht selbst genügen kann, ist sie aus der vertikalen Perspektive betrachtet ein Schatten, Erscheinung, Illusion. Auf der vertikalen Ebene gibt es aber nur Gott (die 'Ewigkeit': "Ich wahr, ich bin, ich werde sein"). Der Gedanke ist ungeheuerlich, aber wahr. Die Ewigkeit oder das Absolute oder die Unendlichkeit ist ein Sollipsist! Generell ist das missverständlich, aber was ist schon nicht missverständlich, wenn es sich um metaphysische Dinge handelt?!

Beste Grüsse,

Kowalski

Hyperion [Besucher]

04.03.06 @ 13:16
Hallo alle zusammen

also ich muss Erebos schon zustimmen, Hans- Joachim, dass ich deine Behauptung Solipist werden zu wollen für sehr missverständlich und vergriffen halte, auch wenn ich Kowalski zustimme das aus der Perspektive der transzendenten Einheit heraus natürlich nicht von einer Getrenntheit gesprochen werden kann; ergo dieses Singuläre irgendwie auch vl. solipistisch genannt werden könnte, wobei ich den Begriff hier für völlig falsch gewählt halte. Kowalski selbst räumt die Missverständlichkeit ja schon ein. Spricht man nämlich von Solipsismus, wird der Eindruck erweckt, man sei das einzige Subjekt, welches in der Lage ist Objekt gegen sich auszubilden, wobei eine Trennung von Subjekt und Objekt wieder auf Bewusstsein oder Geist beruht. Solipsismus ist hier indem Sinne falsch gewählt, da die Einheit allen Seins, selbstverständlich in seinem Sein die Potentialität aller wirkenden subjekte enthält. Also wie Kowalski richtig schreibt,dass sich auf der Erscheinungsebene die Verschiedenheit der Subjekte, oder anders ausgedrückt die verschiedenen Standpunkte Gottes zeigen, die wir sind. Solipsismus lässt daran erinnern, dass es nur ein Subjekt gäbe, nur einen Standpunkt, anstatt anzuerkennen, dass wir alle wirkende Teilaspekte des Einen sind, autark autonom von einander, aber natürlich auf einer transzendenten Einheit beruhend, und in dieser auch eins seiend. Insofern muss ich Erebos recht geben, im Sein eins zu sein, im Potential aber auch immer in Bezug auf die Erscheinungswelt getrennt und wechselwirkend zu sein. Oder wie du so schön sagtest , Hans Joachim, " eins sein, getrennt ERSCHEINEN". Heisst als wirkendes Seiendes sind wir differenziert, als Seiendes in einer höheren Transzendenz eins.
ICh denke wir sind uns mal wieder einig. Ich muss mich aber trotzdem Erebos anschliessen, dass deine Ausführungen für einen Unkundigen Leser deines Blogs wirklich missverständlich und abschreckend wirken müssen. Ich halte die Formulierung für verunglückt.

Viele Grüße

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[Besucher]

04.03.06 @ 13:59
Wenn "ein Solipsist werden" bedeutet dass man die Fiktion/Realität als selbst verursacht erkennt und in seiner eigene Domäne/Dimension (göttliches) All-Bewußtsein erfährt, also die Wahrheit in Verbindung mit dem eigenen So-Sein erkennt, dann ist es auf jeden Fall progressiv, ein Solipsist werden zu wollen.

Hyperion [Besucher]

04.03.06 @ 14:27
ja, da hast du schon irgendwie recht. Nur wird das nicht unter Solipsismus verstanden. Eine wahrhaft mystische ERkenntnis erkennt im anderen das eigene Sein und dass man selbst UND der andere seinen Urgrund in einem singulären einheitlichen Sein, dem Meer des Bewusstseins oder die Weltengeist hat, und beide als Subjekt Teilaspekte diese einheitlichen transzendenten Seins sind (Tropfen), und somit dieses auch gleichzeitig bilden. Atman und Brahman bilden eine Einheit in ihrer Transzendenz.

Ein Solipsismus hingegen leugnet, dass der andere ebenfalls Bewusstsein , und somit eigenständiges Subjekt wie du bist. Ein Solipsist glaubt, dass Gott nur eine Perspektive kennt und das ist dann die des Solipsisten. Einheitlich ist die Betrachtung aber nur in der Transzendenz, die sich dann in viele Betrachtungen ( Subjekte ) im Dasein ausdifferenziert. Ich hoffe meine Kritik am Begriff wird klar.

Gruß

Hyperion

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
04.03.06 @ 18:46

Hallo Hyperion,

selbstverständlich bekommt ein Begriff wie Solipsismus eine andere Bedeutung, wenn man seine Philosophie erweitert (oder geändert) hat.

Verändert haben sich bei mir auch die Inhalte vieler anderer Begriffe, zB Seele, Konstruktivismus und Bewußtsein.

Wenn ich über den Konstruktivismus schreibe, bedeutet er etwas Anders, als die Erfinder dieser Philosophie gemeint hatten. Schließlich habe ich diese Philosophie weiterentwickelt. Dieses weiterentwickelte Modell bezeichne ich jedoch weiterhin als "Radikaler Konstruktivismus", weil diese Bezeichnung immer noch die beste ist.

Mein Begriff von Solipsismus hat sich gegenüber früheren solipsistischen Philosophien dahingehend geändert, daß ich - wie du und Erebos - den humanindividualistischen Solipsismus ablehne, da er die (seelisch-geistige) Existenz anderer Menschen leugnet. Diesen Fehler mache ich nicht. Als Menschenseele bin ich kein Solipsist, weil ich davon ausgehe, daß es andere Seelen gibt.

Aber: All diese Seelen sind vollständige, absolute Teile einer höherdimensionaleren einzigen - und damit solipsistischen - Überseele, Gott genannt. Ich stimme mit dieser Erkenntnis mit den Veden überein, die besagen, daß die individuelle Seele eines Menschen, das Paramatman, eine vollständige Teilerweiterung Krischnas (Atmans, Gottes) sei. Diese Seele sei unendlich klein und groß zugleich, was ich dann so interpretire, daß sie ohne Raum ist. Sie ist mein (unendlich kleiner) Wesenskern und zugleich der (unendlich große) Weltgeist, der das gesamte materielle Universum beinhaltet.

Für mich ist das alles sehr stimmig, und wem das nicht gefällt, kann ja nachfragen. Ablehnen sollte man diese Philosophie erst, wenn man sie verstanden und für falsch befunden hat.

jo

Kowalski [Besucher]

06.03.06 @ 15:32
"...[dass] die individuelle Seele eines Menschen, das Paramatman, eine vollständige Teilerweiterung Krischnas (Atmans, Gottes) sei."

***

Hi Jo,

Paramatman ist in der Lehre der Veden nicht die 'individuelle Seele', sondern das 'Höchste Selbst' [para = höchstes]. Wenn man alle Dinge vom allerhöchsten und universellsten und allumfassensten Standpunkt aus betrachtet, der überhaupt denkbar ist, dann hat man Paramatma. Es wird deshalb als unendlich klein und unendlich gross gedacht, weil es transzendent zur Erscheinunsgwelt steht, d.h es begrenzt oder umfasst.

Cusanus hat den Zusammenhang symbolisch wie folgt dargestellt: Man zeichne einen Halbkreis [in der Form eines Regenbogens]. Den Anfang des Halbkreises (links) bezeichne man mit 0 und das Ende des Halbkreises bezeichne man mit 1. Der Mittelpunkt ist dann bei 0.5. Auf einer Geraden hat man also 0, 0.5 und 1 angeordnet, wobei 0.5 den Mittelpunkt eines Halbreises und 0 und 1 die jeweiligen Enden des Halbkreises beschreiben. Man kann jetzt beliebige Radien ausgehend vom Mittelpunkt einzeichnen, die alle in einem bestimmten Winkel (zwischen 0 und 180 Grad) zur Horizontalen, auf dem sich 0 und 1 befinden, stehen. Bei Gott, wie Cusanus sagt, fallen die Gegensätze zusammen. Symbolisch heisst das hier in unserem Beispiel, dass der grösste (180 Grad) und der kleinste Winkel (0 Grad) eines beliebigen Radius auf der Horizontalen zusammenfallen. In diesem Sinne muss man Paramatma verstehen, wenn es heisst, es sei kleiner als das Kleinste und grösser als das Grösste. Damit meint man symbolisch, dass bei Gott die Gegensätze zusammenfallen, so dass er kleiner ist als der kleinste Winkel (nämlich 0) und grösser als der grösste Winkel (nämlich 180 Grad), wobei man unter Winkel hier 'Erscheinungsformen' in der Erscheinungswelt verstehen muss. Wenn man also den Winkel auf 0 Grad bringt, dann bringt man ihn gleichzeitig auf 180 Grad und gleichzeitig transzendiert man damit alle möglichen Winkel.

Vielleicht liegt es an dieser Verwechslung des 'Höchsten Selbst' mit der 'indviduellen Seele', dass bestimmte Stellen in Deiner Philosophie so formuliert sind, dass sie für einen latenten Grössenwahn gehalten werden können, so wie es jetzt hier in der Sollipsismus-Debatte der Fall ist.

Beste Grüsse,

Kowalski

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
06.03.06 @ 19:12

Hallo Kowalski,

das mit den Halbkreisen verstehe ich leider nicht.

Ob ich das mit dem Paramatman richtig verstanden habe, müßte ich anhand der Bhagavad-Gita überprüfen. Es sind inzwischen 20 Jahre ins Land gegangen, seit ich das Buch gelesen habe. Zudem müßte ich in ihm die entsprechende Stelle suchen, was einige Zeit in Anspruch nehmen würde.

Ich vermute, daß ich im "Höchsten Selbst" die individuelle Seele erkannt hatte. Aber wie gesagt: Ich müßte im Buch nachschauen...

jo

besucher [Besucher]

05.03.06 @ 05:14
ich finde es auffallend das hier keiner in der runde nur eine angabe zu seinem verständnis zum solipsismus macht;

philosophische position, die in varianten auftreten kann; in der ersten variante besagt der solip., dass einzig und alleine das dem bewußtsein unmittelbar gegebene real ist. die schwächere leseart dieser variante deutet die these epistemol.; alles wissen über die welt, außerhalb des selbst beruht auf dem bewußtsein unmittelbar gegebener wahrnehmungsdaten. die radikale leseart deutet den sol. metaphysisch; einzig das selbst wird als real anerkannt. in der radikalen version ist der solip. außer bei stirner wohl nie ernsthaft vertreten wurden, wird aber von descartes als methodischer ausgangspunkt in seinem meditationes verwendet, um dann zum abschluß der untersuchung allerdings als absurde these hingestellt.

in der zweiten variante ist solp. die bezeizeichnung für eine negative position bezüglich des problems des fremdpsychischem, so wird einigen theorien des "geistigen" vorgeworfen, sie hätten zur folge, dass ein subjekt lediglich sich selbst, aber keinem anderen wesen geistige zustände zuzschreiben sind.

gruß

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
05.03.06 @ 11:51

Hallo Besucher,

ich denke, daß außer dir jeder Kommentator Angaben zu seinem Verständnis vom Solipsismus gemacht hat. In diesem Thread geht es auch weniger um die Feststellung dessen, was andere Philosophen zum Thema geschrieben haben, sondern vielmehr um Versuche, herauszufinden, was wir selber glauben und nicht glauben.

