Briefkasten 9
Briefe an Hans-Joachim Heyer
am 21.11.2002 verbesserte ich meine Antworten geringfügig

17.10.2002

Lieber Hans-Joachim,

mir scheint jetzt, der Kernpunkt, um den es geht, verbirgt sich in der Frage, was Lebensphilosophie ist, und was sie für Dich bedeutet. Ich beschreibe hier einmal, wie das für mich ausschaut:

Was ist Leben? Was ist Philosophie? Was haben beide miteinander zu tun? Auf Leben bin ich kurz eingegangen. Was ist Philosophie? Für mich ist Philosophie — vom heutigen Sprachgebrauch ausgehend — ein mentaler Vorgang. Deshalb habe ich Dein Verhalten auch als intellektuell bzw. rational bezeichnet. Es sind Denkvorgänge. Deine ganze Homepage beschreibt Denkvorgänge. Du sagst, dahinter kämest Du zum Vorschein. Für mich überhaupt nicht. Für mich fehlt der Mensch Hans-Joachim hier völlig. Dein Tagebuch ist für mich kein (echtes) Tagebuch — usw. usf.

Diese Art, zu philosophieren trägt für mich überhaupt nichts zur Erkenntnis bei. Auf die Wirklichkeit werden Interpretationen draufgesetzt, die sie bloß verzerren. Die eigentliche "Philosophie", wenn es Erkenntnisstreben wäre (ein anderer Begriff für Philosophie), fände erst statt, wenn aufgehört würde mit dem Denken und dem mentalen Interpretieren dessen, was ist. Dann käme heraus, was Du wirklich bist. Sobald Du aber zu denken anfängst, konstruierst Du (das hast Du ja bereits selbst gesagt). Du sagst, das sei ein Ausdruck dessen, was Du bist, sozusagen die kreative Artikulation. Du würdest etwas Neues erschaffen, eine neue Welt usw. (Korrigiere mich, wenn ich hier falsch liege.)

Für Dich ist Leben (und Philosophieren) also eine aktive Weise, die Welt zu gestalten. Das mag so sein. Ich beschreibe jetzt, wie es für mich ist: Für mich sind Denkvorgänge, also mentale Interpretationen keine Veränderungen der Wirklichkeit, sondern Verfälschungen. Für mich ist direktes Wissen entscheidend, nicht das Denken, das immer in der Zeit abläuft. Direktes Wissen ist die eigentliche Wissenschaft, indirektes Wissen, wie es Denken darstellt, ist für mich keine Wissenschaft. (Das ist der Unterschied zwischen dem Mystiker und dem Intellektuellen — es ist eine exakt konträre Sichtweise.) Für mich ist die Erfahrung dessen, was ist, der Kern, und nicht das Draufsetzen von Annahmen. Man könnte das Denken auch ein Träumen nennen. Du träumst Deine Welt. Ich bin.

Deine Interpretation, was Träumen bedeutet, und was wissendes Sein bedeutet, geht insoweit fehl, wenn Du implizierst, bei mir gäbe es nur das Nichts, sozusagen ein Vakuum. Leere, die die Essenz dessen ist, was existiert, ist kein Vakuum und schon gar kein Sinnvakuum, sondern Fülle, Bedeutungsfülle. Diese Leere erfährt nur, wer still sein kann und das Wesen des mentalen Prozesses erkennen kann. Dann weiß er, was zu wissen ist, und weiß auch, was geschieht (und "entsteht" — denn was entsteht, entsteht nur scheinbar).

Übrigens "nur scheinbar": Du sagst, für mich wäre alles "nur Schein" und ich würde mich deshalb aus der Welt verabschieden, anstatt sie mitzugestalten. (Ich hoffe, das ist richtig wiedergegeben.) Dazu sage ich: Auf der scheinbaren Ebene wird scheinbar mitgestaltet und auf der nicht scheinbaren Ebene passiert überhaupt nichts und ist auch noch nie etwas passiert bzw. wird auch nie etwas passieren. Das Denken auf der scheinbaren Ebene interessiert mich nicht. Es läuft einfach ab. Mich interessiert die nicht-scheinbare Ebene, weil ich da bin, was ich bin. Das ist direktes Wissen. Das zu haben, beantwortet alles.

Wenn Du auf der scheinbaren Ebene (Welt) einzugreifen versuchst (aus der nicht-scheinbaren, dem direkten Wissen heraus), ist das Unsinn. Das habe ich verglichen damit, daß ein Regisseur (oder besser: Autor) sich zugleich als Schauspieler des Stückes zu betätigen versucht. Dann zerstört er das Stück. Entweder er ist Autor oder Schauspieler; beides geht nicht.

Diesen Faden weitergesponnen: Wenn ich Dich richtig verstehe, ist das für Dich Magie: Eingreifender Autor zu sein. Der Autor schafft die Welt (das Leben, die Philosophie). Das ist richtig, wenn Du es von der richtigen, der nicht-scheinbaren Ebene betrachtest: Dann erschaffst Du alles, was es gibt — kein Zweifel. Dies ist allein Deine Welt, mit allem, was dazugehört, allen Menschen, allen Gedanken usw. Es ist aber (nach meiner Erkenntnis) sicher falsch, wenn Du zu teilen beginnst, z.B. in Herrenmenschen und Pöbel. Und wenn Du Dich auf dieser Ebene als neu kreierenden Magier siehst. Dann träumst Du den Ego-Traum. Du schaffst kein Neues, nur neue Verstrickungen. Ein Fehler ist dann übrigens auch, in dieser Welt Geld für Deine Erkenntnis dieser Welt kassieren zu wollen. Du willst aus Deiner Ebenenverwechselung auch noch einen Profit herausschlagen! Nein, in dieser Welt muß Du auch so auftreten, daß die Spielregeln dieser Welt berücksichtigt werden (sie wird Dich rechtzeitig daran erinnern, oder etwas später, wie es z.B. Herrn Rajneesh ergangen ist). Der Autor kann nicht innerhalb seines Stückes die Bezahlung fürs Ersinnen des Stückes kassieren, denn das Geld auf der Bühne ist nicht das Geld, das draußen gilt.

