Evolutionstheorie - E-Brief-Diskussion mit einem Experten
von Hans-Joachim Heyer - Teil 3



15.7.2000, 22.46 Uhr

07152246 Hallo P,

als ehemaliger Radrennfahrer "mußte" ich heute die Tour de France gucken. Deshalb die etwas verspätete Antwort...

> Was ich meinte, ist nur: die Schöpfer der QM waren nicht in der Weise von der Urknalltheorie beinflußt, daß sie die Theorie bewußt passend "gestrickt" haben, damit die Urknalltheorie wieder ordentlich rauskommt.

Zustimmung. Die QM selbst ist natürlich ahistorisch, aber sie paßt trotzdem in ein historisches Gesamtbild. Der Mensch sieht sich auch trotz dieser ahistorischen Theorie in einem geschichtlichen Prozeß. Es hätte ja auch anders kommen können, nämlich so, daß sich die Menschen aufgrund dieser Theorie als in einer Ewigen Gegenwart befindlich sähen.
> >
> >Die LG ist immer konstant in Bezug zum Beobachter! Das werte ich als Beweis dafür, daß jeder Mensch in seinem "Privatuniversum" (subjektive kognitive Welt) lebt.
>
> Natürlich kannst Du es so sehen. Aber man kann sich fragen, warum ausgerechnet die Lichtgeschwindigkeit für alle Beobachter konstant ist, die Geschwindigkeit von Möven, die über das Meer gleiten hingegen nicht

Das ist für mich kein Gegenargument. Die LG ist die größte Geschwindigkeit, die mein Geist abbilden kann. Bei sehr schnellen Objekten treten daher Verzerrungen auf. Für das Maß der Verzerrungen gelten Einsteins Formeln uneingeschränkt. Die Geschw. einer Taube kann der Geist (die Seele) "richtig" abbilden. - Meine Phil. widerspricht nicht direkt der Wissenschaft (sie soll es jedenfalls nicht!); sie interpretiert alles bloß anders und besitzt einen Zusatz, der alles in einen größeren Rahmen stellt (stellen soll).

> Wir sind uns aber einig, daß die Vorstellung des Äthers mit seinen ihm von der Physik früher zugeschriebenen Eigenschaften als Erklärungsmodell für eine Reihe von Phänomenen der Erscheinungswelt nicht taugt,

Wir sind uns einig.
>
> An sich ist der Begriff "Äther" sowieso erst mal nur ein Wort. Wenn Du sagst, daß Du den Äther in der Innenwelt suchst, so wäre es interessant, welche Eigenschaften Du einem solchen Innenwelt-Äther (ich nenne ihn jetzt mal so, um ihn von dem anderen Begriff zu unterscheiden) zuschreibst, also was für eine Art Objekt Du eigentlich in der Innenwelt suchst. Ich kann ein solches Objekt dann ja auch sonstwie nennen, der Name sollte ja eigentlich keine Rolle spielen.

Ich hatte die Idee des Äthers (aus der griechischen Mythologie) als das identifiziert, was ich "Seele" nenne. Die Seele ist nach meiner Phil. Träger der Erscheinungswelt. Sie ist die "wahre Sub-stanz" - das
"Darunter-Liegende", das den Erscheinungen zugrunde liegt. Das Subjekt ist Träger der Objekte. Objekte entspringen einem ganz besonderen Abbildungsmechanismus der Seele. Deshalb ändern sie sich nicht automatisch mit einer Änderung der Seele, aber die Bedeutungen, Interpretationen, ändern sich - und in gewissen Fällen das Verhalten der Materie. Beispiel:
Ich will meinen Arm hochheben und tue es. Ein Physiker würde methodebedingt einen Determinismus feststellen und meinen Willen nicht entdecken. So in der größeren Welt: Ich gehe durch die Fußgängerzone und denke über ein philosophisches Problem nach. Plötzlich weht der Wind mir eine Zeitungsseite vor die Füße. Ich hebe sie auf und lese dort die Lösung. Ein Wissenschaftler
würde hier einen Zufall vermuten. Ich nicht, weil sich bei mir solche Ereignisse häufen, wenn ich in bestimmter Stimmung bin.
> >
> >"Ich habe in der Nacht viel über den Solipsismus nachgedacht. Ich hatte mir vorgestellt, eine geschlossene Kugel zu sein, in deren Mitte mein Ich sitzt und die Innenwand der Kugel betrachtet...
>
> Für einen "hartgesottenen" Physiker ist die Resonanz in seinem physikalischen Sinne natürlich auch ein raum-zeitliches Phänomen, d.h. irgendein Medium (beim Schall z.B. die Luft) überträgt die Schwingung und wenn die beiden Objekte (z.B. die Gitarrenseiten) "zueinander passen", dann überträgt sich die Schwingung auf das andere Objekt. (Im Vakuum klappt das dann plötzlich nicht mehr). Aber das ist vermutlich nicht das, was Du meinst.

Ich wollte mit dieser Metapher bloß ausdrücken, daß die Gitarre, wäre sie ein Lebewesen, bei dem Resonanzphänomen (und bei Fehlen von sonstigen Sinnesorganen) das Schwingen von Saiten in ihrem Innern nicht als von außen her verursacht wahrnehmen kann.
Wenn ich mir einen Gedanken ausdenke, kann ich nicht sicher sein, daß ich (meine Seele oder mein unsichtbares Subjekt) auch der Verursacher der Gedanken bin; es könnte auch sein, daß ich mit einem externen Gedanken in Resonanz gerate und ihn von innen her wahrnehme als eigenen Gedanken. Man kann Kausalität nur innerhalb der Erscheinungswelt wahrnehmen, nicht zwischen Erscheinung und dem generellen Verursacher von Erscheinungen schlechthin.
>
> Ich persönlich denke, daß eine Kommunikation über Physikalische Kanäle einem "Wahrnehmen durch Denken und Fühlen" in keiner Weise im Wege steht.

Ich verstand unter "Resonanz" eine Informationsübertragung (und Kausalität) zwischen Welt-an-sich und Erscheinungswelt, bzw. zwischen Subjekten, wohingegen die Naturwissenschaft Informationsübertragung (und Kausalität) nur zwischen Erscheinungen kennt.
>
> >Könnte ein Physiker auch meine Interpretation akzeptieren?
>
> Ich denke, ein Physiker in seiner Eigenschaft als solcher hat damit Probleme. Und zwar deshalb, weil seine Theorien und Erklärungen in der Welt der Modelle leben. Wenn er das Subjekt einbeziehen wollte, müßte er sich ein geistiges Modell davon machen. Und da (gerade menschliche) Subjekte so furchtbar kompliziert sind, hat er damit enorme Schwierigkeiten...

Das ist dann natürlich eine echte Schwäche der Wissenschaft. Das erinnert mich ein wenig an die Geschichte von dem Menschen, der Nachts im Dunkeln seinen Schlüsselbund verloren hat und ihn ausschließlich unter der Laterne sucht mit der Begründung, er könne schließlich nur da suchen, wo es hell ist.

> Ich stelle mir jetzt einen Menschen vor, der sich bei Ikea eine Einbauschrankwand gekauft hat. Er setzt sich in sein Wohnzimmer und fängt an, das Ding zusammenzuschrauben und hat dabei einige Erfolgserlebnisse und einige Mißerfolgserlebnisse. Manchmal muß er ganze Partien wieder auseinandernehmen, weil Bretter schiefsitzen und nicht zueinander passen usw.) Und nun hat er nach 6 Stunden den unteren Teil der Schrankwand soweit fertig, er scheint ihm halbwegs stabil und kann darangehen, noch einen Teil oben draufzusetzen, der in einer anderen Pappkiste verstaut ist. Da fällt sein Blick auf das Beutelchen, wo die Schrauben drinwaren und - oh Schreck - da liegen noch eins zwei Schrauben drin. Jetzt hat er zwei Möglichkeiten: er reißt die Schrankwand wieder ab und versucht, die Schrauben unterzukriegen oder aber, er läßt Schrauben Schrauben sein, öffnet den nächsten Karton, vielleicht in der stillen Hoffnung, die Schrauben würden sich vielleicht mit dem Oberteil vertragen.
> Sollte sich der Schrank nach dem Aufbau des Oberteils oder eines Teils davon verziehen oder zusammenbrechen, dann müssen Sie natürlich wieder abreißen, aber mit dieser Unsicherheit leben sie halt."

Ich sehe, Du hast auch schon mal versucht, einen Ikea-Schrank zusammenzubauen.
>
> Nochmal zu Subjekt und Zufallsprozeß:
> Ein Zufallsprozeß ist im Gegensatz zum Subjekt leicht mathematisch zu modellieren: Ich kann eine "Wahrscheinlichkeitsverteilung" bestimmter Ereignisse oder Gruppen von Ereignissen angeben, und dann bin ich eigentlich schon ganz gut dabei.

Wie sicher ist sich die Physik, daß es Zufälle gibt? Gibt es eine Zufallstheorie? Gibt es Computer, die ECHTE Zufallszahlen produzieren können?
>
> >Das Subjekt bezieht sich nicht in die Messung ein, aber es verursacht sie.
>
> Das ist richtig: In einem meiner Physik-Scripten zu Hause steht: Physik ist das Handeln von Menschen.