Aus diesem Grund frage ich dich: Was ist deine philosophische Position? Was sind für dich Sein und Schein? Welches sind deine wichtigsten Fragen?

jo

Hyperion [Besucher]

06.03.06 @ 14:42
Hallo Hans Joachim

ich kenne deine Ambitionen eine für dich eigene passende Sprache zu entwickeln. Das einzige was ich Dir zu sagen versuchte ist, dass der Gebrauch des Wortes "Solipismus" hier sehr missverständlich ist, wird er doch im allgemeinen mit dem von dir so beschriebenen humanistisch individualistschen Solipsismus assoziiert. Der "Solipismus" den du beschreibst, ist in anderen Worten viel besser ausgedrückt. So beschreiben schon Begriffe wie Pantheismus, oder Panentheismus schon die Alleinheit Gottes, ohne die Subjekthaftigkeit "aller" zu leugnen, und uns als autarke Teilaspekte des Einen zu verstehen. Ich denke, das was du meinst ist ein Panentheismus par exellence. Deswegen empfehle ich Dir dich als Panentheist und nicht als anstrebender Solipsist zu bezeichnen. Im Begriff des Panentheismus sind alle Aspekte enthalten, die du betonen willst. Naja, letztendlich ist es Begriffsklauberei, wie so oft ;-). Ich denke wir verstehen uns.

Gruß

Hyperion

Kowalski [Besucher]

06.03.06 @ 17:37
Ich begrüsse Hyperions Beiträge und denke, er bringt Jo's (jedenfalls meine) philosophische Position auf den Punkt: 'Panentheismus par exellence.'

Ich habe das Wort 'Sollipsismus' nicht studiert, aber wenn ich Hyperion richtig verstehe, beschreibt dieser Begriff nicht wirklich eine philosophische Position sondern vielmehr einen klinischen Fall. Sollipsismus scheint mir nichts anderes als Synonym für eine bestimmte Form von Wahnsinn zu sein.

Natürlich kann man jedes Wort benutzen, das einem beliebt, um zu umschreiben, was man 'meint'. Allerdings stehen wir alle in einer Denktradition und sollten daher versuchen unsere Begriffe miteinander abzugleichen, ansonsten ensteht diese unseelige Sprachverwirrung und unnötige Streitereien. Durch die 'Mitteilung' ensteht oft erst der Gedanke, d.h. oft weiss man erst, was man wirklich denkt, wenn man sich mitzuteilen versucht. Daher ist es sehr fruchtbar gemeinsam herauszuarbeiten, was man denn wirklich meint und welcher Begriff das Gemeinte am Besten, Klarsten und Unmissverständlichsten umschreibt.

Beste Grüsse,

Kowalski

Hyperion [Besucher]

06.03.06 @ 18:06
Hallo Kowalski

ich stimme Dir vollkommen zu.

Beste Grüße

Hyperion

PS: jedenfalls auch meine philosophische Position bringt Panentheismus auf den Punkt ;-).

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
06.03.06 @ 19:22

Hallo Kowalski,

da habe ich ja noch mal Glück gehabt, kein Solipsist zu sein. Wie gesagt: Nach meiner Phil. ist nur Gott ein (der einzige) Solipsist. Hoffentlich ist er nicht verrückt!

jo

Kowalski [Besucher]

06.03.06 @ 23:32
Hi Jo,

Deinen Kommentar verstehe ich nicht.

Nach Hyperion's äusserst klaren und sachlichen Erläuterungen kann man nur zu dem Ergebnis kommen, dass was allgemein unter Sollipsismus verstanden wird, gar keine Philosophie ist, sondern ein Wahnsinn.

Gott als 'einzigen Sollipsist' zu bezeichnen, ja das kann man machen, aber wie Hyperion gezeigt hat, gibt es dafür bereits bessere Begriffe. Mir ist das egal, wenn Du darauf bestehst, Gott als Sollipsisten zu bezeichnen, letztendlich geht es ja um Inhalt und nicht Formen, aber es ist offensichtlich, dass Dich dann kaum einer richtig verstehen wird.

Dein Kommentar 'Hoffentlich ist er [Gott] nicht verrückt, ist ein Anthropomorphismus (Vermenschlichung).

Ich kann das Gefühl nicht loswerden, das etwas 'falsch' ist an Deiner Philosopie, also dass wir hier doch nicht um denselben Inhalt ringen, sondern dass sich hinter den unterschiedlichen Formen (Formulierungen) tatsächlich auch unterschiedliche Inhalte befinden.

Du schreibst:

"[I]ch bin noch kein Solipsist, da ich von der Existenz anderer Seelen überzeugt bin, aber ich strebe an, einer zu werden, denn ich will die Wahrheit erkennen und leben."

Wie darf man das verstehen?

Ein Sollipsist ist jemand der nicht von der Existenz 'anderer' Seelen überzeugt ist. Du strebst danach ein Sollipsist zu werden. Warum? Weil Du die Wahrheit erkennen und leben willst! Also, so scheint es, ist die Wahrheit, dass es keine 'anderen' Seelen gibt - ausser Deine! Du hast das nur noch nicht vollständig erkannt, bist aber auf dem besten Wege dahin!

Das ist dann schon Sollipsismus, so wie Hyperion ihn beschrieben hat, und meineserachtens nicht 'Wahrheit' sondern Wahnsinn. Ich vermute daher, dass Du das so nicht meinen kannst, aber wie meinst Du es dann?

Beste Grüsse,

Kowalski

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
06.03.06 @ 19:17

Hallo Hyperion,

ich fürchte, du kennst meine Ambitionen, eine eigene passende sprache zu entwickeln, nicht.

Es ist nur so: Wenn ich zB über den Solipsismus etwas Neues herausfinde, verändert der Begriff seinen Inhalt, und zwar notwendig.

Den Inhalt des Begriffs Panentheismus kenne ich zu wenig, um zu wissen, ob er paßt.

jo

Kowalski [Besucher]

06.03.06 @ 23:46
Panentheismus bedeutet, dass Gott sowohl immanent als auch transzendent ist. Im Islam beispielweise unterscheidet man die 'Essenz' und die 'Attribute' Gottes. Die Essenz ist vollkommen transzendent und unerkennbar, während die Attribute 'immanent'. in der Welt offenbart sind. Beispielsweise kann man die 'Majestät' Gottes in einem Berg und die 'Schönheit' Gottes in einem Sonnenaufgang kontemplieren. Die Attribute Gottes sind aus der immanenten Perspektive der Schöpfung unterschiedlich, 'Majestät' ist etwas anderes als 'Schönheit', aber aus der transzendenten Perspektive ist alles einunddasselbe: (unerkennbare) Essenz, in der alles Erkennbare eingefaltet ist! Deshalb widerspricht die Lehre von den Attributen Gottes nicht seiner Einheit!

Beste Grüsse,

Kowalski

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
07.03.06 @ 12:16

Hallo Kowalski und Hyperion,

nach meiner Phil. ist Gott der persönliche Aspekt (in den Veden Atman genannt) des multidimensionalen Weltgeistes (Brahman), wobei jede Dimension einen Freiheitsgrad darstellt. Die individuelle Seele es Menschen (Paramatman) beherrscht weniger Dimensionen; der menschliche Leib noch weniger.
Daß das Paramatman weniger Dimensionen als Atman beherrscht, geht zB aus einem Vers der Bhagavad-Gita hervor, in dem es heißt, das Paramatman sei eine "vollständige Teilerweiterung Krischnas". Krischna habe vom Brahman viele individuelle Seelen abgespalten, und diese Spaltprodukte seien jedoch vollständig. Das berücksichtigte ich bei meiner Behauptung, jede Erscheinungswelt einer jeden Seele sei unendlich. Die Welt eines Maikäfers ist zwar weniger komplex und hat weniger FReiheitsgrade als die des Menschen, sie ist jedoch trotzdem unendlich groß.

In der Erscheinungselt, die meine Seele konstruiert, bin alles "ich". Diese Erkenntnis führte viele Denker zum Solipsismus, den ich jedoch als Irrtum entlavte, da mir klar wurde, 1. wie diese Denker zu ihrem Irrtum kamen und 2. wie es sich wirklich verhält.
Ich erkannte, daß es durchaus andere Seelen neben meiner gibt, aber daß ich diese nicht als solche wahrnehmen kann. Ich kann sie mir nur philosophisch erschließen.

Da ich die Erfahrung gemacht habe, daß ich, besser: meine Seele - eine weitere Dimension erschlossen habe, nämlich die Willensfreiheit, schloß ich, daß es für sicherlich noch weitere zu erschließende Dimensionen geben könnte. Ich bin noch nicht am Ende der Fahnenstange! Es gibt noch viele Freiheitsgrade, die ich mir erschließen kann.

Andersherum machte ich die Erfahrung, daß Menschen eine Dimension verlieren, und zwar die Materialisten. Sie verlieren die Willensfreiheit.

Wenn ich in der Richtung seelischer Erweiterung weitergehe, entwickele ich mich in Richtung Gott. Auch das paßt, denn das Erschließen weiterer Freiheitsgrade gelingt nur bei unbedingter Wahrheitssuche, und Gott ist - wie es so schön heißt - die Wahreit. Gott ist das Höchste und neben ihm gibt es keine anderen Götter. Gott ist also der einzige echte Solipsist.

Mein derzeitiger Stand der Erkenntnis ist der, daß ich mir sicher bin, daß es andere Seelen neben mir gibt. Also bin ich kein Solipsist. Aber da ich weiß, daß mich meine Suche nach Wahrheit zu Gott führen wird, weiß ich auch, daß ich im Ziel dieser Suche Solipsist sein werde.

jo

Kowalski [Besucher]

07.03.06 @ 15:25
[Jo]: Gott [ist] der persönliche Aspekt (in den Veden Atman genannt) des multidimensionalen Weltgeistes (Brahman), wobei jede Dimension einen Freiheitsgrad darstellt. Die individuelle Seele des Menschen (Paramatman) beherrscht weniger Dimensionen; der menschliche Leib noch weniger.

# Unter ‚Brahman’ versteht man in den Veden nicht einen ‚multidimensionalen Weltgeist’, sondern vielmehr das ‚Höchste Prinzip’. Wenn wir von Brahman in seiner Unvergleichlichkeit und Unergründlichkeit sprechen, dann sagen wir ‚Brahman nirguna’ und wenn wir von Brahman in seiner Vergleichlichkeit und Erkennbarkeit sprechen, dann sagen wir ‚Brahman saguna’. Brahman saguna ist identisch mit ‚Ishvara’, dem ‚Prinzip der universellen Manifestation’ oder die ‚göttliche Persönlichkeit. Ishvara ist das, was noch am ehesten der abendländischen Vorstellung von Gott entspricht.