Auf der Ebene des Manifesten greife ich genau so ein wie jeder andere (aber eben nur scheinbar, und das ist kein "Nur", kein Weniger, sondern ein Mehr, weil ich nicht dem allgemeinen Trugschluß verfalle, nur das sei real). Ich gestalte, ich greife ein, ich arbeite, ich schreibe neue Seiten, z.B. über Architektur. In Wirklichkeit tue ich überhaupt nichts, und ich weiß das. Und weil ich es weiß, läuft alles richtig ab. Von dieser Seite her kannst Du es Erschaffen nennen oder Magie, aber das ist nur auf der Ebene des Phänomenalen richtig — und die spielt keine Rolle, wenn es um echte Erkenntnis geht.

Solange Du denkst, es gäbe einen Handelnden, und Du seist so ein Handelnder, irrst Du Dich komplett. Wir sehen alle wie Handelnde aus, aber wer sich auf direktes Wissen verlegt und nicht aufs Philosophieren, weiß, daß er es nicht ist. Ich muß aber zugeben, daß das nicht logisch-rational ergründbar oder beweisbar ist. Man kann es nur selbst wissen, weil es die eigene authentische Erfahrung ist. Die haben leider die meisten vergessen.

Gruß,
Gerd-Lothar

Antwort: Zu "Es sind Denkvorgänge. Deine ganze Homepage beschreibt Denkvorgänge. Du sagst, dahinter kämest Du zum Vorschein. Für mich überhaupt nicht. Für mich fehlt der Mensch Hans-Joachim hier völlig."

Ich trenne nicht zwischen mir und meinen Denkprozessen. Zu meinem Sein gehört auch das Denken. Denken ist eine Eigenschaft der Seele. Du begehst zudem einen Kategorienfehler: Wenn du meine HP liest, erhältst du selbstverständlich stets nur Mentales, Sprachliches, nicht mich persönlich! Auch wenn ich deine Texte lese, kommen auf meinen Monitor ausschließlich Worte, nie du selber! Du verlangst von mir Unmögliches: daß ich durch die Leitung zu dir gekrochen komme! Mich wirst du nie erleben - und ich nie dich. Das ist nun mal so. Du mußt, meine Texte interpretierend, mich hinter meinen Texten erraten, gleichwie ich dich hinter deinen Texten dich errate.

Zu: "Für mich sind Denkvorgänge, also mentale Interpretationen keine Veränderungen der Wirklichkeit, sondern Verfälschungen. Für mich ist direktes Wissen entscheidend, nicht das Denken, das immer in der Zeit abläuft. Direktes Wissen ist die eigentliche Wissenschaft, indirektes Wissen, wie es Denken darstellt, ist für mich keine Wissenschaft. (Das ist der Unterschied zwischen dem Mystiker und dem Intellektuellen — es ist eine exakt konträre Sichtweise.) Für mich ist die Erfahrung dessen, was ist, der Kern, und nicht das Draufsetzen von Annahmen. Man könnte das Denken auch ein Träumen nennen. Du träumst Deine Welt. Ich bin."

Direktes Wissen, wie du es verstehst, gibt es für mich nicht. Was du so nennst, erkenne ich als Essenz aus Interpretationen. Ich nannte dein "direktes Wissen" in meinen Schriften "Intuition". Ich fand heraus, daß diese Intuition nicht unwandelbar ist, sondern von dem geleitet wird, das ich meinen "wahren Glauben" nenne. Ich begann mein Philosophieren unter dem Vorsatz, herauszufinden, was ich denn wirklich glaube. Direktes Wissen ist die Essenz aus dem indirekten Wissen. Wenn Wissen sich in geistige Strukturen umwandeln, wenn aus Wissen mein Sein wird, wenn aus Wissen Weisheit wird, dann ist dieses Wissen nicht mehr Gegenstand von abstrakten Denkprozessen, sondern es ist zum Denkprozeß selbst - zu mir selbst - geworden. Indirektes Wissen ist von mir gesondert. Ich transzendiere dieses Wissen, indem ich es zu seeleneigner Substanz - zu meiner eigenen Struktur - mache. Dabei wird das Wissen transparent, ja unsichtbar: übersinnlich transzendent. Gelingt mir dieses Kunststück der geistigen Nahrungsaufnahme, bin ich vom Gelehrten zum Mystiker geworden - der die Welt natürlich träumt.

Zu: "Auf der scheinbaren Ebene wird scheinbar mitgestaltet und auf der nicht scheinbaren Ebene passiert überhaupt nichts und ist auch noch nie etwas passiert bzw. wird auch nie etwas passieren. Das Denken auf der scheinbaren Ebene interessiert mich nicht. Es läuft einfach ab. Mich interessiert die nicht-scheinbare Ebene, weil ich da bin, was ich bin. Das ist direktes Wissen. Das zu haben, beantwortet alles."

Vielleicht findet bei dir keine geistige Nahrungsaufnahme statt. Dann bleibt das "direkte Wissen" - die Seelenstruktur, dein reines Sein - stets unverändert. Und da das indirekte Wissen nicht in Nahrung umgewandelt wird, ist es unverdauliche Nahrung und damit wertlos für dich: es interessiert dich nicht mehr. Über direktes Wissen kann grundsätzlich keine Aussage gemacht werden. Wer es tut, begeht den o.g. Kategorienfehler (und für die Ganzgenauen: Auch diese Aussage konnte nicht ohne diesen Kategorienfehler gemacht werden).

Zu: "Wenn Du auf der scheinbaren Ebene (Welt) einzugreifen versuchst (aus der nicht-scheinbaren, dem direkten Wissen heraus), ist das Unsinn. Das habe ich verglichen damit, daß ein Regisseur (oder besser: Autor) sich zugleich als Schauspieler des Stückes zu betätigen versucht. Dann zerstört er das Stück. Entweder er ist Autor oder Schauspieler; beides geht nicht."

In der Tat begreife ich mich als Regisseur (Autor) und Schauspieler in einer Person. Warum sollte beides gleichzeitig nicht gehen?