Da bin ich mir nicht sicher. Die Physik ist so sehr formalisiert, daß alles Menschliche aus ihr herausfällt. Ich könnte mir gut Physikcomputer vorstellen. Die Physik bestimmt den Menschen so sehr fremd, daß er keine eigenen Entscheidungen treffen kann im Idealfall. Natürlich machen Menschen Physik, besonders da, wo sie irren, aber wo sie nicht irren, entfremden sich die Menschen von sich selbst zugunsten eines reinen Funktionärstums.
Trotzdem bin ich für Physik, weil ich dafür bin, daß wir uns zu 50 % entfremden. Wir sind halt Körper UND Geist: 50 % entfremdet, 50 % nicht. Verstehst Du, was ich meine?
>
> Wer sagt das? :-)

Ich weiß, daß ich mathematisch inzwischen eine 0 bin. Ich weiß noch nicht einmal, was eine Milchmädchenrechnung ist.

Na denn gute Nacht!
bis bald Joachim


07171616 ... Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ...

> Das ist für mich kein Gegenargument. Die LG ist die größte Geschwindigkeit, die mein Geist abbilden kann. Bei sehr schnellen Objekten treten daher Verzerrungen auf. Für das Maß der Verzerrungen gelten Einsteins Formeln uneingeschränkt. Die Geschw. einer Taube kann der Geist (die Seele) "richtig" abbilden. - Meine Phil. widerspricht nicht direkt der Wissenschaft (sie soll es jedenfalls nicht!); sie interpretiert alles bloß anders und besitzt einen Zusatz, der alles in einen größeren Rahmen stellt (stellen soll).

Die Physik als solche ist natürlich gegenüber Zusätzen immer etwas keptisch, denn sie versucht ja programmgemäß minimalistisch zu sein: gemäß der Devise: "Wenn ich etwas also mit wenig Ursachen hinreichend gut erklären kann, werde ich keine anderen in Betracht ziehen" (wobei noch zu klären wäre, was "hinreichend gut" heißt). Größere Rahmen werden in der Physik nur dann betrachtet, wenn's gar nicht mehr anders geht.

> > An sich ist der Begriff "Äther" sowieso erst mal nur ein Wort. Wenn Du sagst, daß Du den Äther in der Innenwelt suchst, so wäre es interessant, welche Eigenschaften Du einem solchen Innenwelt-Äther (ich nenne ihn jetzt mal so, um ihn von dem anderen Begriff zu unterscheiden) zuschreibst, also was für eine Art Objekt Du eigentlich in der Innenwelt suchst. Ich kann ein solches Objekt dann ja auch sonstwie nennen, der Name sollte ja eigentlich keine Rolle spielen.
>
> Ich hatte die Idee des Äthers (aus der griechischen Mythologie) als das identifiziert, was ich "Seele" nenne. Die Seele ist nach meiner Phil. Träger der Erscheinungswelt. Sie ist die "wahre Sub-stanz" - das "Darunter-Liegende", das den Erscheinungen zugrunde liegt. Das Subjekt ist Träger der Objekte. Objekte entspringen einem ganz besonderen Abbildungsmechanismus der Seele. Deshalb ändern sie sich nicht automatisch mit einer Änderung der Seele, aber die Bedeutungen, Interpretationen, ändern sich - und in gewissen Fällen das Verhalten der Materie. Beispiel:
> Ich will meinen Arm hochheben und tue es. Ein Physiker würde methodebedingt einen Determinismus feststellen und meinen Willen nicht entdecken. So in der größeren Welt: Ich gehe durch die Fußgängerzone und denke über ein philosophisches Problem nach. Plötzlich weht der Wind mir eine Zeitungsseite vor die Füße. Ich hebe sie auf und lese dort die Lösung. Ein Wissenschaftler würde hier einen Zufall vermuten. Ich nicht, weil sich bei mir solche Ereignisse häufen, wenn ich in bestimmter Stimmung bin.

So wie ich das sehe, ist das so, daß aus der Erscheinungswelt eine ganze Menge Information auf uns einströmt und wir vieles von dem einfach wegfiltern, weil's einfach so viel ist. So wirst Du Dich wahrscheinlich, wenn Du gestern Nachrichten im Fernsehn gesehen hast, nicht mehr an die Farbe des Hemdes des Sprechers erinnern, aber ich würde wetten, daß er eines anhatte.
Wenn wir aber in bestimmter Weise gestimmt sind, wenn man über ein bestimmtes Problem nachdenkt, dann sehen die Filter plötzlich anders aus. Oder um bei Deinem Beispiel mit der Zeitung zu bleiben: Wenn Du die Zeitung gelesen hättest, und Du hättest nicht gerade über das bestimmte Problem nachgedacht, hättest Du wahrscheinlich gar nicht erkannt, daß in der Zeitung die Lösung steht.

> > >Könnte ein Physiker auch meine Interpretation akzeptieren?
> >
> > Ich denke, ein Physiker in seiner Eigenschaft als solcher hat damit Probleme. Und zwar deshalb, weil seine Theorien und Erklärungen in der Welt der Modelle leben. Wenn er das Subjekt einbeziehen wollte, müßte er sich ein geistiges Modell davon machen. Und da (gerade menschliche) Subjekte so furchtbar kompliziert sind, hat er damit enorme Schwierigkeiten...
>
> Das ist dann natürlich eine echte Schwäche der Wissenschaft. Das erinnert mich ein wenig an die Geschichte von dem Menschen, der Nachts im Dunkeln seinen Schlüsselbund verloren hat und ihn ausschließlich unter der Laterne sucht mit der Begründung, er könne schließlich nur da suchen, wo es hell ist.

Ja, es hat etwas davon. Vielleicht mit dem Unterschied, daß unter den Laternen der Physiker noch viele andere Schlüssel liegen, nicht unbedingt zu einer speziellen Wohnung (z.B. Subjekt, Seele, Bewußtsein, Weltgeist ...) aber zu vielen netten Hotelzimmern mit Cocktailbar und sowas (Quantenfeldtheorie, Nichtlineare Dynamik, Evolutionstheorie).

> Ich sehe, Du hast auch schon mal versucht, einen Ikea-Schrank zusammenzubauen.

Jaja ... ;-)

> > Nochmal zu Subjekt und Zufallsprozeß:
> > Ein Zufallsprozeß ist im Gegensatz zum Subjekt leicht mathematisch zu modellieren: Ich kann eine "Wahrscheinlichkeitsverteilung" bestimmter Ereignisse oder Gruppen von Ereignissen angeben, und dann bin ich eigentlich schon ganz gut dabei.

> Wie sicher ist sich die Physik, daß es Zufälle gibt? Gibt es eine Zufallstheorie? Gibt es Computer, die ECHTE Zufallszahlen produzieren können?

Der Zufall ist zuerst mal eine Art mathematisches Konstrukt. Für die Physiker ist er eigentlich eine Metapher für "Nicht-Wissen". Ich hatte ja bereits gesagt, daß die Physiker in einer Welt der Modelle leben (in ihrem Job). Wenn Sie nun über einen Prozeß gar nichts wissen außer vielleicht einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, dann modellieren sie ihn als Zufallsprozeß. Das "Zufällige" ist dabei also weniger der Prozeß als die Modellierung.
Nehmen wir an, ein Physiker soll eine Maschine untersuchen, in die ein Roulette- Rad samt (automatischem) Croupier eingebaut ist; die restlichen Teile der Maschine sind irgendwie mit dem Rouletterad verbunden, so daß sich das Ergebnis auf die Wirkungsweise der Restmaschine auswirkt. Der Physiker kann jetzt versuchen,hinzugehen und jede einzelne Bewegung der Roulette-Kugel zu untersuchen und dann aus dem Ergebnis (einer Zahl von 0 bis 36) die Wirkung auf die Maschine abzuleiten. Das ist aber schwer, weil er für das Ergebnis der Kugel (selbst wenn wir annehmen, daß es nicht von der Quantenmechanik abhängt) empfindlich von vielen Dingen abhängt, die wieder schwer zu messen sind usw.
Aber vielleicht reicht es ja dem Physiker (oder seinem Auftraggeber), bestimmte "mittlere" Eigenschaften der Maschine zu beschreiben, etwa, wie häufig in etwa in einem halben Jahr das gelbe Lämpchen blinkt. Dann macht er sich ein Modell von der Maschine und modelliert das Roulette-Rad als Teil der Maschine einfach als Zufallsprozeß, also ein Teil, über dessen Funktionsweise er nicht viel weiß, daß ihm aber eine bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilung zusichert. Die Ergebnisse dieses Zufallsprozesses stopft er dann in sein Modell der Restmaschine und schaut, ob er meint, daß sich die Ergebnisse der Gesamtmaschine (Zufallsprozeß+Restmaschine) mit seinen experimentellen Befunden decken, sprich, ob seine Theorie der Maschine die Häufigkeit des Leuchtens der gelben Lampe angemessen beschreibt.

Das ist natürlich ein sehr abstraktes Beispiel, aber es verdeutlicht vielleicht den pragmatischen Ansatz hinter dem Zufallsbegriff.

