Evolutionstheorie - E-Brief-Diskussion mit einem Experten
von Hans-Joachim Heyer - Teil 7



6.10.2000, 20.44 Uhr = 10062044
>
> Jo: Für mich ist die Kunst leider zu einer Industrie verkommen, in der jeder Künstler nicht mehr seine Wahrheit sucht zu realisieren, sondern sein Ego durchzusetzen. Jeder sucht nur noch das, was noch keiner vor ihm gemacht hat, sucht nicht mehr nach Vollkommenheit. Letztens las ich im SPIEGEL einen Beitrag, in dem ein "Künstler" Faulendes in Bilderrahmen oder sonstwo hinschmierte, zB schimmelnde Früchte arrangierte, bis der Schleim unten aus dem Flechtkorb lief. Solche Arrangemente verkaufte er erfolgreich als Kunst, WEIL so'n Scheiß (im wahrsten Sinne des Wortes) noch kein Anderer vor ihm gemacht hat.

Das mit der Kunst ist halt so eine Sache; auf der einen Seite herrscht da die große Freiheit; die wird aber auch zuweilen mißbraucht. Das ist wohl der Preis der Freiheit. Aber ich denke, es bestehen trotzdem noch reelle Möglichkeiten, neben den Scharlatanen zu bestehen.
Selbst, wenn sich (im Fall von Texten) kein Verleger findet, weil ein Text nicht gewinnträchtig genug erscheint, so bleibt auf jeden Fall der freie Raum des Internet, wo Informationen ohne großartigen materiellen Aufwand schnelle Verbreitung finden können. Eine nette Erfindung, dieses Netz.

> Jo: Ich war ebenfalls von diesem Buch begeistert. Michael Ende war übrigens Mitglied eines magischen Ordens und verstand sich auf Magie.

Wußte ich noch nicht. Interessant! Direkt wundern tut es mich nicht; kennst Du sein Buch "Der Spiegel im Spiegel"? Ich glaube, als ich Dir den Vorschlag mit der künstlerischen Umsetzung Deines Epos machte, habe ich - unbewußt - an dieses Buch gedacht.

Herzliche Grüße - P


11181751 Hallo R,

Du wolltest demnächst noch einmal mit mir über meinen "Evolutionsaufsatz" diskutieren. Damit bin ich natürlich jederzeit gern einverstanden! Die neueste Version befindet sich in meiner Homepage unter "Evolution".

Reinhard Zechers Vortrag gestern fand ich sehr interessant, zumal ich glaube, alle die von ihm vorgestellten Theorien unter einen Hut bekommen zu haben: wie schon mehrfach gesagt, bin ich davon überzeut, daß jeder in seiner kognitiven (subjektiven) Welt lebt, wie sie sein "reales Gehirn" (G. Roth) - ich nenne sie Seele - als plausibelste Darstellung seiner Welttheorie ihm materiell darstellt. Wir ERLEBEN uns (unsere kognitiven Körper) in unserer kognitiven Welt herumlaufen. Unser Herumlaufen in der wahren Welt bleibt uns unerforschlich, unsichtbar, bzw: wenn wir es erforschen, bilden wir es in unsere kognitive Welt ab.
Was wir sehen, wenn wir in den Spiegel schauen, sind demnach nicht wir selbst, sondern das, was unsere Seelen sich unter uns vorstellen.
Unsere kognitiven Welten sind informativ geschlossen: Wir sehen nicht die Eingänge von Informationen aus der wirklichen Außenwelt.

Vollmer, Maturana usw haben allesamt das Bieri-Trilemma nicht gelöst. Wenn die Welt physikalisch geschlossen ist, kann es in ihr keine physikunabhängigen geistigen Prozesse geben. Dann kann es kein Bewußtsein geben: es gäbe keine kognitiven Welten. Da es sie jedoch gibt, stellt sich die Frage, wie kann eine nichtphysikalische Welt aus der Physik hervorgehen? - Ich sehe die Sache freilich umgekehrt. Der Geist ist primär, und aus ihm kann sehrwohl eine geschlossene physikalische Welt hervorgehen.

viele Grüße Joachim


12052300 Liebe Teilnehmer des MT- Kreises,

Herr Dr. Dr. Zecher hat mir freundlicherweise einige zentrale Kritikpunkte an Maturanas Ansatz einer neurophysiologisch motivierten Erkenntnistheorie und schließlich auch an der Evolutionären Erkenntnistheorie zukommen lassen und mich gebeten, sie auf elektronischem Wege an die anderen Teilnehmer weiterzuleiten.

Dies ist vielleicht eine geeignete Gelegenheit, auch die elektronische Form der Diskussion über unsere Mailing-Liste zu "aktivieren". Leider wird der Verfasser selbst an dieser "elektronischen" Diskussion vermutlich nicht teilnehmen können, aber vielleicht ist es für die Mailing-Listen-Teilnehmer eine interessante Möglichkeit eines Gedankenaustauschs im Vorgriff auf die "physische" Diskussionsrunde am 14. Dezember.

Herzliche Grüße
Ihr - PD

------------------
Die Kritikpunkte von Herrn Dr. Dr. Zecher.
(Eventuelle Rechtschreibfehler könnten sich durch die Bearbeitung der Papier-Fassung mit Scanner und einem Texterkennungsprogramm eingeschlichen haben.)