Zu: "Es ist aber (nach meiner Erkenntnis) sicher falsch, wenn Du zu teilen beginnst, z.B. in Herrenmenschen und Pöbel. Und wenn Du Dich auf dieser Ebene als neu kreierenden Magier siehst. Dann träumst Du den Ego-Traum. Du schaffst kein Neues, nur neue Verstrickungen."

Der erste Schritt zur Freiheit ist, daß ein Sklave erkennt, daß er ein Sklave ist. Ich erachte es für meine Aufgabe, es deutlich auszusprechen: die meisten Menschen sind unbewußte Sklaven. Diese Sklaven unterteile ich in zwei Gruppen: Die einen sind beleidigt* und schreiben mir freche Briefe. Sie wollen Sklaven bleiben. Das ist der Pöbel. Die andern wollen frei werden und wagen die ersten Schritte. Sobald sich ein Sklave bewegt - egal wie schnell - ist er für mich kein Sklave mehr, sondern ein freier Mensch. Wir sind unsterbliche Wesen. Wir haben Äonen Zeit. Aus diesem Grund kommt es nicht auf die Geschwindigkeit an, sondern ausschließlich darauf, daß Freiheit gesucht wird. Gefunden hat man die totale Freiheit, wenn man den Tod überwunden hat - wenn man den Tod (und die gesamte körperliche Welt) als Konstrukt der ewigen Seele verstanden und es zu leben gelernt hat: wenn sich das Ego mit der ewigen Seele identifiziert. Die ersten Schritte auf dem Weg zur Freiheit ist eine Befreiung von Zwängen. Nach dieser Phase passiver Freiheit beginnt die aktive Freiheit, die Freiheit zu etwas, zB zu kreativen Werken. Wer das kann, beherrscht die KUNST. Freiheit ist das Sich-Herauslösen aus Verstrickungen; KUNST ist die Fähigkeit, sich in seidenen Fäden zu verpuppen (verstricken) und als Schmetterling aus dem Kokon zu schlüpfen.

Zu: "Ein Fehler ist dann übrigens auch, in dieser Welt Geld für Deine Erkenntnis dieser Welt kassieren zu wollen. Du willst aus Deiner Ebenenverwechselung auch noch einen Profit herausschlagen! Nein, in dieser Welt muß Du auch so auftreten, daß die Spielregeln dieser Welt berücksichtigt werden.."

Ich bin frei - auch in meiner Entscheidung, zu tun, was ich tue. Die Ebenenverwechslungen (= Kategorienfehler - s.o.) sind dein Problem Ich mache diese Fehler nicht. Zusätzlich habe ich gute Gründe, genau das zu tun, was ich tue. Ich kenne ja die Zusammenhänge zwischen direktem und indirektem Wissen. Ich weiß, daß und wie indirektes Wissen das direkte verändert. Du leugnest ja die Existenz eines Zusammenhangs, woraus auch die völlige Sinnlosigkeit der materiellen Welt folgt. Denn wenn die materielle Welt die Seele (dein reines Sein) nicht verändern kann, gibt es für die Seele keinen Grund, das Spiel auf der Weltbühne mitzuspielen. Du machtest oben den Unterschied zwischen Regisseur und Schauspieler. In deinem Stück ist es völlig unsinnig, ein Stück zu spielen und folglich unsinnig, Regisseur zu sein. Du hebst beides auf. Ich mache beides, aber bewußt. Auch Sklaven machen beides, nur unbewußt. In diesem Sinne bin ich den Sklaven näher als dir.

Ich will nicht aus meiner Ebenenverwechslung Profit herausschlagen, sondern ich will aus deiner Ebenenverwechslung Profit herausschlagen - und aus den Ebenenverwechslungen meiner Kunden und Schüler. Ich erkenne die Spielregeln des Bühnenstücks "Welt" an, und ich lasse mich dafür bezahlen, daß ein paar Menschen nicht nur Schauspieler sein wollen (die dann auch noch vergessen haben, daß sie Schauspieler sind und die Bühne nicht das Ein und Alles ist), sondern auch Regisseure (Autoren). Es gibt nämlich Menschen, die nicht mehr nur vorgegebene Texte nachplappern, sondern selber Stücke schreiben wollen. Auf der weltlichen Ebene verkaufe ich meine Texte als Ware, wie du es tust (auch Komputersoftware sind Texte) oder wie jeder Buchautor oder Journalist es tut. Auf magischer Ebene weiß ich, daß meine Texte magisch sind und mich nicht verlassen. Und da ich einen freien Willen habe, habe ich mich entschlossen, in beiden Welten erfolgreich zu sein. Ich weihe nur die ein, die mich bezahlen. Das habe ich so entschieden. Ich will in beiden Welten erfolgreich sein, weil das vernünftig ist, denn die Außenwelt ist ein Spiegel der Innenwelt. Da ich viele Jahre lang zugunsten meiner Selbstbefreiung die Außenwelt vernachlässigt habe, habe ich keinen weltlichen Beruf mehr, keine Möglichkeit des Gelderwerbs. Jetzt ist es an der Zeit, den Mangel auszugleichen. Also erfand ich mir einen Beruf, mit dem ich Geld verdiene. Kritisieren lasse ich mich von dir dafür nur, wenn du mir beweisen kannst, daß du ohne Geld auskommst.

Sogar mein bester Freund schrieb mir damals, als ich begann, Geld zu nehmen, ich dürfe (illusionäres) Geld nur illusionäre Arbeit nehmen, aber keinesfalls für Wahrheit oder Liebe! Er meinte auch, ich habe "Ebenen" vermischt! Geld dürfe ich nur dann nehmen, wenn ich die Leute belüge. Dann nämlich würden Illusionen gegen Illusionen getauscht, und das sei erlaubt. Mein Kommentar: alles ausgemachter Quatsch! Wahrheit ist genausoviel wert wie Illusion. Es braucht Autoren und Schauspieler, Seele und Welt. Leben ist das gleichzeitige Autor- und Schauspielersein. Beides ist immer gemischt! (Die Ebenen müssen gemischt, dürfen aber nicht verwechselt werden!) Und wenn bei einem Menschen die Mischung nicht stimmt, bekommt er Probleme; er wird zB krank. Ich lasse mich dafür bezahlen, kranke Seelen zu heilen. Da man mir nicht genug spendet, fordere ich. Daß ich fordere, ist mein Zugeständnis an die Welt - meine Liebe zu ihr.