‚Atman’ ist die ‚überindividuelle Persönlichkeit’, welche den Wesenskern aller Wesen ausmacht. Atman ist niemals nie (!) ‚individuell’. Die ‚individuelle Seele’ des Menschen wird in den Veden ‚jivatman’ genannt. Im Symbolismus der Bhagavadgita entspricht Krishna ‚Atman’ (überindividuelles Selbst) und Arjuna ,jivatman’ (individuelle Seele). Atman tritt nie sichtbar in Erscheinung, deshalb bedeutet auch das Wort ‚Krishna’ ‚schwarz’, nämlich unsichtbar, nichtmanifest, während ‚Arjuna’ ‚weiss’ bedeutet, nämlich sichtbar, manifest. Der Symbolismus des Schachbrettmusters (schwarz-weiss) stellt das letztlich das Zusammenspiel aller Dinge, göttlichlicher als auch irdischer, unsichtbarer als auch sichtbarer dar. Auch wenn Atman nicht sichtbar in Erscheinung tritt, so durchwebt er letztlich alles Sichtbare, oder besser noch: transzendiert alles Sichtbare.

***

[Jo]: Daß das Paramatman weniger Dimensionen als Atman beherrscht, geht zB aus einem Vers der Bhagavad-Gita hervor, in dem es heißt, das Paramatman sei eine "vollständige Teilerweiterung Krischnas".

# Paramatman ist das ‚Höchste Selbst’ oder Atman aus der Perspektive der Totalität betrachtet. Deine Interpretation oder Deine Dir vorliegende Übersetzung der Bhagavadgita ist fehlerhaft. Eine ‚vollständige Teilerweiterung Krishnas’ heisst letztlich Krishna in seiner Totalität, in seiner Integralität betrachtet und ist ein ‚absoluter’, d.h. umfassender und universeller Begriff. Paramatman ist die Transzendenz oder das Prinzip aller Dimensionen Atmans.

***

[Jo]: Krischna habe vom Brahman viele individuelle Seelen abgespalten, und diese Spaltprodukte seien jedoch vollständig. Das berücksichtigte ich bei meiner Behauptung, jede Erscheinungswelt einer jeden Seele sei unendlich. Die Welt eines Maikäfers ist zwar weniger komplex und hat weniger FReiheitsgrade als die des Menschen, sie ist jedoch trotzdem unendlich groß.

# Die ‚Abspaltung’ individueller Seelen von Brahman muss man wie folgt verstehen. Brahman saguna (Ishvara) ist das Prinzip der Manifestation (eine Einheit), welche aus der Perspektive der Manifestation sich in eine Vielzahl aufspaltet, die aus der Perspektive des Prinzips reine Illusion ist. Das Prinzip verliert seine integrale Einheit nie, tritt aber in der niederen Ebene als eine Vielzahl in Erscheinung. Atman ist jetzt das überindividelle Selbst in allen Dingen, in den Mineralien, Pflanzen, Tieren und letztich im Menschen. Wenn man jetzt alle Dinge transzendiert, erhält man wieder die ursprüngliche Einheit und deshalb ist es aus der transzendenten Perspektive betrachtet so, dass es nur ein wirkliches Wesen gibt: Atman oder Ishvara, welches sich in verschiedenen Dimensionen und Wesen zum Ausdruck bringt oder inkarniert. Die Totalität aller Dimensionen oder Seinsweisen, unter denen Atman in Erscheinung treten kann, ist Paramatman. Man kann Paramatman auch als die Gleichzeitigkeit aller Dimensionen oder Seinsweisen Atmans bezeichnen.

***

[Jo]: In der Erscheinungselt, die meine Seele konstruiert, bin alles "ich". Diese Erkenntnis führte viele Denker zum Solipsismus, den ich jedoch als Irrtum entlavte, da mir klar wurde, 1. wie diese Denker zu ihrem Irrtum kamen und 2. wie es sich wirklich verhält.
Ich erkannte, daß es durchaus andere Seelen neben meiner gibt, aber daß ich diese nicht als solche wahrnehmen kann. Ich kann sie mir nur philosophisch erschließen.

Da ich die Erfahrung gemacht habe, daß ich, besser: meine Seele - eine weitere Dimension erschlossen habe, nämlich die Willensfreiheit, schloß ich, daß es für sicherlich noch weitere zu erschließende Dimensionen geben könnte. Ich bin noch nicht am Ende der Fahnenstange! Es gibt noch viele Freiheitsgrade, die ich mir erschließen kann.
Andersherum machte ich die Erfahrung, daß Menschen eine Dimension verlieren, und zwar die Materialisten. Sie verlieren die Willensfreiheit.

Wenn ich in der Richtung seelischer Erweiterung weitergehe, entwickele ich mich in Richtung Gott. Auch das paßt, denn das Erschließen weiterer Freiheitsgrade gelingt nur bei unbedingter Wahrheitssuche, und Gott ist - wie es so schön heißt - die Wahreit. Gott ist das Höchste und neben ihm gibt es keine anderen Götter. Gott ist also der einzige echte Solipsist.

Mein derzeitiger Stand der Erkenntnis ist der, daß ich mir sicher bin, daß es andere Seelen neben mir gibt. Also bin ich kein Solipsist. Aber da ich weiß, daß mich meine Suche nach Wahrheit zu Gott führen wird, weiß ich auch, daß ich im Ziel dieser Suche Solipsist sein werde.

# Die Frage, ob es noch andere Seelen neben Deiner Seele gibt, finde ich unglücklich gestellt. ‚Individuelle Seelen’ gibt es letztlich wie Sand am Meer. Nicht nur bin ich eine Indviduelle Seele in Abgrenzung von Dir und allen anderen Menschen, sondern die Menschen sind Seelen in Abgrenzung von anderen indviduellen Seelen, beispielsweise die der Tiere und Pflanzen. Wenn man jetzt aber das transzendente Prinzip in allen diesen Wesen erkennt, dann erkennt man, dass es nicht die indviduelle (sterbliche) Seele ist, sondern die überindviduelle unsterbliche Seele (Atman), die in allen individuellen Seelen in Erscheinung tritt. Dann erkennt man, dass alle individuellen Seelen, einschliesslich der eigenen, Erscheinungen der einen überindviduellen Seele (atman) sind. Das Streben nach Unsterblichkeit ist letztlich der Versuch einer Standpunktverlagerung. Der Zuwachs an Freiheitsgraden findet nämlich in der Natur äusserlich statt und im Menschen innerlich. Das Mineral wird zur Pflanze, die Pflanze wird zum Tier und das Tier wird zum Menschen. Der Mensch umfasst in sich alle Dimensionen der drei Reiche (Mineral, Pflanze, Tier) und besitzt einen zusätzlichen Freiheitsgrad: den Geist (Latein: mens)! Er versucht jetzt mit Hilfe des Denkens, mit Hilfe eines inneren Prozesses, einen weiteren Freiheitsgrad zu gewinnen und sozusagen, ein weiteres Organ in sich zu entwickeln, welches man das ‚innere Augen’ oder ‚Auge des Herzens’ oder ‚Sinn der Ewigkeit’ nennt, wodurch der Mensch zu einem Engel oder einem Gott wird. Aber in keinster Weise bedeutet dieser Prozess einen Sollipsismus. Auch wenn man seine ‚Con-Substantialität’ (Meister Eckhardt) mit Gott erkannt hat, so bedeutet das nicht, dass man buchstäblich Gott ist und da es nur Gott gibt, man deshalb dann ein Sollipsist sei. Meister Eckhardt und die Mystiker haben das ganz klar mit den Worten: ‚Vereinigt, aber nicht vermischt!’ zum Ausdruck gebracht. Das Problem des Sollipsismus in Deiner Philosophie besteht in einer unzureichenden Trennung der beiden Begriffe ‚Vereinigung’ und ‚Vermischung’. Gott kann schon deshalb kein Sollispist im engeren Sinne des Wortes sein, weil Gott kein Bewusstsein besitzt. Gottbewusstsein besitzt der Mensch, welcher mit Gott vereinigt ist. Du ‚siehst’ für Gott oder an Stelle Gottes Gott selbst! Aber Gott selbst, weil es in ihm keinen Vergleichsmasstab gibt, kann von sich nicht sagen, ‚Ich bin Gott’. In dem Augenblick, in dem ein Mensch, der Gottesbewusstsein erlangt hat, sagt, ,Ich bin Gott’ vermischt er die Ebenen. Es ist so als wenn der Spiegel sagt, ‚Ich bin das (in mir gespiegelte) Bild.’ Man muss verstehen, in welchem Sinne das richtig und in welchem Sinne das falsch ist. Du kannst ‚ein’ Gott werden und darin besteht letztlich der nächste Schritt in der (inneren) Entwicklung des Menschen. Du bist dann ein höchst vollkommener Ausdruck oder ‚Spiegel’ des transzendenten und unsichtbaren Gottes. Im Islam spricht man auch vom ‚Universal-Menschen’. Aber in Bezug auf das, dessen (innerer und äusserer) Ausdruck du bist, bist Du wie alle anderen Wesen auch wie ‚ein Tropfen in einem grenzenlosen Ozean’.

Beste Grüsse,

Kowalski

Bhodo [Besucher]
http://www.bewusstseinsbenen.de
07.03.06 @ 21:55
Lieber Kowalski,

deinen letzten Beitrag finde ich äußerst gut!

Eine klare Sprache, klar verwendete Begriffe und eine Verwendung der Begriffe gemäß der vedischen Literatur. Und Standardbegriffe sollte man nicht umbiegen, wenn man bei dem, was man als eigene Wahrheit erkannt hat, neue Facetten entdeckt. Wenn ich Paramatman und seine Manifestationen selbst hätte beschreiben sollen, dann hätte ich es nur mit sehr viel Mühe so klar formulieren können wie du. Jedenfalls deckt sich deine Ausführung mit meiner Meinung.

Bravo, auch für die Mühe, die du dir gemacht hast.

Auch finde ich deine Querverweise zum Sufitum sehr gut. Dort habe ich nicht so viel Ahnung, fühle mich aber dennoch ziemlich angesprochen und zuhause. Kannst du erhältliche Literatur nennen, welche gerade die Querverbindung Veden-Sufitum beschreibt?

Beste Grüße - Bhodo

Kowalski [Besucher]

08.03.06 @ 00:18
Hallo Bhodo,

vielen Dank für Dein Lob.

Zum Sufismus empfehle ich Dir die Schriften von Idries Shah. Wenn Du Englisch lesen kannst, exzellent. Wenn nicht, einige seiner Bücher sind übersetzt worden, darunter das wichtige Werk: 'Die Sufis'. Idries Shah ist 1996 verstorben und galt als die grösste Autorität auf dem Gebiet des Sufismus.

Mit den Veden kann man sich beschäftigen, aber möglicherweise stösst man auf unüberwindliche Verständnisprobleme. Fruchtbarer finde ich persönlich das Werk von Niklaus von Kues (Cusanus). Es gibt vom Meiner Verlag eine schöne Gesamtausgabe der 'Philosophisch-Theologischen Werke'.