> > Das ist richtig: In einem meiner Physik-Scripten zu Hause steht: Physik ist das Handeln von Menschen.

> Da bin ich mir nicht sicher. Die Physik ist so sehr formalisiert, daß alles Menschliche aus ihr herausfällt.

Der Eindruck kann sich aufdrängen, wenn man die Physik von außen anschaut, vor allem, wenn sie einem als Lehrstoff präsentiert wird. Da gewinnt man leicht den Eindruck, die Physik sei eine starre oder erstarrte Theorie. Diesen Eindruck hatte ich, als ich mein Abitur machte und irgendwie faszinierte mich gerade das an der Physik. Dann machte ich in der Zeit meines Zivildienstes (ich habe Überstunden abgefeiert) ein Praktikum im damaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe. Und da hörte ich in einem Vortrag, daß die offziellen Konstanten, die in den Lehrbüchern stehen, gewichtete Mittelwerte verschiedener Messungen verschiedener Forschergruppen sind. Die Gewichtung richtet sich nach bisherigen
Erfolgen (und wahrscheinlich allen möglichen allzu menschlichen Kriterien).
Das hat die Physik von dem hohen Sockel, auf den ich sie gestellt hatte, dann doch heruntergeholt. Aber ich war fast noch faszinierter von der Physik als vorher, denn ich habe sie dort als Prozeß und nicht als "Hort der Weisheit" erlebt.

Und dieser Eindruck hat sich bei meinem Studium, vor allem im Hauptstudium noch sehr verstärkt. Meine Diplomarbeit ist alles andere als thematisch abgehoben (es geht um die Modellierung von Verkehrsstaus). Da gibt es viele Modelle und bei wohl dem bekanntesten von den einfachsten habe ich noch Sachen gefunden, die der Erfinder und eine ganze Arbeitsgruppe um ihn herum trotz bester Computer und tamtam nicht gesehen haben. Ich habe meine Simulationen mit einem Pentium-200 gemacht und die Theorie, die herauskam, hat gezeigt, daß ich für die wesentlichen "Weisheiten" gar keinen Rechner gebraucht hätte!
Es geht einfach darum, bestimmte Sachen zu sehen, und da ist meiner Erfahrung nach viel Intuition dabei.

> Ich könnte mir gut Physikcomputer vorstellen.

Ich nicht. Ich beschäftige mich schon eine ganze Weile mit der sogenannten "Künstlichen Intelligenz", aber die Kreativität von Physikern hat kein Rechner auch nur annähernd erreicht.

> Die Physik bestimmt den Menschen so sehr fremd, daß er keine eigenen Entscheidungen treffen kann im Idealfall.

Ich habe ja bereits gesagt, daß die Physiker in einer Modellwelt leben; der Job eines theoretischen Physikers besteht in erster Linie darin, solche mathematischen Modelle zu machen. Aber was modellieren und was weglassen? Und wenn modellieren, wie modellieren? Niemand sagt einem, ob eine Vereinfachung des Modells die wesentlichen Eigenschaften des Systems noch beibehält oder ob man das Modell seiner Zweckmäßigkeit gerade beraubt hat. Es sind wirklich Entscheidungen über Entscheidungen ... und das selbst bei so einfachen Dingen wie Verkehrsstaus!

> Natürlich machen Menschen Physik, besonders da, wo sie irren, aber wo sie nicht irren, entfremden sich die Menschen von sich selbst zugunsten eines reinen Funktionärstums.

Ich würde den Unterschied woanders sehen: überall dort, wo Leute mit Physik-Ausbildung unkritisch bestimmte Lehrmeinungen professionell verbreiten (das passiert hauptsächlich in Schulen und fachfremden Hochschul-Fachbereichen) verkommen sie zu Funktionären (oder noch schärfer: "Hohenpriester") eines erstarrten Bildes von der Physik.
(Nicht alle Lehrer sind so, aber häufig wird gerade das sogar von Schülern verlangt, gemäß der Devise: Sie sind doch der Halbgott, wie können Sie denn sagen, daß Sie es auch nicht so genau wissen, weshalb komme ich denn überhaupt noch, wenn Sie auch nicht die letzte Weisheit haben"). Das ist ein pädagogisches Problem, eines das - wie ich finde - dringend zur Lösung ansteht.
Gute Hochschulpädagogen (und dazu zähle ich z.B. Prof. Beckmann; ich habe /eine/ Vorlesung (ich meine 1 Stunde!) bei ihm gehört und mich danach mehr oder weniger entschieden, bei ihm Diplom zu machen) weisen auf den Modellcharakter der physikalischen Theorien und auf das menschliche Handeln als Kernstück der Physik.

> Trotzdem bin ich für Physik, weil ich dafür bin, daß wir uns zu 50 % entfremden. Wir sind halt Körper UND Geist: 50 % entfremdet, 50 % nicht. Verstehst Du, was ich meine?

Ich ahne ...

> > Wer sagt das? :-)
> Ich weiß, daß ich mathematisch inzwischen eine 0 bin. Ich weiß noch nicht einmal, was eine Milchmädchenrechnung ist.

Prof. B. hat in einer /Physik-Vorlesung/ uns /wirklich/ erklärt, was eine Milchmädchenrechnung ist; das war eine sehr interessante Vorlesung. Es geht darum, daß ein Milchmädchen in einem Märchen eine Modellrechnung aufmacht, wie sie aus dem Erlös ihrer Milch über viele viele Schritte zu Reichtum und Wohlstand kommt! Sie steckt allerhand (optimistische) Annahmen in diese Rechnung hinein und als sie gerade beim (entsprechend rosigen) Ergebnis ist, verschüttet sie die Milch und damit die Grundannahme ihrer Modellrechnung. Man sieht: Gute Physik-Vorlesungen bilden enorm! :-)

Herzliche Grüße - P


07191154 Hallo P,

dies wird für einige Tage mein letzter Brief sein, denn am Nachmittag fahre ich zu meinen Eltern und werde erst nächste Woche zurückkommen. Bis dahin werde ich dann hoffentlich die Essenz aus unserer Diskussion gezogen und in meinen Evolutionsaufsatz eingebaut haben. Dann werde ich ihn in die Mailbox stellen, zusammen mit Fragen, die noch offengeblieben sind.
Leider spinnt mein PC wieder mal. Wie Du unten siehst, will er partout keine Zitierhäkchen (>) mehr hinzufügen. Aus diesem Grund markiere ich die Abschnitte eigenhändig.

... Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ...

jo> Das ist für mich kein Gegenargument. Die LG ist die größte Geschwindigkeit, die mein Geist abbilden kann

pe: Die Physik als solche ist natürlich gegenüber Zusätzen immer etwas skeptisch, denn sie versucht ja programmgemäß minimalistisch zu sein:

jo: Das ist ja der Fehler. Die Physik erfaßt wegen ihres Minimalismus NICHT die gesamte Wirklichkeit, sondern nur das Formalisierbare. Was ich will, ist ein etwas geringerer Minimalismus - auch wenn's vielleicht nicht ganz möglich ist. Und ich denke, etwas Angemesseneres gefunden zu haben, sonst würde ich nicht "Dinge" sehen, die Naturwissenschaftlern unsichtbar sind, zB den Willen in der Natur, von dem die Physik nur den formalen Teil - das Willenlose! - erfassen kann und damit das Wesen der Natur verkennt.

pe: So wie ich das sehe, ist das so, daß aus der Erscheinungswelt eine ganze Menge Information auf uns einströmt und wir vieles von dem einfach wegfiltern, weil's einfach so viel ist. So wirst Du Dich wahrscheinlich, wenn Du gestern Nachrichten im Fernsehn gesehen hast, nicht mehr an die Farbe des Hemdes des Sprechers erinnern, aber ich würde wetten, daß er eines anhatte.
Wenn wir aber in bestimmter Weise gestimmt sind, wenn man über ein bestimmtes Problem nachdenkt, dann sehen die Filter plötzlich anders aus. Oder um bei Deinem Beispiel mit der Zeitung zu bleiben: Wenn Du die Zeitung gelesen hättest, und Du hättest nicht gerade über das bestimmte Problem nachgedacht, hättest Du wahrscheinlich gar nicht erkannt, daß in der Zeitung die Lösung steht.

jo: Genau! Jetzt verbinde deine Aussage mal mit dem holistischen Gedanken, daß alles in allem ist und bloß die Filter die nichtholistische Erscheinungswelt im Filter zurücklassen. (gleichwie das Licht ALLE Wege geht, wir aber nur den schnellsten "wahrnehmen".) Mit dem Glauben an die verdinglichte Welt haben wir uns entschieden, solche Assoziationen NICHT wahrzunehmen. Wir haben damit die Welt entzaubert und physikalisiert. Der mechanistisch Denkende sieht die Welt als Gegenpart zur Seele (und kehrt das Seelische aufgrund der Unvereinbarkeit mit der Erfahrung unter den Teppich - ins sog. "Unterbewußtsein".) ; der spiritualistisch Denkende sieht in ihr einen Spiegel der Seele: ihm wird alles direkt sichtbar - siehe Erlebnis mit der Zeitung. Mein "Unterbewußtsein" liegt materiell vor meinen Füßen. Daß ich das erkennen kann, und daß es funktioniert, verdanke ich ausschließlich meinem Paradigmenwechsel, meinem anderen Interpretationssystem, indem ich Gesetz (Notwendigkeit, Formalismus) + Zufall zum Willen zusammenfaßte. Ich habe erkannt, daß der Zufall das Denken zerstört. Wie kannst du über Erlebnisse wie dem mit der Zeitung etwas lernen, wenn du sagst, es sei ein Zufall gewesen?