18.10.2002: Brief von Gerd-Lothar Reschke: Mein für mich interessanter Aufschluß ist, daß Du schläfst und daß Du Dich nicht kennst — auch wenn Du das Gegenteil behauptest. Das schreibe ich nicht, um eine Diskussion zu beginnen. Ich habe es für mich herausgefunden. Allein schon Deine Aussage "Direktes Wissen" wie du es verstehst, gibt es für mich nicht, sagt bereits alles.

Damit ist für mich jetzt erst einmal das Wichtigste zweifelsfrei geklärt. Wenn Du Deinerseits noch Fragen hast, was meine Sicht, meine Erkenntnis betrifft, kannst Du mich weiterhin gerne kontaktieren.

Antwort: Hallo Gerd-Lothar,

Nun zum obigen Brief: Ich glaube zu wissen, was du unter "direktem Wissen" verstehst. Ich glaubte auch mal daran, daß es das gebe, aber dann fand ich heraus, daß auch dieses bereits Interpretation ist. Das eigentliche direkte Wissen ist unsere Seelenstruktur, zu der wir keinen unmittelbaren Zugang haben, weil wir es SIND. Deshalb können wir davon nichts wisssen. Wir können nur eine Theorie davon haben. Was ich hier äußere, ist eine Theorie vom "direkten Wissen".
Auch habe ich eine Theorie darüber, wie wir dieses direkte Wissen - die Seele - mit geistiger Nahrung versorgen können. Das tu ich und erlebe die Folgen davon: Die Erscheinungswelt wird für mich reicher: ich sehe mehr! Optisch sehe ich wohl dasselbe wie ein anderer Mensch, dessen Seele nicht so groß ist, aber mit dem Bewußtsein sehe ich mehr.
Als Beispiel mag die FAZ-Lektüre dienen. Wenn ich sie meinem 11-jährigen Neffen zu lesen gebe, sieht er weniger als ich. Er versteht halt die Texte nicht. Auf diese Weise sehe ich in der materiellen Welt mehr Sinn, mehr Zusammenhänge und dergleichen. Ich sehe auch mehr, weil ein bewußterer Mensch natürlich auch andere Orte und Menschen aufsucht und andere Bücher liest, als ein Unbewußterer.
Dies ist Folge meiner Seelentheorie und den Spekulationen über die Wachstumsbedingungen der Seele. Die Zusammenhänge, die ich sehe, sind natürlich weiterhin Teil der illusionären Welt, aber daß ich die Möglichkeit habe, sie zu sehen, verdanke ich diesen unsichtbaren Seelenstrukturen, die ich bin.

Zusatz vom 18.10.: Wie willst wissen, ob ich über "direktes Wissen" verfüge, wenn feststeht, daß jede Mitteilung dieses Wissens indirekt ist und es auch sein muß, weil es anders nicht geht? Alles was du und ich schreiben, ist vermittelt über Sprache. Nun sei doch nicht so naiv und fordere von meinen Texten, was sie nicht leisten können: unmittelbarkeit! Wenn wir unser Unmittelbares erleben, fühlen oder davon wissen - dann ist es schon vermittelt/indirekt, also nicht mehr unmittelbar/direkt.

Viele Grüße
Joachim

18.10.2002: Offenbar keine Fragen mehr

Lieber Joachim,

ich habe Dein Mail gelöscht, weil ich an exxxxx@reschke.de keine Mails erhalten möchte (außer kommerziell). Bei kurzem Überfliegen habe ich gesehen, daß Du keine Fragen mehr hast. Wenn Du nochmal Fragen an mich hast, dann bitte unter mail44@reschke.de — dort werde ich sie auch, so gut ich kann, alle beantworten.

Wie gesagt, an Debatten bin ich nicht interessiert.

Offenbar hat Joachim keine Fragen mehr an mich, denn soeben traf noch ein Mail ein, in dem er, wie ich bei kurzem Überfliegen feststellte, einfach nur seine Behauptungen wiederholte und mir wieder etliches unterstellte, was ich so nie gesagt habe. Ich fühle mich deshalb im Vorwurf der manipulativen Pseudofragerei bestätigt. Ich habe nicht vor, mich weder von J. noch von irgendwem sonst in fruchtlose Debatten und Auseinandersetzungen hineinziehen zu lassen. Das hat mit Selbsterkenntnis nichts zu tun.

Interessanterweise kam simultan (zum ersten Mal seit Verwenden der Mailadresse vor ca. 1 Jahr) auch wieder ein Virus an. Das ist u.a. ein Grund, weshalb ich mit Mailadressen vorsichtig geworden bin (und auch ein Gleichnis über allzu offenen Austausch für den, der dahinterschaut).

Gruß
GL

Hallo Gerd-Lothar,

ich hatte deinen Brief einfach nur beantwortet, indem ich bei OutlookExpress auf "Antworten" klickte. Warum schreibst du von deiner Geschäftsadresse aus private Briefe, wenn du von Anderen verlangst, sie sollen die Grenzlinie zwischen Privat und Kommerziell respektieren?
Mit dem Virus habe ich doch wohl nichts zu tun oder?

Du unterscheidest zwischen echten Fragen und Pseudofragen, zwischen Fragen, die der Selbsterkenntnis dienen und solchen, die ihr nicht dienen. Wie schaffst du das, wenn du doch gar keine Philosophie hast? Gibs doch zu: Du hast ein System, nach dem du urteilst - wie jeder andere Mensch auch. Du hast ganz konkrete Vorstellungen von Fragen, die der Selbsterkenntnis dienen und solchen, die ihr nicht dienen. Du weißt also schon im Voraus, welche Fragen richtig und welche falsch sind. Toll! Du hast ein ausgeklügeltes System; und dieses System ist deine Philosophie. Warum behauptest du, keine Philosophie zu haben? Du setzt deinen Gesprächspartnern derart enge Grenzen, daß sie mit dir gar nicht mehr offen kommunizieren können. Du stellst unhaltbare Bedingungen auf. Und dann schreibst du, du habest keine Bedingungen, denn Bedingungen seien ja Konstrukte, und mit Konstrukten habest du nichts mehr zu schaffen. Ausgerechnet du behauptest das - und tust genau das Gegenteil in einem unerträglichen Übermaß!