Zur Kritik:
1. Genügen die neurophysiologischen Daten zur Begründung einer Konstruktion der Welt bzw. der Erkenntnis dieser Welt? Wie ist diese Begründung erkenntnistheoretisch zu bewerten? Wenn sie konstruktivistisch ist, dann ist auch das Fundament des Konstruktivismus eine Konstruktion, so daß dieser ebensowenig Wahrheit beanspruchen kann wie andere Erkenntnistheorien. D.h. daß diesen Daten als dem fundamentum inconcussum kein notwendiger Wahrheitswert zukommen kann. Doch dies soll gerade nicht der Fall sein, worauf sich die erkenntnistheoretische Überlegenheit des Konstruktivismus stützt. Folglich sind die neurophysiologischen Befunde „wahr''. Dann aber können sie keine konstruktivistische Erkenntnis sein, weil der Konstruktivismus einen Wahrheitspluralismus vertritt, der für seine Grundannahme nicht zutreffen soll. Also weder im konstruktivistischen noch im nicht konstruktivistischen Sinne können die neurophysiologischen Daten als starke Argumente für eine konstruktivistische Erkenntnistheorie eingesetzt werden. Ferner: Um diese Schlußfolgerungen zu ziehen, müßte der Konstruktivismus von einem Vorverständnis von Wahrheit ausgehen – und er tut dies auch, selbst wenn er von Wahrheitspluralismus spricht –, das er jeder erkenntnistheoretischen Relativierung dieser Wahrheit schon immer vorangestellt hat. Damit widerlegt sich diese Erkenntnistheorie selbst. In
dieser Argumentation wird ein Grundproblem relativistischer Erkenntnistheorien deutlich, nämlich Wahrheit leugnen zu wollen, ohne jedoch auf sie verzichten zu können.

2. Wie müßten denn ein Nervensystem und seine Afferenzen beschaffen sein, um statt eines Konstruktivismus eine ,wirkliche" Welterkenntnis zu ermöglichen? Ist diese Frage überhaupt gerechtfertigt?. Sie zu beantworten, hieße auch, daß Erkenntnis aus komplexen Materiezuständen ableitbar ist. Ist sie zu stellen innerhalb des radikalen Konstruktivismus aber überhaupt noch erlaubt, weil er den Wirklichkeitsbegriff destruiert? Worum es hier geht, ist, daß die Ebene der Seinsweise mit der der Erkenntnisweise verwechselt wird. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, daß aus Aktionspotentialsänderungen von Neuronenzuständen nicht notwendigerweise auf intellektive Akte geschlossen werden kann. Der erkenntnistheoretische Apriorismus von Aristoteles und Kant beruht auf dieser systematischen Differenzierung.

3. Was spricht dagegen, daß die "abstrakten Interaktionen" der Neuronenaktivitäten bei allen Gehirnen einer Spezies gleich sind? Wenn dies der Fall wäre, gäbe es doch eine Wirklichkeit.

4. Eine autopoietische Maschine ist ein hölzernes Eisen. Entweder liegt eine Maschine vor, und dann ist sie ein menschliches Konstrukt ohne Telos. Oder es liegt keine Maschine vor, dann handelt es sich um eine entelechiale Einheit. Selbst Eigen, der eine physikochemisch-physikalische Rekonstruktion zellulären Lebens entwickelt hat, vermeidet es, den Selbstorganisationsbegriff in die Nähe des Maschinenbegriffs zu rücken.

5. Eine antiintentionale Erkenntnistheorie ist gleichfalls ein Selbstwiderspruch, wie eine Erkenntnistheorie, die ohne Subjekt-Objekt-Verhältnis auszukommen glaubt. Denn Intentionalität ist eine der Grundeigenschaften der Person, und diese ist das Erkenntnissubjekt, das sich intentional den Objekten zuwendet.

6. Der Formalismus einer funktionalistischen Relationalität läßt sich nicht durchhalten. Denn alle drei Relationsarten werden maßgeblich durch die Prozeßkomponenten und deren Eigenschaften charakterisiert. So sind z.B. die Relationen „Transkription“ und „Translation“ ohne die spezifischen Eigenschaften der DNS, RNS und der Proteine (Enzyme) nicht denkbar.

7. Maturana verwirft die Analytik der Naturwissenschaften als Erkenntnisquelle. Dabei ist er jedoch auf die Resultate dieser Analytik angewiesen, um sein Autopoiesismodell als ,genetisierte" wissenschaftliche
Erklärung zu konzipieren.

8. Der „genetische" Charakter seines Erkenntnismodells zeigt sich auch darin, daß die Gesetze der Logik in den autopoietischen Relationen liegen sollen. Ganz abgesehen davon, daß damit gegen alle Behauptungen eine intersubjektive Erkenntnis ermöglicht wird, und weil der Formalismus der Relationalität für jedes Leben fundamental sein soll, muß zur Kenntnis genommen werden, daß die Naturerscheinungen nach Gesetzen geordnet werden können und daß sie selbst nicht diese Gesetze ,verkörpern" bzw. ,materialisieren". Der ontologische Status organischer Strukturen und Prozesse ist kein logischer.