Wenn Du nicht viel Zeit hast, dann lies von Cusanus 'De apice theoriae' (Die höchste Stufe der Betrachtung). In diesem Werk hat er nochmals auf wenigen Seite die Quintessenz seiner Erkenntnissuche wenige Wochen vor seinem Tode zusammengefasst.

Generell gilt: Bei der Metaphysik muss man den Begriff immer von oben nach unten entwickeln, d.h. man fängt immer vom universellsten Begriff aus an und leitet diesen dann nach unten hin ab.

Andere Autoren sind Rene Guenon, Ananda Coomoraswamy und Frithjof Schuon, von denen praktisch alles lesenswert ist.

Wenn Du Dich nicht zu sehr verwirren willst, wie ich das leider viel zu lange getan habe, dann gehe systematisch vor und fange von vorne an, das heisst, bei der Selbsterkenntnis. Die meisten Leute, die sich irgendwann mal mit Spiritualität beschäftigt haben, lesen irgendwo , dass wir alle 'Gott' sind, und suchen eine Art diffuses Kosmisches Bewusstsein, aber das ist alles Käse, denn wie solche Aussagen ('Du bist Gott') wirklich gemeint sind, kann man nicht einmal Ansatzweise verstehen, bevor man nicht eine bestimmte Entwicklung mitgemacht hat. So dumm es vielleicht klingt, aber diese Entwicklung ist 'moralischer' Natur. Solange man beispielsweise andere Menschen belügt, so lange belügt man sich auch selbst. Solange man sich aber belügt, wie soll man denn dann einerseits die Realität (innerhalb der Erscheinungswelt) und andererseits die (transzendente) Wahrheit, die der Realität zugrundeliegt, erkennen? Das ist ja vollkommen unmöglich! Wenn sich einer über diesseitige Dinge in die Tasche lügt, wie viel mehr wird er sich bei den jenseitigen Dingen in die Tasche lügen? Jede Charakterschwäche multipliziert sich durch die Beschäftigung mit Metaphysik. Deshalb wurde bei den Sufis die charakterliche 'Reinigung' als die essentielle Voraussetzung jeder höheren Wahrnehmungsfähigkeit angesehen. Wenn man keine Integrität besitzt und wankelmutig und opportunistisch ist, wie soll man denn da die Einheit Gottes erkennen? Wenn man stiehlt und betrügt, wie soll man 'Gerechtigkeit' (Objektivität) ausüben? Wenn man selbst (charakterlich) hässlich ist, wie soll man dann (moralische) 'Schönheit' erkennen? Die Sufis sagen, das Geheimnis schütze sich selbst, weil es letztlich unmöglich ist, das zu erkennen, was man nicht ist. Auf der Ebene der Metaphysik kann man nämlich nur das verstehen, was man ist (Sein = Wissen). Deshalb wird das metaphysische Wissen bei den Sufis mit Honig, Milch und Wein verglichen, d.h. generell mit Nahrungsmitteln, die man assimiliert und verdaut, so dass sie zu einem selbst werden. Im Christentum ist es der Logos selbst (das Wort oder die personifizierte Intelligenz), die sich beim Abendmahl hingibt: "Und er nahm das Brot dankte und brach und gab es ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis..." Mit anderen Worten: Das Wissen Gottes (Brot, der Leib Christi, Weisheit) ist die Substanz der Intelligenz, die der Intellekt assimilieren muss, um zu wachsen (= weise werden). Der Mensch besitzt einen besonderen Intellekt, der verschiedene Namen hat, u. a. Licht (Intelligenz), und durch die Assimilierung (das was die Sufis 'schmecken' nennen) des Wissen Gottes (durch innere Wahrnehmungen und geistig-intuitive Emfpindungen) kann dieser Intellekt wachsen und zu einem vollkommenen Intellekt (oder Licht) heranwachsen. Der vollkommene Intellekt ist es, was die Juden kabbalistisch unter 'Messias' verstehen. Im Islam ist Mohammed die Verkörperung des 'Höchsten Intellekts'. Der Intellekt ist con-substantiell mit Gott. Das Unsterblichkeitsstreben besteht darin, das Wissen Gottes im eigenen Intellekt zu assimilieren und zu versubstantiellisieren (Wissen = Sein) und damit die Gottessohnschaft zu realisieren, womit gemeint ist, dass wir alle Intelligenzen (Lichter) sind, die vom Licht aller Lichter (universelle Intelligenz) stammen. Das was wir gemeinhin unter Materie verstehen, ist nicht verschieden von der Intelligenz. Das Blut in meinen Adern, meine Augen, mein Magen, ja mein ganzer Körper ist ungeheurlich intelligent. In der Erscheinungswelt können wir überall Zeichen einer höheren Intelligenz erkennen. Diese Zeichen verweisen auf die Immanenz Gottes, d.h. auf die Anwesenheit von Intelligenz in allen geschaffenen Dingen. Durch den Intellekt (das Senfkorn oder das inwendige Königreich Gottes) haben wir die Möglichkeit 'Intelligenz' bewusst zu erleben, weil wir von der Intelligenz abstammen ("Wisst ihr nicht, dass ihr Götter seid!", sagt Christus und meint mit Götter 'Intellekte'). Darin beruht letztlich die Hoffnung auf ein bewusstes Leben nach dem Tod, nämlich dass unser Bewusstsein mit der lebendigen Intelligenz verbunden bleibt und ihre integrale Einheit behält (= Stein der Weisen, Unsterblichkeitselixir) und nicht so wie der Körper, aus dem sich die lebendige Intelligenz entzogen hat, zerfällt. Auf der Intelligenz beruht unsere Einheit oder Sohnschaft mit Gott (dem Prinzip oder Vater der Intelligenz).

Diese Notwendigkeit der Assimilierung allein schon verhindert, dass gierige Menschen, die 'Wissen' so suchen, als ob es ein Kapital wäre (Wissen = Macht), niemals in der Lage sein werden, das Wissen Gottes zu erlangen, dessen Natur sie vollkommen misverstehen.

Beste Grüsse,

Kowalski

Hyperion [Besucher]

08.03.06 @ 00:59
Hallo Kowalski

ich möchte deinen letzten beiden Beiträgen ebenfalls Lob zukommen lassen. Sie gefallen mir sehr gut und ich stimme mit ihnen überein.

Gruß

Hyperion

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
08.03.06 @ 12:58

Hallo Kowalski, Hyperion und Bhodo,

jetzt würde ich gern mal wissen, was IHR denn nun glaubt. Könnt ihr es mit eigenen Worten beschreiben?

jo

Bhodo [Besucher]
http://www.bewusstseinsbenen.de
10.03.06 @ 10:00
Lieber Kowalski,

besten Dank für deine ausführliche Antwort vom 7.3. auf meine Frage nach Sufitum und entsprechender Literatur. Ich habe schon ein paar Spuren verfolgt und werde in dieser Hinsicht weiter graben.

Ich würde gern ein paar Fragen direkt an dich stellen und mit dir Emailkontakt halten, was wohl für diesen Rahmen hier zu weit ginge. Wenn dir das recht ist, dann nimm mal Kontakt unter Bodo@Bewusstseinsebenen.de auf.

Beste Grüße - Bhodo

Bhodo [Besucher]
http://www.bewusstseinsbenen.de
10.03.06 @ 11:28
Lieber Jo,

mit deiner Frage, was WIR (Kowalski, Hyperion und Bhodo) nun glauben, hast du den Ball an uns zurückgespielt, und seitdem ist hier Funkstille.

Ich bin mir nun nicht sicher, in welche Richtung deine Frage geht.
a) Soll es um den hier zuerst angeschnittenen Heyerschen Solipsismus gehen?
b) Soll es um die Ausführungen gehen, die Kowalski hier zuletzt über Sufitum und Veden-Philosophie gegeben hat?
c) Soll es gar um unsere generelle philosophische Auffassung (Glauben) gehen?

Teilantworten kann ich dir liefern:

a) Die Art und Weise, wie du hier Solipsismus als dein von dir noch zu realisierendes Ziel (Gott werden) eingeführt hast, fand ich wie die anderen Teilnehmer hier auch sehr merkwürdig und bin darüber gestolpert. Doch durch die weiteren Ausführungen verstand ich, wie du es gemeint hast. Hier gibt Kowalskis Erwiderung Aufschluss, dass man bessere Wörter hätte benutzen können.
Ich selbst bin nicht Solipsist, und ich halte deinen Anspruch, “göttlicher Solipsist“ zu werden für ganz schön vermessen. Schon welche Erfolge dabei gehabt, die man nicht auch herkömmlich erklären könnte?

Aber obwohl der Solipsismus als ein von einer einzelnen Person vertretener Anspruch hier mit scharfen Worten zurückgewiesen worden ist (“als falsch erkannt“, “verrückt, “Synonym für Wahnsinn“) und nach Schopenhauer die Ansicht eines Irren, der in ein Tollhaus gehört, darstellt, ist es nicht doch merkwürdig, dass der Solipsismus an sich NICHT widerlegt ist? Kein ernsthafter Philosoph scheint die harte Variante des Solipsismus zu vertreten und wohl fast kein Mensch auf Erden, aber dennoch sind die Philosophen sich einig, dass der Solipsismus NICHT widerlegt ist. Ich sehe auch nicht, wie das dir, Jo, gelungen sein soll. Zwar muss der radikale (Heyersche) Konstruktivismus nicht zum Solipsismus führen – da gebe ich dir recht –, aber das heißt nicht, den Solipsismus widerlegt zu haben.
Und wenn dieser Stachel im philosophischen Fleisch noch nicht entfernt worden ist, wie könnte man von einer heilen, philosophischen Welt sprechen?

b) Bei den Ausführungen von Kowalski zu Sufitum und Veden-Philosophie stimme ich nicht nur in dem Sinn zu, dass ich seine Darlegung gemäß der religiös-philosophischen Terminologie für korrekt halte, sondern ich halte dieses Weltbild für stimmig und wahrscheinlich. In dieser Art von Vorstellung fühle ich mich zuhause.
Aber auch hier bedeutet es wiederum nicht, dass ich es beweisen oder durch Erfahrungen eindeutig belegen könnte. Sagen wir, ich habe gute Hinweise darauf.

c) Und meine allgemeine philosophische Auffassung?! Über das unter a) und b) Gesagte hinaus könnte sehr viel gesagt und geschrieben werden, aber zusammenfassend läuft es wohl auf das Folgende hinaus:
Die herkömmlichen philosophischen, religiösen und wissenschaftlichen Systeme (insbesondere die letzten beiden) weisen 'hinten und vorne' große Löcher auf. Je genauer man hinschaut, desto auffälliger wird das mir. Dein Konstruktivismus leistet einen 'guten' Beitrag dazu. Doch welches Weltbild kann man hinter der eingerissenen Fassade erblicken und mit Sicherheit vertreten? (Randbemerkung für Kowalski: Für meine Astrologiesoftware habe ich den Holzschnitt, der Nikolaus von Kues zugeschrieben wird, bei dem ein neugieriges Betrachter versucht, hinter die Kulissen des mittelalterlichen Weltbildes zu blicken, als Vorbild genommen.)
Also bleibt bei mir eine große Vorsicht gegenüber diversen Weltbildern übrig. Mir scheint, durch philosophische Betrachtungen kann man nur einige falsche Vorstellung widerlegen, aber nichts Endgültiges beweisen. Ist das der Grundmakel des Menschseins, die Erbsünde, seitdem wir aus dem Paradies gefallen sind?