Du siehst, du bist mir immer noch ein Rätsel. Fragen an dich, die deine Bedingungen erfüllen, habe ich keine, da ich deine Bedingungen nicht akzeptiere.

Noch eine andere Sache: Du schriebst, ich schreibe gar kein richtiges Tagebuch. Was also ist der Unterschied zwischen unseren Tagebüchern? Ich schreibe genaugenommen ausschließlich über meine Philosophie (Konstrukte, die du ablehnst und hinter denen ich mich angeblich verstecke), da ich weiß, daß die Ausarbeitung meiner Philosophie mein Ego verändert. Du, der angeblich ja kein Ego mehr hat, - worüber schreibst du? Ausschließlich über Befindlichkeiten deines Egos! So sehe ich das jedenfalls und wundere mich...

Antwort von Gerd-Lothar: Darüber läßt sich nicht weiter reden

Ich hatte mich mit J. scheinbar (siehe Ich schlage Neustart vor) noch darauf geeinigt, daß er echte Fragen stellt statt Pseudofragen. Jetzt soll ich jede Art seiner Kommentare, die in Wirklichkeit reine Selbstdarstellungen sind, als Fragen nehmen und darauf eingehen.

Das ist natürlich Unsinn. So kann ich seine Mißdeutungen nicht aufklären. Es ist nicht meine Aufgabe, Selbstdarstellern und Besserwissern ihre Halluzinationen aufzulösen, und das auch noch gegen ihren Willen. Joachim wird sich immer in seinen Träumen und Traumwelten einigeln (und Leuten wie mir, die das nicht mitmachen, unterstellen, sie seien Kaputtmacher und zu einer positiven Sicht nicht fähig). Darüber läßt sich nicht weiter reden. Ich kann nur reden, wenn es um den Menschen hinter diesen Träumen geht, und um das, was er wirklich ist. Ich kann aber niemand zwingen, gegen seinen Wunsch diesen Weg der ehrlichen Auseinandersetzung und der Selbsterkenntnis zu gehen. Wer im Vorfeld Rechthaberei betreibt und mit der Brechstange Aussagen verdreht und mißdeutet, wird das immer so weiter tun, bis er umkehrt.

Das hat mit mir nichts zu tun. Ich gebe mein Feedback ab, wenn ich gefragt werde, und wenn ich nicht gefragt werde, lasse ich die Leute in Ruhe. Der Rest läuft auf Dreck-Hinterherwerfen hinaus, wie es J., so fürchte ich, jetzt auf seiner Domain wieder anfangen wird, weil er nicht verkraften kann, daß es so etwas wie meine Sicht gibt. Das, was ich bin, muß er aus tiefstem Herzen heraus leugnen, ja sogar bekämpfen. Ein aufschlußreiches Lehrbeispiel. Aber damit auch schon übergenug, inzwischen.

Abschließend ein Satz, den J. auf seiner Hauptseite ganz unten seit einiger Zeit stehen hat, und den ich nur voll unterschreiben kann:

Es ist unmöglich, jemandem eine Frage zu beantworten, die er nicht gestellt hat.
Oder: Was nicht in einem Menschen ist, kann nicht gefunden werden, nur erfunden.

Ein weiterer Text von Gerd-Lothar: Das Lehrstück, im einzelnen aufgeschlüsselt

(In diesem aus www.wirkgilde.de/a_f.m zitierten Text sind die blauen Texte Zitate aus meinen Briefen)

Dieser Text wendet sich nicht mehr an J., weil das keinen Zweck hat. Er wendet sich an jene, die daran interessiert sind, ein Lehrstück darüber zu studieren, wie es ausgeht, wenn sich jemand mit Advaita konfrontiert sieht. Um J. zu schonen, habe ich die Eigentore, die er in seiner ersten Antwort in "Briefkasten 9" geschrieben hat, zuerst nicht aufgeschlüsselt, sondern einfach unkommentiert stehen gelassen. Inzwischen sehe ich jedoch nicht den geringsten Grund mehr zu einer solchen höflichen Rücksichtnahme.

In der Passage "Antwort: Zu "Es sind Denkvorgänge."" (usw.) fängt der Dampfkochtopf dermaßen offensichtlich an zu rütteln und die Ventile zu pfeifen, daß es klar wird, wie eine ausgeheckte Ego-Lebensphilosophie ins Schwanken gerät. Sie macht sich selbst absurd. Dazu einige Beispiele:

"Direktes Wissen" wie du es verstehst, gibt es für mich nicht. Was du so nennst, erkenne ich als Essenz aus Interpretationen.

J. kennt offensichtlich die Erfahrung direkten Wissens, d.h. Wissens, das nicht durch Verstandes-Schlußfolgerungen (und dazu gehören auch Sinneswahrnehmungen) abgeleitet ist, nicht mehr. Er hat sie vergessen, genau wie der sein Ich träumende Alltagsmensch sie vergessen hat und dann "unerleuchtet" vegetieren muß. Und er muß sie (da er als Philosoph konsequent ist und die Dinge mit seiner Philosophie kongruent halten muß) dann auch theoretisch ableugnen.

J. kennt nur die Ebene des Denkens und Erfahrens bzw. des Handelns in dieser Welt (des Denkens und Erfahrens). Er definiert sich dort; er verlagert das, was er ist, in das, was er nicht ist. Deshalb muß er anfangen, begrifflich zu konstruieren. Dieses Konstruieren ist sein Träumen (ob er es so nennt, weiß ich nicht — er nennt es wohl Zaubern); ich nenne es Träumen, weil das Wort ideal paßt. Er erzeugt dazu neue Begriffe wie Intuition (darunter kann man vieles verstehen — es ist immer schlecht, einen klaren Sachverhalt durch vage Begriffe zu umschreiben) oder Seele (hierfür gilt dasselbe).