9. Innerhalb der Neuronen soll Informationsaustausch zugelassen sein. Weshalb nur hier und sonst nicht, da es doch genügend Rezeptoren in den Sinnesorganen gibt, um den Kontakt mit der Außenwelt aufrechtzuerhalten? Die relationalen, systeminternen Konfigurationen stehen für Autopoiese und daher
für Abgeschlossenheit. Daher ist auch eine andere Frage berechtigt: Weshalb gibt es dann zwischen den Neuronen Datenaustausch? Hier tun sich gleichfalls Widersprüche auf.

10. Wird davon ausgegangen, daß Maturana mit Erkenntnis – er verwechselt diese auch mit Kognition – die theoretische Erkenntnis der Naturphänomene versteht, dann ist diese Erkenntnis in der Tat ein Konstruieren. Auch Kant „construirt" und meint damit die Anwendung der Vernunftgesetze auf die Naturerscheinungen, um sie diesen Gesetzen gemäß zu ordnen. Insofern macht sich der Mensch ein Bild von der Welt, ein Weltbild, das wesentlich sprachvermittelt (Humboldt) ist. Sein Wahrheitswert steht und fällt nun gerade nicht mit der kategoriallogischen bzw. Iogisch-deduktiven Durchdringung der sinnlichen Wirklichkeit und ihrer nomologischen Deskription. Denken Sie nur an die Induktionsproblematik. Daß es abgesehen davon zur Erkenntnis mehr braucht, ist doch der Grund, weshalb Kant den Teleologiebegriff, wenngleich nur regulativ zu Hilfe nimmt. Dieses Mehr ist aber auch seine Begründung dafür, daß er der Metaphysik keine totale Absage erteilt, Ähnliche Überlegungen führen Aristoteles zum Seinsbegriff. Wird diese ontologische Fundierung allen Wissens und Erkennens aufgegeben, d.h. das Festhalten daran, daß die Grundlage des Erkennens nicht im Erkennen selbst bzw. nicht in Selbstorganisationsstrukturen liegt,
sondern in einem ihnen Vorgängigen, das mit dem zu Erkennenden schon immer durch Erkennbarkeit verbunden ist, dann gibt es mit Recht keine Wahrheit, keine Erkenntnis, dann ist der radikale Konstruktivismus konsequent. Denn er stößt genau in die Lücke, die sich auftut, wenn ein oberster Seinsgrund bzw. ein erkenntnistheoretisches Apriori tabuisiert wird. Daß er diese Lücke trotzdem nicht zu füllen vermag und deshalb wie die evolutionäre Erkenntnistheorie scheitert, liegt daran, daß beide letzten Endes von der Selbstorganisation der Materie ausgehen und zudem dieses Selbst im einen Fall an die Umwelt preisgeben, im anderen Fall in die autopoietische Isolation treiben. Deshalb sind es erkenntnistheoretische Biologismen, aber keine Erkenntnistheorien vom Range Kants und Aristoteles'.


12061049 - Heyer:

> Zur Kritik:
> 1. Genügen die neurophysiologischen Daten zur Begründung einer Konstruktion der Welt bzw. der Erkenntnis dieser Welt? Wie ist diese Begründung erkenntnistheoretisch zu bewerten? Wenn sie konstruktivistisch ist, dann ist auch das Fundament des Konstruktivismus eine Konstruktion, so daß dieser ebensowenig Wahrheit beanspruchen kann wie andere Erkenntnistheorien. D.h. daß diesen Daten als dem fundamentum inconcussum kein notwendiger Wahrheitswert zukommen kann. Doch dies soll gerade nicht der Fall sein, worauf sich die erkenntnistheoretische Überlegenheit des Konstruktivismus stützt. Folglich sind die neurophysiologischen Befunde „wahr''. Dann aber können sie keine konstruktivistische Erkenntnis sein, weil der Konstruktivismus einen Wahrheitspluralismus vertritt, der für seine Grundannahme nicht zutreffen soll. Also weder im konstruktivistischen noch im nicht konstruktivistischen Sinne können die neurophysiologischen Daten als starke Argumente für eine konstruktivistische Erkenntnistheorie eingesetzt werden. Ferner: Um diese Schlußfolgerungen zu ziehen, müßte der Konstruktivismus von einem Vorverständnis von Wahrheit ausgehen – und er tut dies auch, selbst wenn er von Wahrheitspluralismus spricht –, das er jeder erkenntnistheoretischen Relativierung dieser Wahrheit schon immer vorangestellt hat. Damit widerlegt sich diese Erkenntnistheorie selbst. In dieser Argumentation wird ein Grundproblem relativistischer Erkenntnistheorien deutlich, nämlich Wahrheit leugnen zu wollen, ohne jedoch auf sie verzichten zu können.