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So, jetzt habe ich mich ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Vielleicht stellen auch mal andere dar, was sie beim Blick aus ihrer sicheren Wohnstatt sehen ?!?

Beste Grüße - Bhodo

Die fünfte Gewalt
von Hanjoheyer @ 2006-03-04 - 12:25:01
http://zeus.zeit.de/text/online/2006/10/lobbyismus

und Kritik an diesem ZEITonline-Artikel in:

http://www.nachdenkseiten.de/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=5&idart=1477

Offenbar haben die Lobbyisten der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) mit ihrer perfiden Kampagne überzogen - die Stimmung der Öffentlichkeit richtet sich zunehmend gegen sie - , da rudern nun wieder etwas zurück und wollen das erzwungene Eingeständnis dieser Panne nun als Solidaritätserklärung mit ihren Opfern verkaufen.

6.3. In "Nicht mehr Herr im eigenen Haus" am 1.3. schrieb ich:

"Der Gründervater des Kapitalismus Adam Smith log, aus dem kapitalistischen Handeln der Egoisten würde sowas wie Gemeinwohl resultieren."

Ebenso gelogen ist es, wenn behauptet wird, die konzernegoistische Arbeit der Lobbyisten würde zur Stärkung des gemeinwohlfördernden demokratischen Systems beitragen. Das Gegenteil ist der Fall: Lobbyarbeit untergräbt die Demokratie. Sie will im Verborgenen ihre Minderheiteninteressen gegen die Mehrheitsinteressen durchsetzen Sie muß verboten werden, genauso wie größere anonyme Parteispenden und Bestechnung verboten sind. Lobbyarbeit ist Korruption.

Was den Lobbyisten erlaubt bleiben sollte, ist, daß sie offen an die Regierung Eingaben jeder Art machen dürfen. Sie dürfen Gesetzesvorlagen und Forderungen beim Staat einreichen, aber sie dürfen sich nicht in die Regierungsarbeit einmischen.

Die Regierung muß sich ihre Unabhängigkeit gegenüber wirtschaftlichen Interessen bewahren. Sollte sie diese verlieren und kann man das beweisen, hat die Regierung versagt und muß mittels Neuwahlen durch eine neue ersetzt werden.

Gegenwärtig ist eindeutig feststellbar, daß die Regierung Politik ausschließlich zugunsten der Konzerne und gegen die Bevölkerung macht. Sie hat vergessen, daß die Wirtschaft für Menschen da ist und nicht umgekehrt. Ergo muß sie zum Rücktritt gezwungen werden.

Die geschundene Kreatur
von Hanjoheyer @ 2006-03-07 - 12:51:09
Auch Pflanzen haben Würde. Worin besteht und wie man sie vor Übergriffen schützen kann, darüber macht sich die Schweizer Biologin Florianne Koechlin Gedanken.

In diesem ZEIT-Interview vom 9.2.06 ("Wissen") begegnet der ZEIT-Redakteur der Biologin stets mit dem Totschlagargument, alles, was die Biologin als Anzeichen pflanzlicher Kommunikation und Bewußtheit deutet, könne man auch als roboterhaftes Verhalten interpetieren. Er wittert in den Aussagen der Biologin Anthropozentrismus, also die Ausweitung menschlicher Attribute auf die (Tier- und) Pflanzenwelt.

Mein Kommentar: Auch der ZEIT-Redakteur denkt anthropozentrisch, wenn er Pflanze und Tier genau wie den Menschen als Roboter ansieht.

Hier prallen zwei Welten aufeinander.

Die Biologin geht davon aus, daß der Mensch ein bewußtes Wesen sei, und deshalb ist sie imstande, bei Tieren, zB Schimpansen, aber auch bei Pflanzen, Bewußtsein zu erkennen. Der ZEIT-Redakteur ist offensichtlich bereits vom Virus der moderen Hirnforschung infiziert und kann nur noch Roboter wahrnehmen. JEDES Verhalten interpretiert er als von Genen gesteuert, also robotisch. Und Roboter haben keine Würde.

Ich wünsche mir, die Biologin setzt sich in der Kommission, die die Würde der Pflanzen untersucht, gegen die Roboter durch.

Chris [Besucher]

07.03.06 @ 23:43
Dieser Redakteur hat offenbar die vollen Konsequenzen des materialistischen Weltbildes noch nicht ganz verstanden. Wie will er bitte aus dem Materialismus folgern, daß der Mensch eine Würde habe und eine Pflanze nicht? Wenn er an die Evolutionstheorie glaubt, dann ist sowohl er selbst als auch die Pflanze ein Produkt ein und desselben Ausleseprozesses. Wenn er also alles, was man am Verhalten einer Pflanze als Ausdruck von Bewußtsein uns Kommunikation deuten kann, bloß als einen mechanischen Prozeß interpretiert, dann müßte er dasselbe beim Menschen auch tun. Auf dieser Grundlage kann er aber auch dem Menschen keine Würde zuschreiben.

Wenn er glaubt, daß jedes Verhalten ausschließlich von Genen gesteuert wird, dann gilt das für Pflanzen und für Menschen gleichermaßen, nur die Gene unterscheiden sich voneinander. Woher will er wissen, welche genetischen Eigenschaften ein Individuum haben muß, damit man ihm eine Würde zuschreiben kann (muß)? Aus Sicht der Genetik kann er es nicht wissen, es sei denn, er behauptet so etwas in der Art wie: "Die Genetiker gehen davon aus, daß ein Lebewesen eine Würde hat, wenn es die und die genetischen Eigenschaften hat". Aber dann ist er derjenige, der anthropozentrisch denkt, und sogar "Genetiker-zentrisch", weil es auch Menschen gibt, die solche Fragen nicht nur auf den genetischen Standpunkt reduzieren.

Ich glaube, daß wir es hier mit einem gestörten Verhältnis gegenüber dem Thema Leben zu tun haben. Vertreter des monistischen Materialismus sind nicht kompetent, den Begriff "Leben" angemessen zu definieren. Ich möchte noch dazusagen, daß ich dieses Interview bisher noch nicht gelesen habe, für den Fall, daß das, was ich hier geschrieben habe, so nicht auf den Redakteur zutrifft. Möchte ich aber noch nachholen.

Viele Grüße,

Chris

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
08.03.06 @ 11:26

Hallo Chris,

ich erinnere mich an ein Wort meines Philosophieprofessors (T. Metzinger), der sagte, Insekten haben sicher noch kein Bewußtsein, wohl aber alle Säugetiere. Irgendwo dazwischen liege die Grenze, ab der das Licht (der Bewußtheit)angeknipst werde.

Mit anderen Worten: Er glaubt, Qualität könne aus Quantität entstehen. Ab einer bestimmten Hirnmasse entstünde Bewußtsein als Epiphänomen, als Nebenwirkung.

Allerdings habe Bewußtsein keine Funktion. Bewußtsein könne nichts bewirken: Mentale Systeme haben keinen Einfluß auf das physikalische, da das phys. System ein geschlossenes sei. Und da Bewußtsein nicht auf den Körper wirken könne, (sondern selbst bloß Wirkung des Körpers sei) könne man (so versuchen die Hirnforscher P und X. Churchland zu untermauern) auf die gesamte religionsgeschichtlich erklärbare außerwissenschaftliche Sprache (mit Begriffen wie Ich, Bewußtsein, Moral, Wahrheit, Freiheit usw) verzichten.

Meiner Ansicht nach bedeuten Aussagen wie diese, daß nach Ansicht materialistischer Hirnforscher die oben angesprochene Qualität gar nicht wirklich entstanden sei. Wir bleiben demnach im Sumpf der toten Materie. Evolution hat nie stattgefunden. An anderer Stelle sagte M., das bewußte "Ich" sei eine Illusion von niemand.

Welches "Licht" soll denn da angeschaltet worden sein? Das Licht der Illusion? Das Licht der Täuschung? Und niemand da, der getäuscht wird? Täuschung ohne Getäuschte?

Ich halte das Ganze für einen ausgemachten Schwachsinn.

Kowalski [Besucher]

08.03.06 @ 15:18
Ich habe die folgende Überlegung anzubieten:

Die Debatte, ob Bewusstsein ein Epiphänomenon materieller Prozesse ist oder nicht, ist ein Nebenschauplatz. Das eigentliche Wunder besteht in der unglaublichen Intelligenz, die sich in den materiellen Prozessen zum Ausdruck bringt. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass das menschliche Bewusstsein ein Epiphänomenon materieller Prozesse ist, so stehen wir doch letztlich mit sprachloser Ehrfurcht vor der unfassbaren Schöpferkraft, die sich durch diese materiellen Prozesse (inkl. menschliches Bewusstsein) zum Ausdruck bringt! In dieser Intelligenz und ihrem Ausdruck (jungfräuliche Natur) nicht das Göttliche zu sehen, das ist die eigentliche Blindheit des modernen Menschens.

Beste Grüsse,

Kowalski

Chris [Besucher]

08.03.06 @ 20:07
Hallo Kowalski,

ich stimme deiner Einschätzung nicht zu, daß die Frage, ob das Bewußtsein ein Epiphänomenon eines materiellen Prozesses ist oder nicht, nicht wesentlich sei. Du schreibst: "Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass das menschliche Bewusstsein ein Epiphänomenon materieller Prozesse ist [...]". Aber meine Frage lautet dann: Unter welchen Umständen kann sich das herausstellen, oder besser, was muß geschehen, damit diese Frage in deinen Augen als beantwortet gilt? Ich meine nämlich, daß diese Frage auf empirische Weise nicht beantwortet werden kann, und zwar auf prinzipiellen Gründen.

Um das plausibel zu machen: Wenn ein Wissenschaftler versucht, die materiellen Prozesse, die in seinem Geist ablaufen, komplett zu entschlüsseln, dann ist der Vorgang des Entschlüsselns selbst auch wieder ein geistiger Prozeß. Er müßte also genau in dem Augenblick, in dem er beginnt, seine eignen Hirnprozesse zu analysieren, sein Modell so erweitern, daß die Gedankenprozesse, die er sich beim analysieren macht, ebenfalls miteingeschlossen sind. Sobald er aber damit beginnt, sich Gedanken über die Erweiterung seines Modells zu machen, ist das ebenfalls wieder ein geistiger Prozeß, um das er sein Modell erneut erweitern muß, und das geht natürlich unendlich so weiter. Die Folge: Dieser Wissenschaftler würde innerhalb kurzer Zeit durchdrehen.

Da aber durch genau diese Art des Denkens in unserer Gesellschaft bereits ziemlich viele Menschen verrückt geworden sind, halte ich es für wichtig, das Nachdenken über so Dinge wie Geist, Bewußtsein usw. von der Idee zu lösen, diese Phänomene hätten eine materielle Grundlage.