Wenn Wissen sich in geistige Strukturen umwandeln, wenn aus Wissen mein Sein wird, wenn aus Wissen Weisheit wird, dann ist dieses Wissen nicht mehr Gegenstand von abstrakten Denkprozessen, sondern es ist zum Denkprozeß selbst - zu mir selbst - geworden.

Sagt genau das. Er eignet sich die phänomenale Welt an, frißt sie in sich hinein, bläht sich auf. (Woraus natürlich auch das Dilemma entsteht, alles, was anders ist, nicht mehr verdauen zu können — meine Antworten z.B., oder Weltpolitik etc.) Er schluckt also den Denkprozeß gleich mit und meint, das sei er selbst. Ich habe ihm gesagt: Wenn er das auf alles bezieht, hat er recht. Dann gehört alles zu ihm, alles, was ist, ist er selbst. Dann hat er recht und es gibt keinen Widerspruch. Nimmt er aber etwas aus, dann entsteht die Spaltung des besagten Dilemmas. Wenn er aber schon alles ist, dann erhebt sich die Frage: Wozu überhaupt noch etwas schlucken, wozu sich mit einzelnen Prozessen abgeben? Dann wäre das Ich ja Gott, die Welt, alles, was geschieht, geschehen ist, geschehen wird — alles in einem. Warum dann eine Wahl treffen? Dann bleibt nur, alles, was geschieht, als Ausdruck des Selbst zu akzeptieren und darin dankbar und zufrieden zu verbleiben. Das ist aber genau die Position dessen, der weiß, daß er (phänomenal gesehen) nicht ist. Und das wäre direktes Wissen.

Meine Erfahrung ist, daß es kein Ich gibt. (Es ist keine Philosophie, sondern etwas, das Erfahrung genannt werden kann, oder direktes Wissen.) Daher stellt sich die Frage nicht, inwieweit ich mit dem Denkprozeß eins bin oder nicht. Der Denkprozeß ist nur ein sich manifestierender Ablauf in Raum und Zeit — was denn sonst? Wie kann denn so etwas mehr sein als phänomenale Realität? Wie kann es Ich-Selbst sein? Es kann nur Spiegelung des Selbst sein.

Indirektes Wissen ist von mir gesondert. Ich transzendiere dieses Wissen, indem ich es zu seeleneigner Substanz - zu meiner eigenen Struktur - mache. Dabei wird das Wissen transparent, ja unsichtbar: übersinnlich transzendent. Gelingt mir dieses Kunststück der geistigen Nahrungsaufnahme, bin ich vom Gelehrten zum Mystiker geworden - der die Welt natürlich träumt.

Das ist natürlich höherer Blödsinn und widersprüchlich in sich selbst. Er spricht von einem Ich, das er nicht kennt, und das er deshalb durch einen Aneignungsakt von mentalen Strukturen neu definieren, neu konstituieren muß. J. meint, er sei der Apostel seiner eigenen Lehre — er meint, er ist das — das sei sein wahres Wesen! Wer ihm an seine Philosophie geht, geht ihm nicht nur an die Unterwäsche, sondern an seine Existenz. Daraus ergibt sich auch, weshalb er so stachlig und kämpferisch auftritt, und weshalb seine Texte zum Ende hin immer fanatischer werden. Er stabilisert sich selbst durch sein Schreiben — in seiner Einbildung, seinem Wahn natürlich, denn in Wirklichkeit ist das gar nicht sein Ich. Er verteidigt sein Ich in Gestalt seines Denkens. Wenn er wüßte, wer er wirklich ist, bräuchte er gar nichts mehr zu verteidigen und keine Debatten mehr auszufechten.

Das Interessante an dieser krankhaften Ausprägung eines Ego ist, exemplarisch mitansehen zu können (wie in meinem ursprünglichen Beitrag zu Ich und Welt, auf den er ja immerfort reagieren muß, bereits beschrieben), zu was es führt, wenn einer meint, er sei sein Denkprozeß. Es ist der Fluch an sich. Wer so denkt, schadet — sich und anderen. An ihren Früchten wird man sie erkennen, heißt es so schön.

Vielleicht findet bei dir keine geistige Nahrungsaufnahme statt. Dann bleibt das "direkte Wissen" - die Seelenstruktur, dein reines Sein - stets unverändert. Und da das indirekte Wissen nicht in Nahrung umgewandelt wird, ist es unverdauliche Nahrung und damit wertlos für dich: es interessiert dich nicht mehr.

Geistige Nahrungsaufnahme findet im Gehirn statt, wo sonst? Daß mich nichts Phänomenales interessiert, wozu auch geistige Prozesse gehören, ist wiederum eine dieser typischen, aus dem grundlegenden Nichtverstehen (und Nicht-Kennen seiner selbst) resultierenden Verzerrungen. Es interessiert mich — sonst würde ich hier gar nichts mehr schreiben. Aber es hat nichts mit dem zu tun, was ich bin — und das ist gar kein solches trauriges Drama, wie J. meint. Es erhöht v.a. den Scharfblick.

In der Tat begreife ich mich als Regisseur (Autor) und Schauspieler in einer Person. Warum sollte beides gleichzeitig nicht gehen?

Ich weiß nicht, ob ich jetzt dazu Mitleid äußern soll — irgendwie ist es einfach nur noch peinlich. J. hat das Beispiel nicht begriffen. Oder will er es nicht begreifen? Jedenfalls deutet er es einfach um, transformiert es in sein Gegenteil, und schreibt dann weiter. Ich kann ihm nicht helfen, wenn er es nicht verstanden hat. Vermutlich sind diese Vorgänge von Nichtverstehen/Mißachtung/Umdeutung auch so etwas, das er als kreatives Zaubern empfindet. Das kann man natürlich immer noch (jedenfalls in der eigenen Einbildung) aus der Tasche ziehen, wenn einem sonst nichts weiterhilft.