He.: Gegen den "Radikalen Konstruktivismus" insgesamt ist diese Kritik sicher berechtigt, aber gegen Maturanas Version dieser Theorie eher nicht, denn, soviel ich weiß, bezieht sich Maturanas Version ausschließlich auf die Selbstorganisation des biologischen Gehirns. Nach M. ist also ein Selbst
vorhanden, welches sich dann konstruktivistisch organisiert. Der "Wahrheitsrelativismus" beschränkt sich dann nur auf das Gehirn, das Wahrheit sucht - nämlich die möglichst getreue Repräsentastion der realen Umwelt.
>
> 2. Wie müßten denn ein Nervensystem und seine Afferenzen beschaffen sein, um statt eines Konstruktivismus eine ,wirkliche" Welterkenntnis zu ermöglichen? Ist diese Frage überhaupt gerechtfertigt? Sie zu beantworten, hieße auch, daß Erkenntnis aus komplexen Materiezuständen ableitbar ist. Ist sie zu stellen innerhalb des radikalen Konstruktivismus aber überhaupt noch erlaubt, weil er den Wirklichkeitsbegriff destruiert? Worum es hier geht, ist, daß die Ebene der Seinsweise mit der der Erkenntnisweise verwechselt wird. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, daß aus Aktionspotentialsänderungen von Neuronenzuständen nicht notwendigerweise auf intellektive Akte geschlossen werden kann. Der erkenntnistheoretische Apriorismus von Aristoteles und Kant beruht auf dieser systematischen Differenzierung.

Wie oben schon angedeutet geht Maturana davon aus, daß es eine reale (wahre) Welt und in den realen Gehirnen subjektive kognitive (plausible, aber nicht wahre) Welten, die es im Verlaufe der Evolution und individuellen Lernens gelernt haben, diese reale Welt intern zu repräsentieren. Diese beiden
Welten werden häufig verwechselt. Die reale Welt kennen wir nicht; wir haben von ihr keine Anschauung, denn Anschauung heißt Abbildung, Repräsentation. In der wahren Welt gibt es keine Farben, keine Töne, nichts Greifbares, keine Längeneinheiten und nicht unsere Uhrzeit! Die wahre Welt hat mehr als die
uns repräsentieren 3 Raum- und 1 Zeitdimensionen. Eine Welt ohne Raum, Prozesse ohne Zeit, können sich die meisten Menschen nicht vorstellen (ich aber schon!).
>
> 3. Was spricht dagegen, daß die "abstrakten Interaktionen" der Neuronenaktivitäten bei allen Gehirnen einer Spezies gleich sind? Wenn dies der Fall wäre, gäbe es doch eine Wirklichkeit.

So ist es! Da wir ähnliche Gehirne haben, leben wir scheinbar alle in einer gemeinsamen kognitiven Welt - aber nur scheinbar! Das ROT, das Sie sehen, ist nicht das ROT, das ich sehe, aber wir benutzen beide den Begriff "rot". Über Sprache, aber auch über soziale Interaktionen, wozu ich auch Kriege zähle, glichen sich die subjektiven Außenwelten einander an.
>
> 4. Eine autopoietische Maschine ist ein hölzernes Eisen. Entweder liegt eine Maschine vor, und dann ist sie ein menschliches Konstrukt ohne Telos. Oder es liegt keine Maschine vor, dann handelt es sich um eine entelechiale Einheit. Selbst Eigen, der eine physikochemisch-physikalische Rekonstruktion zellulären Lebens entwickelt hat, vermeidet es, den Selbstorganisationsbegriff in die Nähe des Maschinenbegriffs zu rücken.

Volle Zustimmung! Eine Maschine kann keine Innenwelt aufbauen. Sie hat keine Erlebnisse, sieht nicht ROT, simuliert nicht sich selbst in einer kognitiven Welt. Wie sollte eine Maschine eine Membran zur Außenwelt aufbauen? Sie bleibt immer Außenwelt - ohne Bewußtsein, ohne Telos.
>
> 5. Eine antiintentionale Erkenntnistheorie ist gleichfalls ein Selbstwiderspruch, wie eine Erkenntnistheorie, die ohne Subjekt-Objekt-Verhältnis auszukommen glaubt. Denn Intentionalität ist eine der Grundeigenschaften der Person, und diese ist das Erkenntnissubjekt, das sich intentional den Objekten zuwendet.

Zustimmung aus denselben Gründen wie oben. Intentionen, Ziele, kann ein Wesen nur haben, wenn es eigene (kognitive oder mentale) Welten konstruieren kann, die unabhängig von der Physik der realen Außenwelt sind..
>
> 6. Der Formalismus einer funktionalistischen Relationalität läßt sich nicht durchhalten. Denn alle drei Relationsarten werden maßgeblich durch die Prozeßkomponenten und deren Eigenschaften charakterisiert. So sind z.B. die Relationen „Transkription“ und „Translation“ ohne die spezifischen Eigenschaften der DNS, RNS und der Proteine (Enzyme) nicht denkbar.
>
> 7. Maturana verwirft die Analytik der Naturwissenschaften als Erkenntnisquelle. Dabei ist er jedoch auf die Resultate dieser Analytik angewiesen, um sein Autopoiesismodell als ,genetisierte' wissenschaftliche Erklärung zu konzipieren.