jo:> Wie sicher ist sich die Physik, daß es Zufälle gibt? Gibt es eine Zufallstheorie? Gibt es Computer, die ECHTE Zufallszahlen produzieren können?

pe: Der Zufall ist zuerst mal eine Art mathematisches Konstrukt. Für die Physiker ist er eigentlich eine Metapher für "Nicht-Wissen".

jo: Diese Ausführungen fand ich sehr interessant. Demnach setzt die Physik den Zufall dort hin, wo ihr das Formalisieren der Welt noch nicht geglückt ist? Besteht der Rand der formalisierten, deterministischen Modellwelt der Physik aus "Zufall"?

pe:> > Das ist richtig: In einem meiner Physik-Scripten zu Hause steht: Physik ist das Handeln von Menschen.
>
> Da bin ich mir nicht sicher. Die Physik ist so sehr formalisiert, daß alles Menschliche aus ihr herausfällt.

Der Eindruck kann sich aufdrängen, wenn man die Physik von außen anschaut, vor allem, wenn sie einem als Lehrstoff präsentiert wird. Da gewinnt man leicht den Eindruck, die Physik sei eine starre oder
erstarrte Theorie

jo: Ich will nichts von dem, was du geschrieben hast, bestreiten. Trotzdem bin ich der Überzeugung, daß letztendlich das Physik-System über den Physiker-Menschen siegen wird. Die Physik ist methodisch ein Selbstläufer, der immer mehr seine Kinder (und Väter) frißt.

pe: Prof. B. hat in einer /Physik-Vorlesung/ uns /wirklich/ erklärt, was eine Milchmädchenrechnung ist; das war eine sehr interessante Vorlesung. Es geht darum, daß ein Milchmädchen in einem Märchen eine Modellrechnung aufmacht, wie sie aus dem Erlös ihrer Milch über viele viele Schritte zu Reichtum und Wohlstand kommt! Sie steckt allerhand (optimistische) Annahmen in diese Rechnung hinein und als sie gerade beim (entsprechend rosigen) Ergebnis ist, verschüttet sie die Milch und damit die Grundannahme ihrer Modellrechnung. Man sieht: Gute Physik-Vorlesungen bilden enorm! :-)

jo: Aha! Dann waren die Berechnungen über die Sicherheit von Atomkraftwerken, die in den 70er Jahren zB in "bild der wissenschaft" veröffentlicht wurden (Ermüdungsbruch einer Leitung des Primärsystems: alle 5000 Jahre, Großer Gau: alle 50000 Jahre...) mathematisch gesehen Milchmädchenrechnungen!? Ein gewisser Prof. Traube hatte damals behauptet, man würde bei diesen Berechnungen stehts den günstigsten Fall in Anschlag nehmen.

Übrigens: In meiner HP gibt es mehrere Artikel über die "Wiederverzauberung der Welt". Und im Artikel "Herren der Welt" habe ich u.a. geschrieben, wie die Welt entzaubert wurde.

Stell dir mal vor, du selbst wärst in einer simulierten Computerwelt. Was würdest du tun? - Also ich würde im Wissen, daß mein Geist nicht im Monitor, sondern im Programm jenseits der Erscheinungswelt ist, diejenigen Stellen im Programm suchen, an denen ich das Programm ändern könnte. Wo müßte ich
suchen? - In mir, denn das gesamte Programm steuert auch mich (meinen Körper auf dem Bildschirm).
Und jetzt behaupte ich, daß wir in einer solchen simulierten Computerwelt tatsächlich leben....

viele Grüße joachim


07232112 Hallo, Joachim,

>... Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ...
>
>jo> Das ist für mich kein Gegenargument. Die LG ist die größte Geschwindigkeit, die mein Geist abbilden kann
>
>pe: Die Physik als solche ist natürlich gegenüber Zusätzen immer etwas skeptisch, denn sie versucht ja programmgemäß minimalistisch zu sein:
>
>jo: Das ist ja der Fehler. Die Physik erfaßt wegen ihres Minimalismus NICHT die gesamte Wirklichkeit, sondern nur das Formalisierbare. Was ich will, ist ein etwas geringerer Minimalismus - auch wenn's vielleicht nicht ganz möglich ist. Und ich denke, etwas Angemesseneres gefunden zu haben, sonst würde ich nicht "Dinge" sehen, die Naturwissenschaftlern unsichtbar sind, zB den Willen in der Natur, von dem die Physik nur den formalen Teil - das Willenlose! - erfassen kann und damit das Wesen der Natur verkennt.

Das Trickreiche ist halt nur, daß man, wenn man die Forderung nach möglichst starkem Minimalismus aufgibt, eine riesige Menge von Möglichkeiten hat.

Wenn ich also ein Experiment mache und ich habe vier Stellschrauben, an denen ich drehen kann und schaue, wie sich der Ausschlag auf meinem Meßgerät ändert. Wenn ich nun nach reichlichem Experimentieren festgestellt habe, daß es auf die zwei Stellschrauben (1 und 2) überhaupt nicht ankommt, und bei den verbliebenen zwei (3 und 4) nur auf das Verhältnis der eingedrehten Werte (x3/x4), was soll ich dann machen, wenn ich nicht minimalistisch denke:

Soll ich sagen: Vielleicht kommt es ja /doch/ auf die erste und zweite Schraube an, ich habe nur nicht lange genug dran rumgedreht. Und dementsprechend in eine Publikation reinschreiben: "Es kommt auf alle vier Schrauben an." Mein Experiment ist ja gerade so gemacht, um rauszufinden, worauf es denn nun in erster Linie ankommt und worauf nicht.

Natürlich ist das ein überspitztes und total vereinfachtes Beispiel, aber ich denke, es zeigt, wo der Minimalitätsanspruch in die Physik hineinkommt. Wenn ich den Minimalismus in der Physik abschaffe oder auch nur einschränke, muß ich praktisch die gesamte experimentelle Praxis abschaffen! Und von den wissenschaftlichen Theorien bleibt so gut wie nichts übrig.

Das ist aber auch nicht nur in der Physik so, sondern auch im täglichen Leben:

Wenn ich mir bei der Kellertreppe den Kopf an der zu niedrigen Decke stoße, dann kann ich das natürlich damit in Verbindung bringen, daß mir Nachbars schwarze Katze von links nach rechts über den Weg gelaufen ist. Beim letzten "Unfall" dieser Sorte war es Mittwoch ist und das vorletzte Mal habe ich zum
Frühstück zwei Eier gegessen habe.
Daraus kann ich den Schluß ziehen, daß ich, wenn ich in den Keller will, keine 2 Eier zum Frühstück esse, nicht Nachbars Katze über den Weg laufe und außerdem Mittwochs den Keller meiden. Aber das werde ich nicht tun. Ich werde mir überlegen, daß es darin liegt, daß ich mir den Kopf immer dann gestoßen habe, wenn ich ihn nicht eingezogen habe. Und beim nächsten Mal tue ich genau das.
Die Sache mit der Katze, mit dem Mittwoch und mit den 2 Eiern leugne ich deshalb nicht ab. Nur ich verbanne sie aus meiner "Kopfstoßtheorie". Auch das ist Minimalismus.
In dem Moment, wo ich dieses minimalistische Prinzip im praktischen Leben konsequent aufgebe, falle ich fast automatisch dem Aberglauben anheim (wahrscheinlich tun wir das wirklich alle irgendwie ein bißchen, aber es darf nicht überhand nehmen).