Das Gleichnis trifft genau den Punkt. Es ist konkret. Der Autor kann nicht Schaupieler sein, sonst zerstört er das Stück. Der Arzt kann nicht Patient sein, der Briefsender nicht Briefempfänger, die Frau nicht der Mann, das Selbst nicht die Welt. Das Auge kann sich nicht sehen. Die Hand sich nicht anfassen. Außer, wir begeben uns in die Gefilde der Masturbation. Und nicht zufällig sind J.'s Seiten vom Hauch der Masturbation umweht. Um Bezug zu erreichen, muß dann Selbstbezug stattfinden. Der ehrliche, redliche Mensch sucht im Leben den mitmenschlichen Gegenpart, der Onanist trägt das allein mit sich selbst aus. Der braucht nur noch Bewunderer und Gläubige. Das ist dann der Lebensphilosoph, der die Welt prägen will mit seinem Denken. Er versucht Autor im Stück zu sein, und zerstört damit das Stück. So wie alle fanatischen Anhänger von Ideologien diesen Planeten verunglimpft haben, seien es Kirchenchristen, Kommunisten oder islamistische Terroristen.

Wir sind unsterbliche Wesen. Wir haben Äonen Zeit. Aus diesem Grund kommt es nicht auf die Geschwindigkeit an, sondern ausschließlich darauf, daß Freiheit gesucht wird. Gefunden hat man die totale Freiheit, wenn man den Tod überwunden hat - wenn man den Tod (und die gesamte körperliche Welt) als Konstrukt der ewigen Seele verstanden und es zu leben gelernt hat: wenn sich das Ego mit der ewigen Seele identifiziert.

Ewige Seele — wie langweilig! Ich gähne jetzt schon!

Ich bin frei - auch in meiner Entscheidung, zu tun, was ich tue. Zusätzlich habe ich gute Gründe, genau das zu tun, was ich tue. Ich kenne ja die Zusammenhänge zwischen direktem und indirektem Wissen. Ich weiß, daß und wie indirektes Wissen das direkte verändert. Du leugnest ja die Existenz eines Zusammenhangs, woraus auch die völlige Sinnlosigkeit der materiellen Welt folgt. Denn wenn die materielle Welt die Seele (dein reines Sein) nicht verändern kann, gibt es für die Seele keinen Grund, das Spiel auf der Weltbühne mitzuspielen. Du machtest oben den Unterschied zwischen Regisseur und Schauspieler. In deinem Stück ist es völlig unsinnig, ein Stück zu spielen und folglich unsinnig, Regisseur zu sein. Du hebst beides auf. Ich mache beides, aber bewußt. Auch Sklaven machen beides, nur unbewußt. In diesem Sinne bin ich den Sklaven näher als dir.

Jetzt wird es immer peinlicher und fanatischer. Er hat gute Gründe; er weiß Bescheid; überhaupt ist er der Allergrößte. Nun folgen, nachdem er sich auf diese Weise vergewissert hat, die Tiraden gegen mich. Neues steht hier nicht mehr.

Schade! Schade und peinlich! Ich wollte ihm ersparen, das offenzulegen. Er tat mir sogar schon leid. Aber es ist falsches Mitleid. Hypertrophe Egos haben kein Mitleid verdient. Sie sind einfach nur zum Lachen.

Mein Kommentar: Zu "Er spricht von einem Ich, das er nicht kennt": Das habe ich nicht gesagt. Ich schrieb, daß das Ich das einzige ist, das meine Seele von sich kennt. Ich kenne meine Seele nicht, habe bloß eine Theorie von ihr. Das Ich ist ja ein empirisches Ich, es ist Wahrnehmung. Als solche ist es mir selbstverständlich bekannt. Nur was hinter der Wahrnehmung ist, weiß ich nicht. Darüber habe ich nur Theorien. Allerdings habe ich herausgefunden, daß ich mit diesen Theorien das, was da so geheimnisvoll hinter den Erscheinungen liegt, verändere. Ich vermute, daß du genau dieses Geheimnisvolle jenseits der Erscheinungen nun "direktes Wissen" nennst. Du schreibst, daß du es erfahren würdest. Ich behaupte nun, du kannst es nicht direkt erfahren, sondern bloß als "indirektes Wissen". So jedenfalls gehe ich mit dem Problem um, und ich verstehe nicht, warum du darauf pochst, daß dir dein direktes Wissen direkt zugänglich sei. Ich behaupte, du verwechselst hier was. Ich behaupte ja auch die Existenz von direktem Wissen ("Seelenstruktur"). Aber es ist eine theoretische, philosophische Behauptung. Ich tue so, als ob ich es hätte - und dann überlege ich mir, ob es ewig starr bleibt oder wandelbar ist. Ich halte es für wandelbar (du für starr). Also erforsche ich die Bedingungen, unter denen ich es zu meinem seelischen Wachstum beeinflussen kann. Meine Forschungsarbeit heißt "Schule für Lebenskunst". Was ich gelernt habe, gebe ich im Rahmen dieser Schule weiter - gegen Geld versteht sich, sonst würde ich die Rechte der Welt mißachten.

Warum kann ein Arzt nicht Patient sein? Er kann sich selber ein Pflaster auf die Wunde kleben. Ein Schauspieler kann durchaus Stücke schreiben. Er kann auch auf der Bühne improvisieren. Gut, er kann "das Stück zerstören" wie du schriebst. Ich nenne das "Karma verändern". Warum sollte das Stück "Leben" streng nach vorgegebener Rolle abgespult werden? Das will ich als bewußtes Wesen ja gerade nicht! Daß ein Auge sich nicht sieht und dergleichen behaupte ich auch, indem ich schreibe, eine Seele könne sich selbst nicht wahrnehmen. Deshalb erfindet sie ein Bild von sich selbst. Sie kann wissen, daß dieses Bild nicht identisch mit ihr ist, und sie kann lernen, das Bild zu deuten. Auf diese Weise kann die Seele dann doch etwas über sich erfahren. Das ist der Grund, warum sie sich verkörpert.