Hier verstehe ich Maturana anders. Vielleicht irre ich mich, aber ich verstehe M. so, daß er den Konstruktivismus ausschließlich für das biologische Gehirn annahm. M. akzeptierte die Analytik der
Naturwissenschaften.
>
> 8. Der „genetische" Charakter seines Erkenntnismodells zeigt sich auch darin, daß die Gesetze der Logik in den autopoietischen Relationen liegen sollen. Ganz abgesehen davon, daß damit gegen alle Behauptungen eine intersubjektive Erkenntnis ermöglicht wird, und weil der Formalismus der Relationalität für jedes Leben fundamental sein soll, muß zur Kenntnis genommen werden, daß die Naturerscheinungen nach Gesetzen geordnet werden können und daß sie selbst nicht diese Gesetze ,verkörpern" bzw. ,materialisieren". Der ontologische Status organischer Strukturen und Prozesse ist kein logischer.
>
> 9. Innerhalb der Neuronen soll Informationsaustausch zugelassen sein. Weshalb nur hier und sonst nicht, da es doch genügend Rezeptoren in den Sinnesorganen gibt, um den Kontakt mit der Außenwelt aufrechtzuerhalten? Die relationalen, systeminternen Konfigurationen stehen für Autopoiese und daher für Abgeschlossenheit. Daher ist auch eine andere Frage berechtigt: Weshalb gibt es dann zwischen den Neuronen Datenaustausch? Hier tun sich gleichfalls Widersprüche auf.
>
> 10. Wird davon ausgegangen, daß Maturana mit Erkenntnis – er verwechselt diese auch mit Kognition – die theoretische Erkenntnis der Naturphänomene versteht, dann ist diese Erkenntnis in der Tat ein Konstruieren. Auch Kant „construirt" und meint damit die Anwendung der Vernunftgesetze auf die Naturerscheinungen, um sie diesen Gesetzen gemäß zu ordnen. Insofern macht sich der Mensch ein Bild von der Welt, ein Weltbild, das wesentlich sprachvermittelt (Humboldt) ist. Sein Wahrheitswert steht und fällt nun gerade nicht mit der kategoriallogischen bzw. Iogisch-deduktiven Durchdringung der sinnlichen Wirklichkeit und ihrer nomologischen Deskription. Denken Sie nur an die Induktionsproblematik. Daß es abgesehen davon zur Erkenntnis mehr braucht, ist doch der Grund, weshalb Kant den Teleologiebegriff, wenngleich nur regulativ zu Hilfe nimmt. Dieses Mehr ist aber auch seine Begründung dafür, daß er der Metaphysik keine totale Absage erteilt, Ähnliche Überlegungen führen Aristoteles zum Seinsbegriff. Wird diese ontologische Fundierung allen Wissens und Erkennens aufgegeben, d.h. das Festhalten daran, daß die Grundlage des Erkennens nicht im Erkennen selbst bzw. nicht in Selbstorganisationsstrukturen liegt, sondern in einem ihnen Vorgängigen, das mit dem zu Erkennenden schon immer durch Erkennbarkeit verbunden ist, dann gibt es mit Recht keine Wahrheit, keine Erkenntnis, dann ist der radikale Konstruktivismus konsequent. Denn er stößt genau in die Lücke, die sich auftut, wenn ein oberster Seinsgrund bzw. ein erkenntnistheoretisches Apriori tabuisiert wird. Daß er diese Lücke trotzdem nicht zu füllen vermag und deshalb wie die evolutionäre Erkenntnistheorie scheitert, liegt daran, daß beide letzten Endes von der Selbstorganisation der Materie ausgehen und zudem dieses Selbst im einen Fall an die Umwelt preisgeben, im anderen Fall in die autopoietische Isolation treiben. Deshalb sind es erkenntnistheoretische Biologismen, aber keine Erkenntnistheorien vom Range Kants und Aristoteles'.

Die Frage, wie es zu jener Membran kommt, die die kognitive Welt von der physikalischen trennt, ist meiner Ansicht noch nicht beantwortet worden, weder von Aristoteles, Kant oder Maturana. Die beiden Churchlands beispielsweise glauben das Problem gelöst zu haben, indem sie diese Membran einfach leugnen - und damit leugnen sie die gesamte mentale, subjektive Innenperspektive: Sie leugnen die Existenz aller Qualia: Farben, Töne, aber auch Bewußtsein, Ich, Gefühl, Wille, Leben usw. Sie haben alles
physikalisiert, einschließlich des Physikers, der sich nicht von der Umwelt abhebt, also nicht existiert. Die Welt wäre, hätten sie recht, eine Illusion von niemandem..

Dieser Kommentar soll bitte als vorläufig verstanden werden. Ich habe vor, bei Maturana und konstruktivistischen Kollegen die entsprechenden Belege zu suchen...

viele Grüße Hans-Joachim Heyer

PS: Ich verweise auf meine Arbeit: www.hanjoheyer.de/Gehirn.html


12062325 Hallo P,

vielen Dank für die prompte Reaktion! - Ich komme gerade von einem Besuch bei R. zurück, sodaß sich Einiges geändert hat.
>
> Vorweg die Frage: wolltest Du den Text allen Teilnehmern der Mailing-Liste zugänglich machen?