>pe: So wie ich das sehe, ist das so, daß aus der Erscheinungswelt eine ganze Menge Information auf uns einströmt und wir vieles von dem einfach wegfiltern, weil's einfach so viel ist. So wirst Du Dich wahrscheinlich, wenn Du gestern Nachrichten im Fernsehn gesehen hast, nicht mehr an die Farbe des Hemdes des Sprechers erinnern, aber ich würde wetten, daß er eines anhatte.
>Wenn wir aber in bestimmter Weise gestimmt sind, wenn man über ein bestimmtes Problem nachdenkt, dann sehen die Filter plötzlich anders aus. Oder um bei Deinem Beispiel mit der Zeitung zu bleiben: Wenn Du die Zeitung gelesen hättest, und Du hättest nicht gerade über das bestimmte Problem nachgedacht, hättest Du wahrscheinlich gar nicht erkannt, daß in der Zeitung die Lösung steht.
>
>jo: Genau! Jetzt verbinde deine Aussage mal mit dem holistischen Gedanken, daß alles in allem ist und bloß die Filter die nichtholistische Erscheinungswelt im Filter zurücklassen. (gleichwie das Licht ALLE Wege geht, wir aber nur den schnellsten "wahrnehmen".) Mit dem Glauben an die verdinglichte Welt haben wir uns entschieden, solche Assoziationen NICHT wahrzunehmen. Wir haben damit die Welt entzaubert und physikalisiert. Der mechanistisch Denkende sieht die Welt als Gegenpart zur Seele (und kehrt das Seelische aufgrund der Unvereinbarkeit mit der Erfahrung unter den Teppich - ins sog. "Unterbewußtsein".) ; der spiritualistisch Denkende sieht in ihr einen Spiegel der Seele: ihm wird alles direkt sichtbar - siehe Erlebnis mit der Zeitung. Mein "Unterbewußtsein" liegt materiell vor meinen Füßen. Daß ich das erkennen kann, und daß es funktioniert, verdanke ich ausschließlich meinem Paradigmenwechsel, meinem anderen Interpretationssystem, indem ich Gesetz (Notwendigkeit, Formalismus) + Zufall zum Willen zusammenfaßte. Ich habe erkannt, daß der Zufall das Denken zerstört. Wie kannst du über Erlebnisse wie dem mit der Zeitung etwas lernen, wenn du sagst, es sei ein Zufall gewesen?

Der hartgesottene Physiker würde sagen: "Solange ich nicht beschreiben kann, wie ich für das nächste Mal wieder eine Zeitung mit einer Lösung dazu kriege, vor mich hinzuflattern, betrachte ich das Ereignis als Zufall, d.h. einen Prozeß, über den ich nichts weiß (s.u.), außer vielleicht, daß er recht selten vorkommt. Wenn einer ein Verfahren hat, wie man die Zeitung dazu kriegt, und er kann mir das als Experiment vorführen, soll es mir recht sein. Dann bin ich sofort bereit, mich mit der Betrachtung dieser (reproduzierbaren) Experimente als physikalisches Problem zu beschäftigen."

Mit dieser Haltung halten sich die Physiker die unglaubliche Menge noch ungelöster und vielleicht unlösbarer Probleme vom Leibe (was ihr professionelles Wirken angeht). Man muß ja bedenken: es ist nicht so, daß es nicht genug Probleme gäbe, von denen Physiker meinen, man könne sie mit guten Erfolgschancen angehen: davon gibt es wahrscheinlich bedeutend mehr als Physiker! Sie sehen also nicht, warum sie "den Spatz" in der Hand zugunsten einer Taube auf dem Dach eines Wolkenkratzers fliegen lassen sollten.

Zumal es ja so ist: Wenn es Probleme gibt, die man mit den bisherigen physikalischen Methoden nicht lösen kann, warum sollten sich denn ausgerechnet die Physiker mit ihnen beschäftigen: ihre Ausbildung befähigt sie ja dann in gar keiner besonderen Weise dazu, diese Probleme anzugehen. Jeder andere könnte (und kann) dies ja dann auch mit den gleichen Erfolgschancen versuchen. Wenn ein Physiker dies versucht, dann ist es ja sozusagen nicht in seiner Eigenschaft als Physiker.

>jo: Ich will nichts von dem, was du geschrieben hast, bestreiten. Trotzdem bin ich der Überzeugung, daß letztendlich das Physik-System über den Physiker-Menschen siegen wird. Die Physik ist methodisch ein Selbstläufer, der immer mehr seine Kinder (und Väter) frißt.

Ich möchte ein bißchen widersprechen; ich würde sogar die folgende Behauptung aufstellen:
Die Philosophie ist sehr viel geeigneter, Ihre Kinder und Väter zu fressen als die Physik. Die Physik beschreibt den Zusammenhang zwischen Ereignissen bei Experimenten und Messungen. Über unser Gefühlsleben, unsere Vorlieben und Abneigungen, unsere Hoffnungen und Ängste, unsere Vorstellungen und Träume macht sie schlicht keine Aussagen. Und doch nehmen wir diese Emotionen sehr deutlich wahr. Deshalb sehen wir ihre Begrenztheit. Wir sehen die "Insel" im "Ozean" (wie Du es so treffend formuliert hast) /als Menschen/ von außen, sozusagen von einem Boot aus und nehmen sie natürlich auch als kleine Insel wahr. Professionell bewegen wir uns hingegen nur auf der Insel, wir haben da sozusagen einen Job, nämlich Landgewinnung in allerdings sehr beschränktem Maße! Ich zumindest sehe den Job nicht darin, von der Insel aus den ganzen Ozean zuzuschaufeln!

Eine Philosophie hingegen ist sehr viel geeigneter, zu einer Weltanschauung zu werden. Betrachten wir nur den Marxismus. Hier haben sich Menschen mit Haut und Haaren dieser Idee verschrieben (oder was sie dafür hielten). Für solche und andere Ideologien haben Menschen jede Grenze der Menschlichkeit überschritten (namentlich auch zwischen 1933 und 1945), weil sie alle Werte diesen Ideologien untergeordnet haben.

Ich betone: auch der Materialismus ist keine physikalische oder naturwissenschaftliche Theorie, sondern eine philosophische Hypothese! Physik, wie ich sie verstehe, produziert Meßergebnisse und Theorien über
Meßergebnisse, keine Weltanschauungen.

Und sie ist selbst als Weltanschauung in keiner Weise geeignet.

Eine Weltanschauung ist auch eine Insel. Aber um als Weltanschauung durchzugehen, muß es hier das Ziel sein den Ozean zuzuschaufeln. Und das ist hundsmäßig gefährlich.

>jo: Aha! Dann waren die Berechnungen über die Sicherheit von Atomkraftwerken, die in den 70er Jahren zB in "bild der wissenschaft" veröffentlicht wurden (Ermüdungsbruch einer Leitung des Primärsystems: alle 5000 Jahre, Großer Gau: alle 50000 Jahre...) mathematisch gesehen Milchmädchenrechnungen!? Ein gewisser Prof. Traube hatte damals behauptet, man würde bei diesen Berechnungen stehts den günstigsten Fall in Anschlag nehmen.

Es gibt in diesem Fall zwei Möglichkeiten: Es war ein Druckfehler oder dieser Mensch ist eine Schande für die Innung! Der "worst case" ist bei Physikern sprichwörtlich.

>Übrigens: In meiner HP gibt es mehrere Artikel über die "Wiederverzauberung der Welt". Und im Artikel "Herren der Welt" habe ich u.a. geschrieben, wie die Welt entzaubert wurde.

Ich bin noch nicht zum Lesen gekommen, werde das aber irgendwann demnächst mal tun.

>Stell dir mal vor, du selbst wärst in einer simulierten Computerwelt. Was würdest du tun? - Also ich würde im Wissen, daß mein Geist nicht im Monitor, sondern im Programm jenseits der Erscheinungswelt ist, diejenigen Stellen im Programm suchen, an denen ich das Programm ändern könnte. Wo müßte ich suchen? - In mir, denn das gesamte Programm steuert auch mich (meinen Körper auf dem Bildschirm). Und jetzt behaupte ich, daß wir in einer solchen simulierten Computerwelt tatsächlich leben....

Mag sein. Die Frage ist nur, wie weit unsere Schreibrechte für unsere Programme gehen :-). Physiker sind "Programme", die versuchen, Rückschlüsse auf Teile des Programms zu finden, das sie "Realität" oder manchmal verkürzt "Physik" nennen. Dafür nutzen sie die Freiheitsgrade, die ihnen die Programmierung erlaubt (Denken), um ein Modell von Teilen des Gesamtprogramms zu erstellen und nutzen ihren Einfluß auf die Restfreiheitsgrade des Systems (Basteln von Apparaturen und Meßgeräten) um ihren Input (Sinneseindrücke) von bisher unbekannten Variablen und Funktionen des Programms physikalische Größen) abhängig zu machen.

Wenn ich Dich recht verstanden habe, versuchst Du als "Programm" in Deinem "Code" herumzuschreiben, um vielleicht mehr Rückschlüsse auf das Gesamtprogramm zu kriegen. Und als Programmierer sage ich Dir, daß das vielleicht nicht mal so wenig erfolgversprechend wäre (vorausgesetzt natürlich, die Metapher würde stimmen). Aber ebenfalls als Programmierer würde ich Dir auch zwei alte Programmiererweisheiten mit auf den Weg geben, die da heißen: "Optimization of a running program:
1. Don't do it!
2. (for experts only) Don't do it yet! " :-)

Herzliche Grüße - P


07281154 Hallo, lieber P,

ich bin nun wieder zurück von meinem Kurzurlaub bei meinen Eltern und freue mich, Post von Dir vorzufinden. Unser Thema war bei meinen vielen Spaziergängen in Wald und Dauerregen stets mein treuer Begleiter. Ob ich nun behaupten kann, außer Pilzen auch Antworten gefunden zu haben, weiß ich nicht. Doch später mehr zum Thema, daß aus dem Sinn verschwindet, was man wirklich begriffen hat.
>
> Das Trickreiche ist halt nur, daß man, wenn man die Forderung nach möglichst starkem Minimalismus aufgibt, eine riesige Menge von Möglichkeiten hat. ...
>
> Wenn ich den Minimalismus in der Physik abschaffe oder auch nur einschränke, muß ich praktisch die gesamte experimentelle Praxis abschaffen! Und von den wissenschaftlichen Theorien bleibt so gut wie nichts übrig.
>
> Das ist aber auch nicht nur in der Physik so, sondern auch im täglichen Leben: Wenn ich mir bei der Kellertreppe den Kopf an der zu niedrigen Decke stoße, ...