Das mit der "Masturbation" stimmt natürlich; nur verwehre ich mich gegen dieses unanständige Wort! Ich bin in der Tat aus mir selbst heraus glücklich. Ich bin durch Denken über mich selbst bewußt. Wenn Lothar darunter "Masturbation" versteht - was solls! Rätselhaft wirds dann aber, als Lothar dann behauptet, der Onanist sucht im andern Menschen Bewunderer und Gläubige! Das wirft natürlich mein Verständnis von Masturbation und Onanie über den Haufen: Ich dachte, der Onanist braucht die Andern gerade nicht!

Also wenn Selbstbefriedigung beides enthält: Beschäftigung mit sich selbst und mit dem anderen Menschen, dann ist das Wort sinnleer. Ich warf Lothar schon einmal vor, er leere die Worte von ihren Bedeutungen, zB wenn er schreibt, jeder sei am Ziel, jeder sei erleuchtet usw. Wenn das stimmt, ist keiner erleuchtet: das Wort ist leer.

Ich streite mit Lothar nicht zwanghaft oder weil er mich ärgert, sondern allein aus der Lust am Streit. Weil ich wissen will, wer recht hat. Diese Lust ist nun jedoch befriedigt. Wer mich besserwisserisch nennt, glaubt, den Gegenstand, den ich erklärt habe, noch besser zu wissen.

Um es noch einmal klarzustellen: Ich beschäftige mich zu 50 % mit mir selber und zu 50 % mit der Umwelt (andere Menschen usw.) - so verlangt es meine selbsterfundene Philosophie. Ich suche Schüler, die ich lehren kann, Lehrer, die mich lehren können und Freunde auf gleichem Niveau, mit denen ich Blödsinn treiben kann. Ich lehne die Illusion - die Welt, das Ego - nicht ab. In "Wiederbefreundung mit der Welt" schrieb ich darüber. Aber ich will mich von ihren Zwängen nicht unbedingt beherrschen lassen. Aus diesem Grund suche ich Bewußtheit (= Willensfreiheit). Bewußtheit entsteht nicht durch ausschließliche Beschäftigung mit sich selbst, sondern auch aus Beschäftigung mit der Welt.

Ich werde weiterehin Lothars Seiten lesen, aber dazu schweigen! Ansonsten fällt mir nix mehr ein.

Schlußwort (21.10.2002): Ich habe mir ausgiebige Gedanken über meine Differenzen zu Gerd-Lothar gemacht. Ergebnis: Er hat über viele Erlebnisse und viel Denken einen Bewußtseinszustand erreicht, der ihn nun spontan einigermaßen effektiv agieren läßt. Er hat durch viel Übung des Leibes (Reisen, Feuerlaufen, etc.) und der Geistes (Lesen, Philosophieren, Meditieren) bis an seine intellektuellen Grenzen (weiter brachte ihn sein Philosophieren nicht) seine Seele soweit entwickelt, wie er konnte, und nun vertraut er seiner so gewonnenen Spontaneität und Weisheit. Da die Weisheit keine Vergangenheit kennt, ist ihm der Weg, auf dem er zur Weisheit gelangt ist, überflüssig geworden. Er erlebt nun, daß er immer schon erleuchtet war. Ich beschrieb dieses Erlebnis so, daß es zwar Wege zur Glückseligkeit gibt - und es gibt eine Tür hinein ins Paradies, aber wenn man darinnen ist, und man sich umdreht, sind alle Wege und Türen verschwunden. Mein Streit mit Lothar dreht sich nun darum, daß er sagt, es gebe keine Wege und Türen, und ich sage, es gebe sie von der einen Seite her - und es gebe sie von der anderen Seite her nicht. Da er seine Herkunft abstreitet, ist er ganz in der anderen Welt. Er hat keine Beziehung mehr zum Irdischen und kann daher nicht mehr als spiritueller Lehrer fungieren. Ich bin auch da, wo Lothar ist, aber ich kenne noch den Weg zur Glückseligkeit. Ich kann noch kommunizieren. Lothar ist vergeistigt, ich bin bloß ein Zauberer. Ich bin ein Reisender zwischen den Welten.; Lothar ist zu Hause. Er ist der Buddha, während ich der Bodhisattva bin. Ich befreie noch gefangene Seelen; ich beschäftige mich noch mit dem Karmischen; Lothar ist nur noch der interesselose Beobachter, den das Leid und das Glück der Welt nichts mehr angeht.

Einige Leser mögen nun fragen, wieso ein Buddha solche Peinlichkeiten wie oben von sich geben könne? - Nun, die Erklärung ist einfach: Er hat nicht mehr viel Übung im Umgang mit der Welt. Er ist noch nicht lange ein Buddha; da sind noch ein paar zusammenhanglose Reste, von denen er zu trennen im Begriff ist. Sein "Ewige Seele — wie langweilig! Ich gähne jetzt schon!" kommt daher, daß er die Bedeutung der Worte verloren hat. Vergänglich ist nur das Illusionäre, also das Ego. Lothar hat kein Ego. Er weiß gar nicht mehr, was das ist: Sterblichkeit, Ewigkeit. Für ihn ist das alles einunddieselbe Soße. Daß es unlogisch ist, zu glauben, einerseits das Ego überwunden zu haben und sterblich zu sein, interessiert ihn gar nicht mehr. Sterblichkeit und Ewigkeit sind ihm einerlei. Ich kenne diesen Zustand. Auch ich weiß genau, daß Sterblichkeit und ewiges Leben kein Widerspruch sind. Aber ich weiß, wie Menschen denken, und deshalb kann ich noch kommunizieren. Ich kann noch Brücke sein; Lothar nicht mehr. Ich sehe es daran, daß er seinen Schülern nicht mehr helfen kann.

Anmerkung: Ich habe einige Absätze in diesem Briefwechsel etwas geändert: Absätze hinzugefügt, andere gestrichen. Wer die (etwas schlechteren) Originalantworten von mir an Lothar lesen will, siehe in seiner Webseite nach. Ich erlaube mir die Freiheit, meine Antworten zu verbessern.

"Briefkasten 8" // Briefe 10 // Startseite