Nein. Ich besprach diesen Text vorhin mit R., was einige Korrekturen zur Folge hatte: Der Begriff "Membran" muß durch "Grenze" ersetzt weden, da die Biologen darunter etwas Anderes verstehen. Außerdem ist es möglich, daß meine gesamte Argumentation nicht mehr stimmt, denn R. glaubt, Maturana habe seine konstruktivisitische Theorie wesentlich verschärft seit der Version aus den 80er Jahren, die ich kenne. In meinen Maturanabüchern geht M noch davon aus, daß es eine objektive, biologische Welt gebe; nur die
kognitive Welt sei konstruktivistisch. In seinem neuesten Werk soll M geschrieben haben, es gebe keine Objekte. Falls das stimmt, kann ich meine Kritik an Reinhard Zecher nicht aufrecht erhalten. R. will noch heute Abend in Maturanas neuestem Werk nachgucken und mir Mitteilung machen.

Außerdem muß ich noch meine 1. Email an Dich mit der langen Diskussion während der Sommerferien heraussuchen, da sie meine Fragen an Dr. B. enthielt. Diese soll ich auf eine knappe Frage reduzieren, damit die Diskussion zum nächsten Termin nicht ausufert. Wir sind auch überein gekommen, daß ich eine
eventuelle Frage an Zecher ganz knapp formuliere und ihm persönlich vorbeibringe, damit er sich seine Antwort vor unserem Treffen in Ruhe überlegen kann.
>
herzliche Grüße Joachim Heyer


12071154 Hallo P,

hier die Begründung dafür, daß ich meinen Kommentar zu Zechers Arbeit noch zurückhalten muß. Da wir alle ja an einem gemeinsamen "Meinungsbildungsprozeß" beteiligt sind, möchte ich dir diesen Prozeß, wie er zwischen R. und mir stattfindet, nicht vorenthalten. Es geht darum, was Reinhard überhaupt meint mit seiner Arbeit - und was zB Maturana wirklich meint usw...

hier die Mail an R:

Hallo R,

ich habe bei Maturana nachgelesen und bin zu folgendem Ergebnis gekommen:
M sieht die autopoietischen Systeme nicht nur für das Mentale (Denken) des Gehirns, sondern auch für den Leib. Auch der materielle Leib sei ein autopoietisches System, das strukturell geschlossen (autonom) und nur materiell und energetisch offen sei.

Als ich dies wieder las und mich fragte, warum ich diese Kleinigkeit vergessen habe, fiel mir ein, daß dies eine Konsequenz meiner Lernmethode ist: Ich hatte hier nämlich bei Maturana einen Fehler entdeckt und korrigiert - und den Fehler VERGESSEN, da er nicht zu meinem Weltmodell beiträgt. M hat nämlich meiner Meinung nach vergessen, daß der Körper ein Produkt geistiger Prozesse im Gehirn (Produkt von Kognition) ist. Demnach sind die autopoietischen "Prozesse" des Körpers in Wahrheit solche desselben kognitiven Systems, das auch denkt.

Ich werde also meine Kritik an R. Zecher umformulieren müssen und werde zB darauf eingehen müsen, warum er bei Maturana den Wahrheitsbegriff und die Existenz des Selbst zerstört sieht.

Ich werde eine Kopie dieser Mail an PD schicken.

vielen Dank noch mal für den gestrigen Abend, einen schönen Tag noch, und herzliche Grüße
dein joachim

und ebenso herzliche Grüße an dich, P!
(ich denke noch immer an unsere interessante Diskussion vom Sommer)
bis bald!


12071619

> Hallo, H.J.
> ich zitiere aus "Biologie der Realität" 1998. S.164: "Da ich Objektivität in Klammern gesetzt habe, kann ich keine von uns Menschen unabhängige Existenz von Dingen behaupten. Eine Einheit existiert daher nur auf Grund ihrer Unterscheidung im Bereich der Lebenspraxis des Beobachters, der sie hervorbringt. S. 223: die menschliche Existenz ist eine kognitive Existenz und geschieht durch Sprache- aus diesem Grund existiert nichts außerhalb der Unterscheidungen des Beobachters- alle Dinge sind kognitive Entitäten und der Beobachter ereignet sich im Prozeß des Beobachtens.
>
> Ich habe das als radikal verstanden ,es gibt keine objektive Welt, wie siehst Du das ?
>
> Grüße R.J.
>
Die Sache ist mit obiger Aussage noch nicht klar! Du müßtest - um sicher zu gehen - nach einem Zitat suchen, in dem explizit steht, daß es keine objektive Außenwelt gebe! Vielleicht meint M ja, daß es sie zwar gebe (samt Evolution usw), uns nur nicht zugänglich sei, wie Kants "Ding an sich". Ich werde in meinem M.-Buch auch noch mal nachsehen, ob ich was Definitives finde.

Joachim


2 E-Briefe an den MT-Kreis:

16.1.2001: > * Was sollten wir tun, um zwischen Biologie (als Naturwissenschaft) und Philosophie tragfähige Brücken zum Verstehen und zur Verständigung zu schaffen ?