Viele Grüße,

Chris

Kowalski [Besucher]

08.03.06 @ 22:28
[Chris]: ich stimme deiner Einschätzung nicht zu, daß die Frage, ob das Bewußtsein ein Epiphänomenon eines materiellen Prozesses ist oder nicht, nicht wesentlich sei. Du schreibst: "Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass das menschliche Bewusstsein ein Epiphänomenon materieller Prozesse ist [...]". Aber meine Frage lautet dann: Unter welchen Umständen kann sich das herausstellen, oder besser, was muß geschehen, damit diese Frage in deinen Augen als beantwortet gilt? Ich meine nämlich, daß diese Frage auf empirische Weise nicht beantwortet werden kann, und zwar auf prinzipiellen Gründen.

# Hi Chris,

Ich bin vollkommen Deiner Meinung, dass die Ergebnisse empirisch-wissenschaftlicher Forschung nicht die Frage klären werden können, ob das Bewusstsein ein Epiphänomenon materieller Prozesse ist.

Was ich egentlich meinte mit meiner Aussage, dass ‚selbst wenn’ empirisch-wissenschaftliche Forschung diese Frage klären könnte, damit die essentielle Realität ‚materieller Prozesse’, nämlich dass diese offensichtlich ‚intelligent’ sind, nicht in Frage gestellt ist. Wenn wir dann einen Schritt weiter gehen und die Frage nach dieser sich in der Natur und den so abschätzig genannten ‚materiellen Prozessen’ zum Ausdruck gebrachten Intelligenz stellen, ja wer ausser ein Blinder am Krückstock würde denn dann die Göttlichkeit derselben leugnen können?

***

[Chris]: Da aber durch genau diese Art des Denkens in unserer Gesellschaft bereits ziemlich viele Menschen verrückt geworden sind, halte ich es für wichtig, das Nachdenken über so Dinge wie Geist, Bewußtsein usw. von der Idee zu lösen, diese Phänomene hätten eine materielle Grundlage.

# Meine Überlegung ist die folgende:

Es kann keine Phänomene ohne materielle Grundlage geben, denn was sollte dass denn sein? Ein ‚körperloser Geist’ ist ein ‚non ens’. Gleichermassen aber grenzt es an Idiotie, wenn Gehirnforscher ‚Intelligibilität’ (geistiges Erkennen) wegerklären. Diese Idiotie ist letztlich darauf zurückzuführen, dass wir seit Descartes mit einem falschen Materie-Begriff herumhantieren.

Wenn wir buchstäblich davon ausgehen, dass alles mit allem zusammenhängt, dann müssen geistige Prozesse identisch mit materiellen Prozessen sein und umgekehrt. Dann muss Intelligenz (Licht) identisch mit unintelligibler Materie (Dunkelheit) sein. Und das muss metaphorisch gesprochen deshalb so sein, weil das Licht alles beleuchten kann ausser sich selbst! Es muss also so sein, dass das Licht (Intelligenz) blind sich selbst gegenüber ist. Das Auge kann alles sehen ausser sich selbst. Deshalb ist das, was das Auge (Licht, Intellekt, Intelligenz) ist, aber nicht sehen kann, die eigentliche Materie. Damit meine ich aber nicht ‚Phänomene’, sondern die diesen Phänomenen zugrundeliegende Realität, materia prima, vollkommen unintelligibel und unerkennbar (Dunkelheit), das ist der Geist (Licht), wenn er auf sich selbst zurückgeführt wird.

Shankara schreibt, dass Brahman (das ‚Höchste Prinzip’) der Seher (oder Wissende) ist und dass der Seher alles sehen (oder wissen) kann, aber er kann sich nicht selbst zum Objekt seines Sehens (oder Wissens) machen! Nichtsdestotrotz kann Brahman aber nichts anderes sehen (oder wissen) ausser sich selbst, denn es gibt nichts ausserhalb seiner selbst. Das was Brahman ist, aber von sich nicht wissen kann, ist ‚Materie’.

In Analogie dazu:

Versucht der menschliche Geist sich selbst zum Objekt seines Wissens zu machen, so wird er nichts erkennen, denn er ist gezwungenermassen blind für sich selbst als sein eigenes Objekt. Wenn also der Wissenschaftler (Bewusstsein) die Frage nach dem Bewusstsein (als Objekt des eigenen Bewusstseins) stellt, so wird er sie nicht positiv beantworten können. Er wird zu dem (idiotischen) Ergebnis kommen, dass es ihn (Bewusstsein) gar nicht gibt (‚Ich bin eine Illusion von niemand’), weil er sich als Bewusstsein nicht finden kann. Interessanterweise heisst es nicht umsonst ‚Niemand – sieht Gott’, wobei das Wort ‚Niemand’ (Nemo) ein Name ist, den der (spirituelle) Held erhält, wenn er die (spirituelle) ‚Suche’ (Quest) erfolgreich besteht. („Warum fragst Du nach meinen Namen? – Er ist ein Geheimnis.“ Richter 13:19 „Wir können ihm – dem Einen – keinen Namen geben.“ Plotinus V.3.13 „Das Tao das einen Namen hat ist nicht das wahre Tao.“ Laotse)

Beste Grüsse,

Kowalski

Chris [Besucher]

10.03.06 @ 01:04
Hallo Kowalski,

ich glaube, unsere Differenzen sind eher von geringer Art und rühren möglicherweise daher, daß wir den Begriff Materie unterschiedlich verwenden. Du verwendest das Bild vom Auge, das alles sehen kann, außer sich selbst, und vom Licht, das alles beleuchten kann, außer sich selbst. Um bei dieser Analogie zu bleiben, die ich sehr hilfreich finde: Als Materie würde ich das bezeichnen, was für das Auge sichtbar ist, während ich das Auge dem Geistaspekt zuordnen würde. Damit wäre das, was ich als nichtmateriellen Geist bezeichne, also genau der Aspekt, den du als "materia prima" oder als "die eigentliche Materie" bezeichnest. Vielleicht löst sich darin das Verständnisproblem auch schon auf.

Mit einem materiellen Prozeß meine ich meine ich entsprechend einen bloßen Mechanismus, der für den menschlichen Intellekt greifbar ist, also z.B. die Funktion eines Uhrwerks, oder eines Computers. Sollte es abschätzig klingen, wenn ich von materiellen Prozessen schreibe, kann ich nur sagen, daß ich einem materiellen Prozeß neutral gegenüber eingestellt sein sollte, denn nichts anderes ist er: Völlig neutral. Wenn der menschliche Intellekt aber nun versucht, sich selbst als mechanischen Vorgang zu deuten, und komplett zu verstehen, kommt es zu dieser Rückbezüglichkeit, die ich in meiner letzten Antwort beschrieben habe, und die du ja auch ansprichst:

Versucht der menschliche Geist sich selbst zum Objekt seines Wissens zu machen, so wird er nichts erkennen, denn er ist gezwungenermassen blind für sich selbst als sein eigenes Objekt. Wenn also der Wissenschaftler (Bewusstsein) die Frage nach dem Bewusstsein (als Objekt des eigenen Bewusstseins) stellt, so wird er sie nicht positiv beantworten können. Er wird zu dem (idiotischen) Ergebnis kommen, dass es ihn (Bewusstsein) gar nicht gibt (‚Ich bin eine Illusion von niemand’), weil er sich als Bewusstsein nicht finden kann.

Genauso, wie man seine eigenen Augen nie sehen kann, aber trotzdem wissen kann, daß man welche hat, allein durch die Tatsache, daß man sehen kann, kann man auch erkennen, daß man ein Bewußtsein hat, nämlich durch die Tatsache, daß man in der Lage ist, sich diese Frage zu stellen. Was die eliminativen Materialisten machen (zu denen sich meines Wissens nach die Churchlands, die Jo erwähnt hat, rechnen), ist etwa so, als wenn jemand darauf besteht, nur das zu glauben, was er sieht, und deshalb nicht glaubt, daß er Augen im Kopf hat, wenn ihm das jemand erzählt. Wenn diese Leute tatsächlich glauben, sie könnten auf Begriffe wie Bewußtsein, Leben, Ich, Person, ... vollständig verzichten, werden sie sehr bald feststellen, daß sie völlig kommunikationsunfähig geworden sind.

Eins wollte ich noch erwähnen, nämlich zu deiner Aussage:

Was ich egentlich meinte mit meiner Aussage, dass ‚selbst wenn’ empirisch-wissenschaftliche Forschung diese Frage klären könnte, damit die essentielle Realität ‚materieller Prozesse’, nämlich dass diese offensichtlich ‚intelligent’ sind, nicht in Frage gestellt ist.

Da bleibe ich trotzdem stur und entgegne: Ja, wenn. Aber es geht nicht. Ich versuche zu erklären, warum mir das so wichtig ist: Viele Menschen, insbesondere solche, die vom mathematisch-naturwissenschaftlichen Denken beeinflußt sind (zu denen ich mich auch zähle), verfallen dem Glauben, daß man diese Frage doch irgendwie mit Hilfe der wissenschaftlichen Methode klären können müßte, etwa nach dem Motto: "Irgendwie muß es ja doch gehen." Sie glauben dann, man müßte all seine zu Verfügung stehende Kraft nur noch in diese wissenschaftliche Vorgehensweise stecken, um möglichst weit zu kommen zu können. Weiterhin meinen sie dann, daß die Beschäftigung mit so Themen wie Kunst, Kultur und Philosophie nur die Zeit verschwenden würde, die sie für die Erweiterung ihres wissenschaftlichen Verständnisses benötigten würden, das ihrer Meinung nach sie allein weiterbringt. Ich kann das bei Leuten, mit denen ich regelmäßig zu tun habe, beobachten. Auch halte ich mich selber noch nicht für völlig frei davon.

Meiner Meinung nach handelt es sich dabei aber um einen katastrophalen Irrtum, der diese Leute dazu bringt, ihr ganzes Leben für eine sinnlose Vorgehensweise zu opfern; gleichzeitig können sie für diejenigen, die sich in diesen Geisteszustand noch nicht haben hineinziehen lassen, nur noch mehr oder weniger ausgeprägte Verachtung empfinden. Kurz: Diesen Leuten müßte klar gemacht werden, daß das, was sie da vorhaben, so nicht funktioniert und eine sinnlose Beschäftigung ist.

Beste Grüße,

Chris

Kowalski [Besucher]

10.03.06 @ 13:12
[Chris]: ich glaube, unsere Differenzen sind eher von geringer Art und rühren möglicherweise daher, daß wir den Begriff Materie unterschiedlich verwenden. Du verwendest das Bild vom Auge, das alles sehen kann, außer sich selbst, und vom Licht, das alles beleuchten kann, außer sich selbst. Um bei dieser Analogie zu bleiben, die ich sehr hilfreich finde: Als Materie würde ich das bezeichnen, was für das Auge sichtbar ist, während ich das Auge dem Geistaspekt zuordnen würde. Damit wäre das, was ich als nichtmateriellen Geist bezeichne, also genau der Aspekt, den du als "materia prima" oder als "die eigentliche Materie" bezeichnest. Vielleicht löst sich darin das Verständnisproblem auch schon auf.