Klar! Der extreme Minimalismus gehört zur wissenschaftlichen Methode - und in milderer, weniger konsequenter Form zum Alltagsdenken. Da stimme ich dir voll zu. Unsere kognitive Welt ist nach diesen Regeln konstruiert - und diese Welt erforschen und erfahren wir als empirische Wesen.
>
> > der spiritualistisch Denkende sieht in ihr einen Spiegel der Seele: ihm wird alles direkt sichtbar - siehe Erlebnis mit der Zeitung. Mein "Unterbewußtsein" liegt materiell vor meinen Füßen. Daß ich das erkennen kann, und daß es funktioniert, verdanke ich ausschließlich meinem Paradigmenwechsel, meinem anderen Interpretationssystem, indem ich Gesetz (Notwendigkeit, Formalismus) + Zufall zum Willen zusammenfaßte. Ich habe erkannt, daß der Zufall das Denken zerstört. Wie kannst du über Erlebnisse wie dem mit der Zeitung etwas lernen, wenn du sagst, es sei ein Zufall gewesen?
>
> Der hartgesottene Physiker würde sagen: "Solange ich nicht beschreiben kann, wie ich für das nächste Mal wieder eine Zeitung mit einer Lösung dazu kriege, vor mich hinzuflattern, betrachte ich das Ereignis als Zufall, d.h. einen Prozeß, über den ich nichts weiß (s.u.), außer vielleicht, daß er recht selten vorkommt. Wenn einer ein Verfahren hat, wie man die Zeitung dazu kriegt, und er kann mir das als Experiment vorführen, soll es mir recht sein. Dann bin ich sofort bereit, mich mit der Betrachtung dieser (reproduzierbaren) Experimente als physikalisches Problem zu beschäftigen."

Das ist der Unterschied zwischen Wille und Regel (Notwendigkeit, Naturgesetz): Gewollte Handlungen und Geschehnisse sind nicht reproduzierbar, es sei denn, sie werden vom Verursacher wiederholt gewollt - nicht erzwungen. In einer magischen Welt gibt es keine Wiederholungen! Beim nächten "Experiment" würde der Experimentator keine Zeitung finden, sondern ein völlig anderes Erlebnis haben, das ihm die Antwort gibt! Stell dir vor, ein Wollender (zB ein Magier) lebt in einer Welt der "empirischen Kausalität", also in einer Welt, in der jedermann (außer ihm, dem Magier, selbst) als Ursache einer Erscheinung eine andere Erscheinung sieht. Nun gefällt es dem Magier, in diese Welt hinein etwas völlig Verrücktes hineinzuzaubern, zB einen Archae Opteryx, der plötzlich von dessen Schreibtisch flattert. Wie erlebt ein Nichtmagier diesen magischen Akt? - Sein "Gehirn" (besser: Seele) konstruiert augenblicklich rückwirkend eine neue Erscheinungswelt, in welcher die Existenz dieses Urvogels eine rational nachvollziehbare empirische Ursache in der Vergangenheit dieser Erscheinungswelt hat. Der Magier selbst wird nie als Verursacher seiner Zaubereien erkannt, da Nichtmagier als Ursache stets andere Erscheinungen suchen und finden und nicht den Willen etwa eines Magiers. Folge: Magische Akte sind unbeweisbar. Und doch sind sie Realität und von anderen Magiern wahrnehmbar. Ich stelle mir diese beiden Arten der Kausalität so vor, daß die des Magiers senkrecht auf der des Empirikers steht. Dadurch wird verständlich, daß eine ganze Welt des Willens senkrecht auf der Welt der Vernunft steht. Da ich in in beiden Welten lebe, sehe ich, daß sich die Vernunftwelt NICHT vernünftig weiterstrickt, sondern sich stets "rückwirkend" als widerspruchsfreie empirisch/kausale Konstruktion, als Spiegel der Seele, darbietet. Kurz: Der Geist ändert sich willentlich (außerhalb der linearen Zeit) und projiziert nach jeder Änderung eine komplette neue Erscheinungswelt samt äonenlanger kausaler Vergangenheit.
Es mag in deinen Ohren sehr theoretisch und abgehoben klingen, aber es ist Tatsache, daß ich die Welt so erlebe, wie ich es darzustellen versuche. Die "tatsächliche" Vergangenheit der Welt, zB der Urknall, ist notwendige empirische Realität minimalistisch denkender Menschen. Der Urknall wird sich sogar beweisen lassen, solange die Wissenschaftler in entsprecheder Methode denken. die "Steady State" - Theorie wurde von Leuten erdacht, die die zwingenden Konsequenzen der Methode noch nicht kannten. Sollte eines Tages eine nichtreduktionistische Theorie (zB Steady State) aufkommen, wird entweder diese Theorie widerlegt oder die wissenschaftliche Methode. Auch die Quantentheorie wird sich eines Tages als sehr gefährlich für die Methode erweisen.
Die emp. Kausalität (also jene, die stets in der Erscheinunbgswelt bleibt) funktioniert also nur von der (von ihr konstruierten) Vergangenheit her, nicht in in die Zukunft hinein - außer in der Technik, denn in diese Kunstprodukte ist das Zeitverständnis und Kausalitätsverständnis der Konstrukteure "Hineingearbeitet". In Maschinen geht die empirische Kausalität bis in die (mitkonstruierte) Zukunft hinein. Bei Menschen, wo sie leben und NICHT emp/rat. denken, ist das nicht der Fall. Deshalb sind Menschen da, wo sie leben, unerforschlich und nur da, wo sie zur Vernunft gebracht (gezähmt) sind, berechenbar. Der moderne Mensch lebt in einer berechneten Welt. Der Magier ist in ihr unsichtbar.
>
>
> >jo: Ich will nichts von dem, was du geschrieben hast, bestreiten. Trotzdem bin ich der Überzeugung, daß letztendlich das Physik-System über den Physiker-Menschen siegen wird. die Physik ist methodisch ein Selbstläufer, der immer mehr seine Kinder (und Väter) frißt.
>
> Ich möchte ein bißchen widersprechen; ich würde sogar die folgende Behauptung aufstellen:
> Die Philosophie ist sehr viel geeigneter, Ihre Kinder und Väter zu fressen als die Physik. Die Physik beschreibt den Zusammenhang zwischen Ereignissen bei Experimenten und Messungen. Über unser Gefühlsleben, unsere Vorlieben und Abneigungen, unsere Hoffnungen und Ängste, unsere Vorstellungen und Träume macht sie schlicht keine Aussagen. Und doch nehmen wir diese Emotionen sehr deutlich wahr. Deshalb sehen wir ihre Begrenztheit. Wir sehen die "Insel" im "Ozean" (wie Du es so treffend formuliert hast) /als Menschen/ von außen, sozusagen von einem Boot aus und nehmen sie natürlich auch als kleine Insel wahr. Professionell bewegen wir uns hingegen nur auf der Insel, wir haben da sozusagen einen Job, nämlich Landgewinnung in allerdings sehr beschränktem Maße! Ich zumindest sehe den Job nicht darin, von der Insel aus den ganzen Ozean zuzuschaufeln!
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> Eine Philosophie hingegen ist sehr viel geeigneter, zu einer Weltanschauung zu werden. Betrachten wir nur den Marxismus. Hier haben sich Menschen mit Haut und Haaren dieser Idee verschrieben (oder was sie dafür hielten). Für solche und andere Ideologien haben Menschen jede Grenze der Menschlichkeit überschritten (namentlich auch zwischen 1933 und 1945), weil sie alle Werte diesen Ideologien untergeordnet haben.
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> Ich betone: auch der Materialismus ist keine physikalische oder naturwissenschaftliche Theorie, sondern eine philosophische Hypothese! Physik, wie ich sie verstehe, produziert Meßergebnisse und Theorien über Meßergebnisse, keine Weltanschauungen.
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> Und sie ist selbst als Weltanschauung in keiner Weise geeignet.
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> Eine Weltanschauung ist auch eine Insel. Aber um als Weltanschauung durchzugehen, muß es hier das Ziel sein den Ozean zuzuschaufeln. Und das ist hundsmäßig gefährlich.

Zustimmung. Ein Wissenschaftler entfremdet sich bei seinem Tun leichter, als ein Philosoph, mit der Folge, daß er sich spaltet in Berufsmensch und Freizeitmensch. Der Philosoph entfremdet sich (im Idealfall) nicht. Folge:
Er lebt seine Philosophie auch in der "Freizeit" - was schwerwiegende Konsequenzen hat. Wenn ein Wissenschaftler scheitert, scheitert er noch lange nicht als Mensch; er kann einen neuen Anlauf nehmen und wieder von vorn beginnen. Ein Philosoph, der scheitert, scheitert ganz und muß als Gescheiterter einen neuen Anfang suchen, was viel schwieriger ist.
> >
> ... Wenn ich Dich recht verstanden habe, versuchst Du als "Programm" in Deinem "Code" herumzuschreiben ...