Eine solche Brücke wäre meines Erachtens die Feststellung der Beziehung zwischen Philosophie und Naturwissenschaft. Ich sehe diese Beziehung folgendermaßen: Die Philosophie stellt die Frage, wie der Mensch zu Erkenntnissen kommt und stellt fest, daß es immer irgendwelche Bedingungen gibt, die der jeweiligen Erkenntnisgewinnnung zugrundeliegen. So auch bei der Naturwissenschaft: Ihr liegen als Bedingung zum Wissenserwerb Raum und Zeit als nicht hinterfragbare Rahmenbedingungen zugrunde. Werden diese Bedingungen angetastet wie zB bei der Quantentheorie, entstehen wissenschaftlich unüberbrückbare Paradoxien, die zwar die Philosophie, nicht aber die Wissenschaft, weiterbringen. Der Einfluß des Beobachters auf das Experiment wurde, da die wiss. Methode zwar die Beobachtung, nicht jedoch den Beobachter, zuließ, ersetzt durch die sog. "Unschärferelation", die wiederum als Beweis für die Existenz des Zufalls (und der Berechtigung von Statistik) diente. Der Zufall jedoch kann jeden Determinismus durchbrechen, die Methode des Erklärens und damit die Naturwissenschaft zerstören. Eine
Statistik erklärt nichts. "Zufall" ist keine Antwort.
>
> * Wie ist Zufall aus den Grundbegriffen der Evolutionstheorie der Biologie zu definieren ? Ist Zufall ein Prinzip, ein Entwicklungsprinzip oder ein Stellvertreterbegriff dafür, dass die Biologie die Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten für die hinter dem Zufall wirkenden Kräfte (noch) nicht angeben kann // noch nicht entdeckt / gefunden hat ?

Das wahre Universum ist geistiger Natur. Der Unterschied zwischen Geist und Materie ist der, daß Geist will; und bei der Materie ist der Wille zerfallen in Zufall + Notwendigkeit. In der Philosophie gibt es noch den Willen. Darum spiegeln viele Philosophien bloß das Denken einzelner Menschen wider. In der Naturwissenschaft gibt es aufgrund ihrer Methode keinen Willen, weil der Wissenschaftler ihn in Form der Komponenten "Zufall" + "Notwendigkeit" wahrnimmt.
>
Mit ist klar, daß diese kurzgefaßten Antworten kaum Verständnis finden werden. Wer mich beim Wort nehmen, wer nachfragen möchte, lese bitte meine Homepage http://www.hanjoheyer.de und hier meine phil. Aufsätze oder schreibe mir eine Email.

mit freundlichem Gruß Hans-Joachim Heyer

6.6.2001: Zum Vortrag von Herrn Prof. Dr. H.-V- Ulmer: Homoeostase

Herr Prof. R. Jäger schrieb: "Der Begriff Homoeostase hat viel Ähnlichkeit mit den in der Evolutionstheorie immer wieder auftretenden Begriffen der Art bzw. der Population. Die Verwendung dieser Begriffe geht hintergründig auf einen Platonismus zurück. In der Realität gibt es ebensowenig Arten wie Populationen und Homoeostasen. Die Begriffe beschreiben die "platonische Idee" ...
... Dass sowohl Kohlmeisen wie auch Blutdrucke Regelsysteme im kybernetischen Sinne sind, hat vorerst mit unserer Frage nichts zu tun."

Hierzu mein Kommentar: Ich denke, der von Herrn Jäger angeführte Platonismus geht noch nicht weit genug. Und selbst der Platonismus als solcher geht mir nicht weit genug. Was haben wir außer unseren platonischen Ideen? NICHTS! - Das will ich unten ausführen. Aber auch Platon möchte ich kritisieren: "Seine" Ideen schwimmen nicht als fertige Muster in irgendeinem Äther oder Geist, wie Platon meinte, sondern müssen von uns gedacht, vorgestellt (wie Schopenhauer sagen würde) werden.
Herr Jäger sagte ganz richtig, daß es draußen in der Natur keine Kohlmeisen gebe. Die Art gebe es in der Natur nicht; dort gebe es nur die einzelnen konkreten Vögel, die wir entsprechend unserer Ideen klassifizieren. Nun frage ich weiter: Wie steht es denn mit diesen konkreten Vögeln? Jeder einzelne Vogel besteht doch auch bloß aus "platonischen Ideen", aus denen wir die induviduellen Merkmale des Vogels zusammenstellen. Und wie gesagt:
Die Ideen sind nicht, wie Platon meinte, fertige Muster in einem Äther oder in unserem Geist, sondern sie sind unsere derzeit gültigen Theorien. Und diese sind die Aprioris, die Abbildungsbedingungen für die Erscheinungswelt, wie wir sie erleben. Wir sehen "die Welt" DURCH unsere Theorien!
Mit dieser Erkenntnis haben wir Philosophie und Wissenschaft transdisziplinär verbunden.