# Ja, ich sehe, wir meinen genau dasselbe.

***

[Chris]: Mit einem materiellen Prozeß meine ich meine ich entsprechend einen bloßen Mechanismus, der für den menschlichen Intellekt greifbar ist, also z.B. die Funktion eines Uhrwerks, oder eines Computers. Sollte es abschätzig klingen, wenn ich von materiellen Prozessen schreibe,

# Die Abschätzigkeit ‚materiellen Prozessen’ gegenüber habe ich nicht bei Dir gesehen, sondern bei den modernen Wissenschaftlern, von deren Reduktionismus Du Dich ja abgrenzen wolltest.

Ich sehe die folgende Problematik:

Unserer abendländische Geistesgeschichte hat uns de facto die Verdammung der Materie aufgezwungen. Da haben wir einmal das Christentum mit seiner Unterdrückung des weiblich-materiellen und in gewisser Weise sind die modernen Wissenschaften (seit Descartes) die Erben dieser unseligen Betrachtungsweise. Sie haben zwar alles auf die Materie reduziert. Sie haben aber auch die Materie selbst reduziert – auf einen blossen Mechanismus! Andererseits haben wir durch das Mönchstum eine Tradition der Überbetonung des Geistigen. Diese ungesunde Trennung zwischen Geist (Aufwertung) und Materie (Abwertung) und die sich daran anschliessende Abwendung vom Geist ohne aber die Materie wieder aufzuwerten, das ist salopp gesagt die zweifelhafte Errungenschaft von 2000 Jahren abendländischer Geistesgeschichte, die in Form des zerstörerischen Globalismus der gesamten Welt aufgezwungen wird.

Es ist daher wirklich schwer über Begriffe wie Geist und Materie zu schreiben und nachzudenken, da unser Vorverständnis augfrund unseres geistesgeschichtlichen Erbes sich möglicherweise mehr als hinderlich erweisen wird, insofern nämlich als dass wir unbewusst in eine die Materie abwertende Opposition gezwungen werden, wenn wir vom Geist sprechen und umgekehrt.

Ich schlage daher vor, dass wir uns als erstes vom gängigen (mechanischen) Materie-Begriff lösen, der letztlich nichts weiter als eine Projektion unseres (mechanischen und konditionierten) Verstandes ist. Hat man den (mechanischen) Materie-Begriff erst einmal zu seinem Ursprung (Verstand) zurückverfolgt, ist man zugleich auch der Gefahr entronnen, unbewusst Geist gegen Materie auszuspielen, so wie es die mittelalterlichen Mönche getan haben.

Bevor Descartes war Geist ein Synonym für ‚Essenz’ (Formgeber) und Materie für ‚Substanz’ (Formnehmer). Die Essenz ist der Intellekt (Licht) und die Substanz ist das Unintelligible (Dunkelheit). Wenn jetzt der Intellekt (Licht) das Unintelligible beleuchtet, dann sieht er nie die Materie Dunkelheit) als solche, denn diese ist das ihm vollkommene Fremde, denn Licht kann Dunkelheit nicht sehen, denn wo immer das Licht hinleuchtet, wird es hell. Deshalb sind alle Dinge Spiegelungen des sich selbst beleuchtenden Intellekts: Inter ‚L’ lectus! [Lese in ‚EL’ (Gott)] Der menschliche Intellekt hat zwei Grenzen: Einmal ist da eine obere und das ist die ‚super-luminöse Dunkelheit’ (Dionysius Aeropagite) oder die absolute Unerkennbarkeit Gottes, was sich im Alten Testament in dem ‚Niemand kann Gott von Angesicht zu Angesicht sehen“ zum Ausdruck bringt. Eine andere Lesart wäre: ‚Der Intellekt (Licht) kann sich nicht zum Objekt seiner selbst machen.’ Deshalb sind alle Dinge de facto die ‚Rückseite’ (Spiegelungen) des Intellekts, den wir deshalb auch nicht direkt sondern nur indirekt aus denselben ableiten können, in dem wir nämlich die ‚Zeichen’ (Buch der Natur) lesen lernen. Und dann ist da eine untere Grenze und das ist die Unkenntlichkeit (Unintelligibilität), das also was vom Intellekt nicht erkannt werden kann, weil es dort nichts zu erkennen gibt, weil es das ihm vollkommen Fremde ist, so wie Dunkelheit dem Licht vollkommen fremd ist. Aus der Perspektive der Transzendenz betrachtet fallen die beiden Grenzen in sich zusammen und bilden ein Drittes. Und dieses Dritte ist ganz eigentlich die Einheitsrealität des Seins.

Interessant ist auch noch gerade in diesem Zusammenhang, dass die Materie sich einer genauen Definition entzieht. Die mechanische Betrachtungsweise ist spätestens seit der Quantenphysik ad absurdum geführt, auch wenn das bisher nicht bis zu den moderenen Gehirnforschern durchgedrungen ist. Mechanische Betrachtungsweisen sind Sandkastenspielereien eines Intellekts, der auf der Stufe eines Primaners stehengeblieben ist.

***

[Chris]: kann ich nur sagen, daß ich einem materiellen Prozeß neutral gegenüber eingestellt sein sollte, denn nichts anderes ist er: Völlig neutral. Wenn der menschliche Intellekt aber nun versucht, sich selbst als mechanischen Vorgang zu deuten, und komplett zu verstehen, kommt es zu dieser Rückbezüglichkeit, die ich
in meiner letzten Antwort beschrieben habe, ...

(..)

Genauso, wie man seine eigenen Augen nie sehen kann, aber trotzdem wissen kann, daß man welche hat, allein durch die Tatsache, daß man sehen kann, kann man auch erkennen, daß man ein Bewußtsein hat, nämlich durch die Tatsache, daß man in der Lage ist, sich diese Frage zu stellen.

# Das sehe ich genau so.

[Chris]: Was die eliminativen Materialisten machen (zu denen sich meines Wissens nach die Churchlands, die Jo erwähnt hat, rechnen), ist etwa so, als wenn jemand darauf besteht, nur das zu glauben, was er sieht, und deshalb nicht glaubt, daß er Augen im Kopf hat, wenn ihm das jemand erzählt. Wenn diese Leute tatsächlich glauben, sie könnten auf Begriffe wie Bewußtsein, Leben, Ich, Person, ... vollständig verzichten, werden sie sehr bald feststellen, daß sie völlig kommunikationsunfähig geworden sind.

# Das sehe ich genau so.

{Chris]: Eins wollte ich noch erwähnen, nämlich zu deiner Aussage:

Was ich egentlich meinte mit meiner Aussage, dass ‚selbst wenn’ empirisch-wissenschaftliche Forschung diese Frage klären könnte, damit die essentielle Realität ‚materieller Prozesse’, nämlich dass diese offensichtlich ‚intelligent’ sind, nicht in Frage gestellt ist.

Da bleibe ich trotzdem stur und entgegne: Ja, wenn.

Aber es geht nicht. Ich versuche zu erklären, warum mir das so wichtig ist: Viele Menschen, insbesondere solche, die vom mathematisch-naturwissenschaftlichen Denken beeinflußt sind (zu denen ich mich auch zähle), verfallen dem Glauben, daß man diese Frage doch irgendwie mit Hilfe der wissenschaftlichen Methode klären können müßte, etwa nach dem Motto: "Irgendwie muß es ja doch gehen." Sie glauben dann, man müßte all seine zu Verfügung stehende Kraft nur noch in diese wissenschaftliche Vorgehensweise stecken, um möglichst weit zu kommen zu können. Weiterhin meinen sie dann, daß die Beschäftigung mit so Themen wie Kunst, Kultur und Philosophie nur die Zeit verschwenden würde, die sie für die Erweiterung ihres wissenschaftlichen Verständnisses benötigten würden, das ihrer Meinung nach sie allein weiterbringt. Ich kann das bei Leuten, mit denen ich regelmäßig zu tun habe, beobachten. Auch halte ich mich selber noch nicht für völlig frei davon.

# Das ist eine extrem scharfsinnige Beobachtung, die Du da gemacht hast. Das sehe ich ganz genau so!

Damit man sich, so wie ich weiter oben gefordert habe, vom gängigen Materie-Begriff lösen kann, muss man wissenschaftlich-empirische Arbeit mit den ‚Künsten’ im weiteren Sinne ergänzen.

In ‚The Sufis’ schreibt Idries Shah:

[I]ntellectual development is sometimes won at the sacrifice of emotional adjustments. This danger has long been apparent to those Sufis who were interested in scientific work. One of them, Anwar Faris, says:

“The twin exercises of identification and detachment are valuable in the training of the self. Too much identification produces an atrophy of the faculty of detachment. Fanaticism is the frequent result. A man becomes attached to something and cannot escape.”

The Spendor of Moorish Spain (1935, Joseph McCabe]:

“… all but a few literary cranks now see that the main line of human progress is in the extension of the scientific spirit to the whole of life. But it must be kept carefully in mind that this is only half of the Arab ideal of life. To most of their thinkers it would have seemed meaningless to ask if science were not in some danger of making men hard, calculating, overintellectual, cold, insensitive to beauty and art. Their students of science were quite commonly poets and musicians. That there was any antagonism between the intellectual and the emotional life, that both could not be cultivated by the same person, would have seemed to them a paradox.”

[Chris]: Meiner Meinung nach handelt es sich dabei aber um einen katastrophalen Irrtum, der diese Leute dazu bringt, ihr ganzes Leben für eine sinnlose Vorgehensweise zu opfern; gleichzeitig können sie für diejenigen, die sich in diesen Geisteszustand noch nicht haben hineinziehen lassen, nur noch mehr oder weniger ausgeprägte Verachtung empfinden. Kurz: Diesen Leuten müßte klar gemacht werden, daß das, was sie da vorhaben, so nicht funktioniert und eine sinnlose Beschäftigung ist.

# Rene Guenon nennt diese sinnlose Vorgehensweise den ‚systematischen Geist’. Wenn dieser von einem Besitz ergreift, dann will man alles in ein Schema pressen, alles kategorisieren und definieren und dadurch ‚beherrschbar’ machen. Die Materie ist, wie ich oben geschrieben habe, ganz eigentlich das Unintelligible, das was nicht erkannt werden kann und das macht den systematischen Geist wahnsinnig, denn er will ja alles erkennen, sprich: in Begriffe fassen und damit kontrollieren!