Ich glaube, soweit bin ich noch gar nicht. Ich bin eigentlich immer noch damit beschäftigt, meine falschen Vorstellungen von mir selbst abzubauen. Ich bin einer, der noch erst wach werden will. Ich bin ein Schläfer, der aufwachen will und kein vollerwachter Magier, der vollbewußt an seinem eigenen Code herumschreibt. Ich weiß das, und deshalb ist mein Herumschreiben am Code äußerst vorsichtig. Sonst würde ich nicht so sehr an der Wissenschafts- und Alltagswelt festhalten. Ich mache nur ganz kleine Sachen, und die auch nur, um meine neuen Möglichkeiten (Methoden?) herauszufinden.

Daß Magie (also ein Wirken mittels einer senkrecht zur Erscheinungswelt stehenden Kausalität auf die Erscheinungswelt) funktioniert, ist mir jedoch eine sichere Erkenntnis, die sich mir schon häufg erwiesen (wenn auch nicht sich empirisch bewiesen) hat. Ich lebe zur Hälfte in einer verzauberten Welt, in welcher ich (anderen Menschen unerkennbare) andere Magier antreffe, die ebenfalls wissen, daß sie Magier - oder deren Schüler - sind.

viele Grüße joachim


07281415 Hallo, Joachim,

> Klar! Der extreme Minimalismus gehört zur wissenschaftlichen Methode - und in milderer, weniger konsequenter Form zum Alltagsdenken. Da stimme ich dir voll zu. Unsere kognitive Welt ist nach diesen Regeln konstruiert - und diese Welt erforschen und erfahren wir als empirische Wesen.

> > ... Dann bin ich sofort bereit, mich mit der Betrachtung dieser (reproduzierbaren) Experimente als physikalisches Problem zu beschäftigen."
>
> Das ist der Unterschied zwischen Wille und Regel (Notwendigkeit, Naturgesetz): Gewollte Handlungen und Geschehnisse sind nicht reproduzierbar, es sei denn, sie werden vom Verursacher wiederholt gewollt - nicht erzwungen. In einer magischen Welt gibt es keine Wiederholungen! Beim nächten "Experiment" würde der Experimentator keine Zeitung finden, sondern ein völlig anderes Erlebnis haben, das ihm die Antwort gibt! Stell dir vor, ein Wollender (zB ein Magier) lebt in einer Welt der "empirischen Kausalität", also in einer Welt, in der jedermann (außer ihm, dem Magier, selbst) als Ursache einer Erscheinung eine andere Erscheinung sieht. Nun gefällt es dem Magier, in diese Welt hinein etwas völlig Verrücktes hineinzuzaubern, zB einen Archae Opteryx, der plötzlich von dessen Schreibtisch flattert. Wie erlebt ein Nichtmagier diesen magischen Akt? - Sein "Gehirn" (besser: Seele) konstruiert augenblicklich rückwirkend eine neue Erscheinungswelt, in welcher die Existenz dieses Urvogels eine rational nachvollziehbare empirische Ursache in der Vergangenheit dieser Erscheinungswelt hat. Der Magier selbst wird nie als Verursacher seiner Zaubereien erkannt, da Nichtmagier als Ursache stets andere Erscheinungen suchen und finden und nicht den Willen etwa eines Magiers. Folge: Magische Akte sind unbeweisbar.
> (...)
> Ich stelle mir diese beiden Arten der Kausalität so vor, daß die des Magiers senkrecht auf der des Empirikers steht.

Das Beispiel ist sehr schön und die Vorstellung von den beiden senkrecht aufeinanderstehenden Welten halte ich (auch aus mathematischer Sicht) für ausgesprochen treffend. Wer hat denn da eigentlich gesagt, daß Du kein Verständnis für Mathe hast?

Nehmen wir eine Welt an, in der es beides gibt: magische Akte und ebenso Erscheinungen, die streng nach irgendwelchen "Naturgesetzen" ablaufen, also deterministischen Zusammenhängen zwischen Ereignissen der Erscheinungswelt.
Der Archae Opteryx ist also das Ergebnis einer magischen Bemühung und das Herunterfallen eines Kugelschreibers - sagen wir mal - deterministisch durch soetwas wie "willenlose Gravitation" verursacht.

Jetzt sieht der Mensch sich diese gemischten Welt aus der zur magischen Sicht senkrechten Sicht an, aus der er vom Willen der Magier nichts direkt weiß; nennen wir sie "naive Sicht".
Was sieht er?
Er sieht einen Archae Opteryx vom Tisch flattern und einen Kugelschreiber runterfallen. Wie soll er entscheiden, was der freie Wille eines Magiers ist und was "gesetzmäßig" ist. Da er die Welt aus der naiven Sicht sieht, ist es für ihn unmöglich, die beiden Ereignisse nach magisch und deterministisch unterscheiden.

Es gibt zwei extreme Sichten:
1. Mensch (1) hält alles für Magie, d.h. für die Konsequenz des Willens irgendwelcher (höherer) Wesen. Alle Erscheinungen hält er also für will-kürlich (jetzt heideggere ich schon).
Jetzt ist die Frage: gibt es in den Erscheinungen irgendwelche Korrelationen? (ich spreche nicht von Kausalität; wenn die Straße naß ist und mein Regenschirm auch naß ist, dann sind die beiden Ereignisse zwar korreliert aber nicht kausal.) Wenn ja, kann ich versuchen, diese zu ergründen und für mich nutzbar zu machen, andernfalls nicht. Er versucht, sich ein konsistentes "Modell" vom Handeln der Wesen zu machen, daß er ihre Handlungen voraussehen oder sogar ihren Willen und damit ihre Handlungen beeiflussen kann. Das, was er nicht voraussehen oder beeinflussen kann, nennt er "unergründliche Ratschlüsse". Wenn er eine neue Systematik in der Handlungsweise der höheren Wesen zu sehen glaubt, nennt er es "Offenbarung".

2. Mensch (2) hält alles für rational erklärbar, d.h. er leugnet die magische Komponente der Welt einfach ab. Dann muß er für alle Phänomene eine rationale Erklärung finden oder zu finden versuchen. Das mit dem Finden klappt jedenfalls nicht in allen Fällen. Also begnügt er sich mit dem Auffinden von bestimmten Korrelationen (oder, wie er sagen würde: Kausalitäten), er versucht, ein konsistentes Modell der /Natur/ zu machen, die Ereignisse vorauszusehen oder sogar ihren Verlauf zu beeinflussen. Das, was er nicht voraussehen oder beeinflussen kann, nennt er "stochastische Komponente" Wenn er eine neue Systematik in den Erscheinungen sieht, nennt er es "wissenschaftliche Erkenntnis".

Nach Voraussetzung hat keine der Personen vollständig recht. Trotzdem kommen eigentlich beide zum gleichen Schluß, was ihre Handlungsweise betrifft, nicht ihre Sichtweise.

Wenn ich Dich richtig verstehe, versuchst Du es mit einer Alternative: Du willst Deine Sicht über die oben definierte "naive Sicht" hinaus erweitern.

Die Frage ist: wie?

> Die emp. Kausalität (also jene, die stets in der Erscheinunbgswelt bleibt) funktioniert also nur von der (von ihr konstruierten) Vergangenheit her, nicht in in die Zukunft hinein - außer in der Technik, denn in diese Kunstprodukte ist das Zeitverständnis und Kausalitätsverständnis der Konstrukteure "Hineingearbeitet". In Maschinen geht die empirische Kausalität bis in die (mitkonstruierte) Zukunft hinein.

Aber es ist doch erstaunlich, daß man die Zukunft zusammen mit den Produkten mitliefern kann; genauso, daß ich nicht jeden morgen die ersten Stellen der sog. Naturkonstanten aus der Zeitung erfahren muß (wie etwa die Börsenkurse, die ich allerdings nicht lese, weil ich keine Aktien habe :-).

Eine schöne Geschichte, in der die Naturgesetze von Wesen konstruiert werden, findet sich bei S. Lem (ich glaube, in der Sammlung "Nacht und Schimmel").

> Bei Menschen, wo sie leben und NICHT emp/rat. denken, ist das nicht der Fall. Deshalb sind Menschen da, wo sie leben, unerforschlich und nur da, wo sie zur Vernunft gebracht (gezähmt) sind, berechenbar. Der moderne Mensch lebt in einer berechneten Welt. Der Magier ist in ihr unsichtbar.

Ich weiß nicht ob der Mensch erforschlich ist oder nicht - aber ich weiß, daß er weitgehend unerforscht ist und ich schätze, daß er das noch lange Zeit in einem hohen Maße bleiben wird. Und die Fähigkeit mancher Leute, in anderen Begeisterung Faszination oder andere starke Gefühle zu wecken (seien es nun z.B. Lehrerpersönlichkeiten oder Künstler oder auch "ganz normale Menschen"), hat doch tatsächlich etwas "magisches", und ich denke, daß auch viele Naturwissenschaftler das so sehen - und das viel weniger mit Verdruß als mit großer Genugtuung.