Nichts ist per se da. Selbst die Existenz von scheinbar so stabilen Atomen verdanken wir der Homoeostase, denn alles, was von Dauer scheint, muß ständig neu erzeugt werden. Es gibt keine Dinge, die einfach so "immer da" sind! Die Dinge müssen ständig neu als "Fließgleichgewicht" vorgestellt werden! Wir müssen uns ins Gedächtnis zurückrufen, daß wir von der Welt, in der wir tatsächlich leben, nichts wissen; wir kennen ausschließlich die Produkte mehr oder weniger unbewußter gehirninterner Interpretationen. Fällt die entsprechende Hirnfunktion aus, bricht sofort die Generierung all dieser statischen Elemente aus, aus denen scheinbar unsere Welt besteht. Die Physik beschäftigt sich NICHT mit der realen Welt, sondern mit dem BILD der Welt NACH der Datenverarbeitung des Gehirns. Erschwerend kommt hinzu, daß das materielle Gehirn selbst wiederum nur BILD ist von einem realen Gehirn, das außerhalb von Raum und Zeit - und damit außerhalb des "physikalischen" Universums - existiert. (siehe www.hanjoheyer.de/Gehirn.html) Berücksichtigt man dies, ergibt sich die Konsequenz, daß es jene homoeostatischen Regelkreise, wie die Naturwissenschaft sie versteht, nämlich daß diese voll und ganz innerhalb der Erscheinungswelt existieren sollen, nicht gibt. 1. weil sie sowieso "platonische Ideen" sind und 2. weil die realen Regelkreise außerhalb der physikalischen Erscheinungswelt liegen.
Die Regelkreise als Erscheinung gibt es nicht. Erscheinungen regeln nichts; es sieht nur so aus; es scheint so...

Als Beispiel möchte ich die physikalische Welt, also Kants Erscheinungswelt oder Schopenhauers Welt als Vorstellung, wie wir sie durch unsere internen Theorien, die Kant'schen Aprioris, die Wahrnehmungs- und ErkenntnisBEDINGUNGEN, wahrnehmen, mit einem Kinofilm auf einer zweidimensionalen Leinwand gleichsetzen. Auf der Leinwand, also im Film, benutzt der Filmheld eine Toilettenspülung. Wo gibt es hier Homoeostase? Der Filmheld wird sie im Spülsystem empirisch erkennen können; WIR als Wesen außerhalb der Filmwelt wissen, daß der Spülmechanismus auf diese Filmebene hin gedacht ist; sie soll quasi in der Erscheinungswelt als solche auftreten, obgleich WIR natürlich wissen, daß ohne den Filmprojektor auf der Leinwandwelt gar nichts passiert. Beim Blutdruck des Filmhelden sieht es etwas anders aus:
Interpretiert er sich selbst als Seele UND Körper, kann er wissen und erleben, daß es innnerhalb der Filmebene keine Kausalität gibt, denn kein Schatten kann einen anderen anstoßen und wegdrücken. Er weiß, daß er einen außerweltlichen Willen hat, der alles regelt - und zwar NICHT mechanisch!
Betrachtet jedoch ein waschechter Physiker seinen Blutdruck oder den anderer Menschen, nimmt er eine externe 3.-Person-Perspektive ein, d.h. er erklärt einzig die Filmebene für gültig und sucht die Regelmechanismen ausschließlich in der Filmebene und wird sogar fündig. Er erklärt die Projektion eines Regelkreises für den Regelkreis selbst (und beim Klo stimmen Idee und Erscheinung in eins, nicht jedoch beim Menschen, der mehr ist, als seine Idee). Mittels dieser Sichtweise strukturiert er seine internen Aprioris weiter um, sein reales Gehirn bildet eine mechanische Erscheinungswelt ab und diese bestätigt ihn auch noch, sodaß er keinen Grund zum Zweifel hat.

Der Wissenschaftler erforscht also eine Erscheinungswelt, ohne bewußt auf die außerphysikalischen Abbildungsbedingungen zu wirken. Ein transdisziplinärer Mensch, der Wissenschaft UND Philosophie betreibt, hat die Voraussetzungen, die Abbildungsbedingungen zu optimieren, eine andere Erscheinungswelt zu erleben und kann auch noch diese empirisch erforschen und damit stabilisieren. Spannend ist nun die Tatsache, daß die Menschen, obwohl sie in völlig unterschiedlichen Welten leben, diese Unterschiede in der Regel nicht bemerken. Die SPRACHE verwischt die Unterschiede. Die unbewußten Interpretationsmechanismen in jedem Menschen formen alles Fremde in die eigenen bekannten Srukturen um, und so kommt es, daß wir alle meinen können, in einer gemeinsamen, objektiven Welt zu leben. Eine schöne Illusion, aber nicht real!

Die modernen Hirnforscher versuchen nun, alles Außerphysikalische in die physikalische Ebene hineinzuziehen. Damit vernichten sie alles; man muß nur lange genug warten: JETZT erklären sie, es gebe weder Bewußtsein, noch Wille, noch Freiheit, noch Moral, noch Leben. Dann finden sie, es gibt weder
"Dinge", noch Energie. Dann finden sie, daß es keine Naturgesetze gibt, daß es sie selber nicht gibt, daß es überhaupt nichts gibt. Die Logik erzwingt diese "Erkenntnis": Alles wird zurückgeführt auf ein Ende, das dem Anfang gleichkommt, dem URKNALL,. einem Punkt, einem Nichts. Fällt man auf diese empirische sichtweise NICHT herein, ereignet sich das Gegenteil: das Universum ist dann voller Leben, voller Sinn: es IST Leben und Sinn; es IST bewußter, intelligenter Geist....
ALLES hängt davon ab, wie wir es sehen wollen. Das ist das Geheimnis der Welt...

Soweit mein knappes Statement. Ich bin natürlich bereit, jede scheinbare Ungereimtheit zu bereinigen und eventuelle Fragen zu beantworten. Besonders jenes, was "unmöglich richtig" sein kann, möchte ich in weiterer Diskussion gern näher erläutern.

zurück zur Startseite