Hinter dem ‚systematischen Geist’ verbirgt sich letztlich ein (männlicher) Machtkomplex. Man kann das bei sich selbst (aus der Perspektive des Mannes) in Liebesbeziehungen feststellen. Frauen können Männer zum Wahnsinn treiben, weil in der Frau etwas vollkommen Fremdes steckt, dass Männer generell abschätzig als ‚irrational’ bezeichnen. Wahre (transzendente) ‚Liebe’ ist jetzt wenn Himmel (Intellekt) und Erde (Materie) sich vereinen und das drückt sich auch in der individuellen Liebesbeziehung. Die gegenseitige Hingabe ist nur dann möglich, wenn das vollkommen Fremde im anderen angenommen werden kann, was wiederum voraussetzt, dass der unbewusste Machtkomplex überwunden ist. Denn das vollkommene Fremde erfüllt die Seele regelmässig mit Angst, denn es ist der Tod! (Die Dunkelheit ist der Tod des Lichtes.) Deshalb schreibt Nietzsche: „Lieben und Sterben, das reimt sich seit Ewigkeiten, willig sein zur Liebe, das ist auch willig sein zum Tode.“ Und Jesus Christus sagt: „Wer sein Leben verliert, findet es; und wer an seinem Leben hängt, verliert es.“

Die beste Übung, um sich vom ‚systematischen Geist’ zu befreien, besteht darin, lineare Denkmuster zu unterbrechen und in multidimensionale Sinnzusammenhänge einzutauchen. Mit anderen Worten: Übe das symbolische (und analoge) Denken! (Kontemplation)

Wie tut man das? Indem man intelligible Begriffe mit sinnlichen Objekten verbindet.

Beispiel:

‚Gedanken’ (intelligibler Begriff) ‚Pferd’ (sinnliches Objekt)

‚Weisheit’ ‚Zügel’

„Ich reite das Pferd meiner Gedanken und führe es an den Zügeln der Weisheit und mit den Händen der Vernunft zum Tempel der Liebe [Erkenntnis].“

Jetzt kann man sich beispielsweise fragen: Ja, was passiert, wenn ich die Zügel der Weisheit aus den Händen lasse? Das Pferd meiner Gedanken könnte dann ‚mit mir durchgehen’. Ich könnte vom Pferd fallen und den Abhang der Dummheit hinunterrollen oder in der gottverlassenen Wildniss verwirrender Theorien landen.

‚Die Seele denkt in Bildern.’ (Aristoteles)

Beste Grüsse,

Kowalski

Chris [Besucher]

11.03.06 @ 14:08
Hallo Kowalski,

danke für deine ausführliche Antwort. Ich vermute ebenfalls, daß wir im wesentlichen dasselbe meinen, auch wenn wir es zum Teil in unterschiedlichen Worten ausdrücken. Ich stimme deinen Gedanken zu.

Das ist eine extrem scharfsinnige Beobachtung, die Du da gemacht hast. Das sehe ich ganz genau so!

Danke für das Kompliment :-). Wie gesagt bin ich selber Naturwissenschaftler und bin deshalb auch mit dem extrem starken Einfluß, den dieses falsche Menschenbild ausübt, konfrontiert. Ich vermute aber, daß es nur sehr wenige Menschen, die sich für das naturwissenschaftliche Arbeiten entschieden haben, gibt, die sich dessen voll bewußt sind. Obwohl einige auf mich den Eindruck machen, daß sie sich doch nicht so ganz sicher sind, ob das wissenschaftlichen Arbeiten denn alles sein kann, wagen sie es doch nicht, die Vorstellung loszulassen, daß man nur auf diese etwas erreichen kann. Wahrscheinlich aus Angst, dadurch den Halt in ihrem Leben zu verlieren.

Die Lösung, die Jo anbietet, nämlich das empirisch-wissenschaftliche Denken an sich in Frage zu stellen, halte ich für die richtige. Man kann dem geschlossenen wissenschaftlichen Weltbild nicht entkommen, indem man den Ausweg innerhalb dieser Methode sucht. Das ist ja schon ein Widerspruch in sich (meiner Meinung nach sind z.B. die Parapsychologen diesem Glauben zum Opfer gefallen).

Beste Grüße,

Chris

Kowalski [Besucher]

11.03.06 @ 15:19
[Chris]: Die Lösung, die Jo anbietet, nämlich das empirisch-wissenschaftliche Denken an sich in Frage zu stellen, halte ich für die richtige. Man kann dem geschlossenen wissenschaftlichen Weltbild nicht entkommen, indem man den Ausweg innerhalb dieser Methode sucht. Das ist ja schon ein Widerspruch in sich (meiner Meinung nach sind z.B. die Parapsychologen diesem Glauben zum Opfer gefallen).

# Hi Chris,

ja, da stimme ich Dir vollkommen zu. Ich denke, das ist ein ungemein fruchtbarer Vorschlag, das empirisch-wissenschaftliche Denken an sich in Frage zu stellen.

Ich erachte auch Deine weiteren Bemerkungen und Beobachtungen als für äusserst 'luzide'.

Jo, vielleicht kannst Du eine Diskussionsgruppe ins Leben rufen, in der wir diesen Vorschlag der Infragestellung des empirisch-wissenschaftlichen Denkens gemeinsam aufgreifen und uns im Dialog ein diesbezügliches Bewusstsein erarbeiten?!

Beste Grüsse,

Kowalski

Hanjoheyer [Mitglied]
http://www.hanjoheyer.de
10.03.06 @ 11:48

Hallo Chris und Kowalski,

zu: "ich glaube, unsere Differenzen sind eher von geringer Art und rühren möglicherweise daher, daß wir den Begriff Materie unterschiedlich verwenden",

möchte ich anmerken, daß ich mit Kowalski schon einmal eine harte Diskussion über seine Theorie "intelligenter Materie" hatte, die sogar zu einer mehr als halbjährigen "Sendepause" zwischen uns führte. Ich vertrat (vertrete) die Auffassung, daß man den Materiebegriff nicht derart inhaltlich erweitern könne, bis sie inteligenz- und willensfähig sei. Dann sei Materie nämlich nicht mehr von Geist zu unterscheiden.

Materie ist ein physikalischer Begriff und an die wissenschaftliche Methodik gekoppelt, die grundsätzlich keine Aussagen über Intelligenz, Wille, Bewußtsein, Moral, Freiheit usw. erlaubt.

Materie ist Geist der nicht als Geist erscheint. In der Erscheinung ist keine Intelligenz; aber man kann aus der Erscheinung auf Intelligenz jenseits ihrer schließen.

Die Frau, die den Staat abschafft
von Hanjoheyer @ 2006-03-09 - 11:50:00
http://www.zeit.de/2006/08/Merkel

von Robert Menasse.

Als ich heute Morgen beim Frühstück auf obigen Artikel stieß, kam mir noch vor der Lektüre die Frage, warum Merkel den Staat abschafft. Und eine Sekunde später kam mir bereits die Antwort zugeflogen:

Die Nationalstaaten werden abgeschafft, weil die Konzerne das Regieren übernommen haben. Sie bereichern sich am Staat, d.h. am Bürger, um mit den erschlichenen Milliarden andere Konzerne aufzukaufen. Dabei geht es nicht - und dies war der neue Gedanke - darum, daß deutsche Konzerne möglichst viele ausländische Konzerne kaufen, um Deutschland zu stärken, sondern es geht ausschließlich um die Machtwerweiterung der inzwischen staatenlosen Konzerne.

Die Bosse haben sich entschieden, daß die Idee von Nation und Demokratie ausgedient habe. Macht sei nicht mehr an Raum (Boden, Bodenschätze, Landfläche) gekoppelt, sondern an sogenannter Information, also der Macht, die Massen in ihrem Sinne gehirnzuwaschen. Es geht um die Macht, Ideologien durchzusetzen. Wenn die Konzerne in der Lage sind, die Bodenschätze einer jeden Nation ungestraft zu plündern, hat der Boden seine Funktion als staatstragendes Fundament verloren.

Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, öffnete ich die Startseite von ZEITonline und fand drei wichtige Titel:

Übernahmen

»Wir sind gewappnet«
Der Fusionsboom macht der EU weniger Sorgen als der neue Protektionismus ihrer Mitglieder »

Aufbauen und zerstören - Wellen der Unternehmensübernahmen »

Jeden Tag ein neuer Deal - Die deutsche Wirtschaft kauft Firmen »

http://www.zeit.de/2006/11/bernahmen_Interview_Rller
http://www.zeit.de/2006/11/Kasten_2
http://www.zeit.de/2006/11/bernahmen

Die Demokratie hat ausgedient. Es kommt die Zweiklassengesellschaft. Die dünne Schicht der Herren der Welt und das Sklavenheer der Völker. Wer sich gegen sein Sklaventum wehrt, wird zum Terroristen gestempelt und rücksichtslos vernichtet.

Es lohnt, in die Suchmaske von ZEITonline "Menasse" einzugeben und alles von ihm zu lesen.

"Es lohnt sich?" Das ist stark untertrieben. Es ist Pflichtlektüre. Schließlich geht es um nicht weniger als um Leben oder Tod.
Der Teufel ist seinem Pfuhl entstiegen und will unsere Welt seiner Hölle, die ihm zu eng geworden ist, hinzufügen.

Mich geht diese Hölle nichts mehr an. Wer eine Affinität zur Hölle hat - es sind die meisten - soll sich doch von Dreckblättern wie BILD, BamS und Glotze zum Sklaven programmieren lassen. Mich interessieren ausschließlich jene Menschen, die ihrer seelischen Vernichtung Widerstand leisten.

Ansonsten habe ich fertig.

Was uns retten wird:

Ich leide nicht unter Depressionen, weil ich weiß, was mich (und ein paar Andere) retten wird. Ich habe es in meiner HP erklärt: Die Wiederverzauberung der Welt. Dabei geht es darum, jene zu fördern, von denen man selbst gefördert werden will, und Energie von jenen Systemen abzuziehen, die ich für schädlich halte.

Das ist im Grunde eine Binsenweisheit. Wer zB BILD kauft, fördert BILD und ihre Lügen. Ich kaufe die ZEIT, weil ich von dieser Zeitung gefördert werde. Die primäre Energie ist natürlich mein Interesse, aber die mächtigste Sekundärenergie ist das Geld. Genaugenommen geht es nicht einmal um die ZEIT, die ich fördere, sondern um jene Redakteure, die über ein großes Bewußtsein verfügen und infolgedessen zum Schreiben von Artikeln in der Lage sind, welche meiner Selbstaufklärung dienlich sind. Ich unterstütze die ZEIT nur solange, wie sie Redakteure bezahlt, die echte Qualitätsartikel schreiben können und tatsächlich schreiben und die in der ZEIT veröffentlicht werden.

Was zählt, ist allein das Bewußtsein.

Ich habe herausgefunden, daß, wer sich an der Rettung der Welt beteiligen will, sich auf die Suche nach jenen Menschen machen muß, die über ein möglichst umfassendes Bewußtsein verfügen, und diese Menschen muß man nach Kräften unterstützen, und zwar dadurch, daß man ihnen hilft, ihre Ideen zu verbreiten und indem man dafür sogt, daß sie auch materiell in die Lage versetzt werden, den Ideologen der Herren der Welt Paroli zu bieten.

S. u.a. (kleine Auswahl): www.hanjoheyer.de/HerrenderWelt.html
www.hanjoheyer.de/Wiederverz1.html
www.hanjoheyer.de/Wiederverz2.html
www.hanjoheyer.de/Wiederverz3.html

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