>Ich mache nur ganz kleine Sachen, und die auch nur, um meine neuen Möglichkeiten (Methoden?) herauszufinden.

Wie kann ich mir das vorstellen?

Herzliche Grüße und bis demnächst - P


07281638

> > (...)
> > Ich stelle mir diese beiden Arten der Kausalität so vor, daß die des Magiers senkrecht auf der des Empirikers steht.
>
> Das Beispiel ist sehr schön und die Vorstellung von den beiden senkrecht aufeinanderstehenden Welten halte ich (auch aus mathematischer Sicht) für ausgesprochen treffend. Wer hat denn da eigentlich gesagt, daß Du kein Verständnis für Mathe hast?
>
> Nehmen wir eine Welt an, in der es beides gibt: magische Akte und ebenso Erscheinungen, die streng nach irgendwelchen "Naturgesetzen" ablaufen, also deterministischen Zusammenhängen zwischen Ereignissen der Erscheinungswelt.
> Der Archae Opteryx ist also das Ergebnis einer magischen Bemühung und das Herunterfallen eines Kugelschreibers - sagen wir mal - deterministisch durch soetwas wie "willenlose Gravitation" verursacht.

Das sehe ich nicht so. Beides sind magische Akte und gleichzeitig mechanistische Notwendigkeiten. Auch das Herunterfallen des Bleistiftes ist kein Zufall (weil es den in einer höherdimensionalen Welt nicht gibt; es gibt ihn erst scheinbar in einer um 1 Dimension niedrigeren Welt, wo durch die Reduktion der wahre Kausalzusammenhang verlorengegangen ist und die "Dinge" zusammenhanglos (Korrelation = zufällig) erscheinen), sondern ein magischer Akt (hervorgerufen von einer Seele senkrecht zur Erscheinungsawelt). Trotzdem gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen dem Fallen eines Bleistiftes und der Erschaffung eines Archae Opteryx': Die meisten Menschen GLAUBEN ja an die Erscheinungswelt. D.h. sie richten ihre magische Tätigkeit UNBEWUSST an den empirischen "Gesetzen" aus und finden damit ihr Weltbild bestätigt, nämlich daß sich alle Dinge nach einer "willenlosen Gravitation" richten. Ein "hartgesottener" Physiker würde in einer Welt, wo ein Urvogel vom Schreibtisch gehüpft ist, jede Magie strikt ablehnen, denn er könnte beweisen, daß dieses Viech vorher woanders war usw. Er sieht die Wirklichkeit stets empirisch/kausal entwickelt bis zurück zum Urknall. Stell dir diese Zeitdimension aufgewickelt in einer lebendigen, brodelnden Allgegenwart vor. Das wäre in Etwa das, was ich ewige Seele nenne. Die Seele verändert sich in sich selbst - also spontan, aus sich selbst, unverursacht - und projiziert ihren neuen Zustand abgewickelt als Erscheinungswelt samt Urvogel und fallendem Bleistift. (Dabei verhält es sich NICHTso, wie zB der australische Physiker Paul Davies mit seiner Viele-Welten-Theorie postuliert, nämlich daß alle Welten konkret vorhanden seien und sich ständig weiterspalten würden. So nicht! Jede Seele konkretisiert immer nur 1 Welt, aber jede Sekunde eine andere bis zurück zum Urknall (und kompletter Evolution).
>
> Es gibt zwei extreme Sichten:
> 1. Mensch (1) hält alles für Magie, d.h. für die Konsequenz des Willens irgendwelcher (höherer) Wesen. Alle Erscheinungen hält er also für will-kürlich (jetzt heideggere ich schon).
>
> 2. Mensch (2) hält alles für rational erklärbar, d.h. er leugnet die magische Komponente der Welt einfach ab.
>
> Nach Voraussetzung hat keine der Personen vollständig recht. Trotzdem kommen eigentlich beide zum gleichen Schluß, was ihre Handlungsweise betrifft, nicht ihre Sichtweise.
>
> Wenn ich Dich richtig verstehe, versuchst Du es mit einer Alternative: Du willst Deine Sicht über die oben definierte "naive Sicht" hinaus erweitern.
>
> Die Frage ist: wie?

Du siehst, daß ich oben beide extremen Sichten widerspruchsfrei zusammengefügt habe. Beide - Physiker und Magier - leben in ihren selbstbestätigenden Systemen.

> > ... außer in der Technik, denn in diese Kunstprodukte ist das Zeitverständnis und Kausalitätsverständnis der Konstrukteure "hineingearbeitet". In Maschinen geht die empirische Kausalität bis in die (mitkonstruierte) Zukunft hinein.
>
> Aber es ist doch erstaunlich, daß man die Zukunft zusammen mit den Produkten mitliefern kann; genauso, daß ich nicht jeden morgen die ersten Stellen der sog. Naturkonstanten aus der Zeitung erfahren muß (wie etwa die Börsenkurse, die ich allerdings nicht lese, weil ich keine Aktien habe :-).

Wir haben die Naturkonstanten "internalisiert" und damit aus unserer bewußten Kontrolle entlassen. Dadurch erscheinen sie wiederum (da unkontrolliert) als externe Größen. Wenn du etwas 1000 mal machst, wird es Gewohnheit, und das Gewohnte schwindet aus unsem Blick - und wird zur scheinbar unkontrollierten Außenwelt (Naturgesetz). Die Zukunft ist die Summe aller unserer "Erwartungen" und Wünsche.

> Eine schöne Geschichte, in der die Naturgesetze von Wesen konstruiert werden, findet sich bei S. Lem (ich glaube, in der Sammlung "Nacht und Schimmel")

Das Buch muß ich mir besorgen!
>
> ... Und die Fähigkeit mancher Leute, in anderen Begeisterung Faszination oder andere starke Gefühle zu wecken (seien es nun z.B. Lehrerpersönlichkeiten oder Künstler oder auch "ganz normale Menschen"), hat doch tatsächlich etwas "magisches", und ich denke, daß auch viele Naturwissenschaftler das so sehen - und das viel weniger mit Verdruß als mit großer Genugtuung.

Vernunft allein kann niemanden überzeugen, es sei denn, er will es. Begeisterung für etwas ist rational kaum nachvollziehbar. Man findet etwas von sich im Andern... Resonanz.
>
> >Ich mache nur ganz kleine Sachen, und die auch nur, um meine neuen Möglichkeiten (Methoden?)herauszufinden.
>
> Wie kann ich mir das vorstellen?

Da die Welt (für mich) ja ein Gesellschaftstraum ist, kann sich meine Magie ausschließlich nur auf Seelen beziehen: auf Pflanzen, mehr jedoch auf Tiere, aber hauptsächlich auf Menschen und deren Weltbilder. Kinder leben ja noch in einer verzauberten Welt und erkennen in mir einen Gleichgesinnten.
Sie sehen in mir eine Chance, Kind bleiben zu können und der Disziplinierung durch die Erwachsenen entfliehen zu können. Ich muß sie dabei zwar enttäuschen - aber nur zu 50 %, da ich die Welt der Erwachsenen nicht ablehne, sondern bloß als Insel betrachte. Aber ich mache ihnen Hoffnung auf etwas Höheres, als das Pseudoleben der biochemischen Reaktion. Woher kommt es, daß bei manchen Kindern oder Jugendlichen eine einzige Begegnung ausreichte, in der ich kaum mehr sagte, als daß die sichtbare Welt um sie herum Konstruktion ihrer ewigen Seele sei, und daß ich Zauberer sei, um sie 10 Jahre später zur Äußerung zu bringen, durch mich hätten sie den Sinn ihres Lebens gefunden, ja, seien sie erst lebendig geworden? Viele bringen ihr Lebendiggewordensein auch gar nicht mit mir bewußt in Verbindung - aber ihre unbewußte Gestik und Verhalten spricht Bände. Woher kommt es, daß ich schon so manchen Prof. dermaßen in Verwirrung gestürzt habe, daß er krank wurde? Ich habe eine große Macht entdeckt, aber zugleich mit dieser Macht, daß sie nicht von mir stammt, denn auch ich bin ein Produkt dieser Macht. Es ist die Macht des "es geschieht" - die Macht der Magie. Nicht mein empirischer Leib (Ego) ist Verursacher der Magie, sondern die Seele.
Doch wo fängt "meine" Seele an, wo hört sie auf? Wie unterscheidet sie sich von den Seelen anderer Wesen? Gibt es überhaupt individuelle Seelen? Es ist also falsch, wenn ich sage: "Ich bin Magier!", denn alles, was ich von mir empirisch weiß, ist es gerade NICHT! die Seele, der mein Leib gehört, ist Magier. Anber ich weiß nicht, inwiefern ihr nicht noch andere Leiber gehören. Ich betrachte mich als die nichtmagische, hilflose Verkörperung eines Magiers. Ich bin sein Medium vielleicht. Ich weiß nicht wieso und warum: aber um mich herum geschieht Magisches - und ich sage einfach: Das hab ich gezaubert. Ich weiß nicht, ob das anmaßend ist... Es geschieht....

herzlichst
Dein joachim

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